10.56

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Ich möchte meine Rede mit einem Appell an alle Abgeordneten beginnen: Wenn wir auf die Vorredner replizieren und es wie in meinem Fall – Ecker – eine Namensgleichheit gibt, dann würde ich bitten: Nennen wir den Vornamen dazu! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Krisper.) Ich möchte an dieser Stelle noch einmal sagen, dass ich mich von der Aussage der Kollegin Rosa Ecker aufs Schärfste distanzieren möchte, dies auch im Sinne meiner Fraktion. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Gabriela Schwarz und Krisper.)

Nun zum eigentlichen Thema, zum Abfallwirtschaftsgesetz: Pfand- und Mehrweg­sys­teme sind bei uns schon seit Jahren gang und gäbe. Wir alle kennen das im Zusam­menhang mit Bier- oder gläsernen Mineralwasserflaschen. Wir können uns da auch gar nichts anderes mehr vorstellen. Diese Systeme wirken müllvermeidend, das ist sonnen­klar, darum begrüßen wir die vorliegende Novelle, und zwar begrüßen wir auch, dass das auf andere Gebinde ausgeweitet wird, was natürlich eine Umweltschonung zur Folge hat.

Die Novelle bietet aber auch Anlass zu Kritik. Zum einen bräuchte es eine Dach­gesell­schaft, wie es sie in Deutschland gibt – die Deutsche Pfandsystem GmbH –, welche dafür sorgt, dass das Pfandsystem von Wien bis Vorarlberg gleich ist. Eine Dachgesellschaft wäre auch für den Handel gut, denn da könnten einheitliche Pfandrahmenverträge aus­gehandelt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Einwegkunststoffwegwerfkultur hat Riesenauswirkungen auf unsere Ozeane, auf unsere Meere, Flüsse und Strände, deshalb ist diese Novelle auch von so großer Bedeutung.

Wir kommen aber schon auch zu einer Kritik, wenn wir uns diese langen Über­gangs­fristen anschauen: Erst 2024 zu starten, das ist aus meiner Sicht viel zu spät. Auch die Ausnahme von Getränkedosen und kleinen Flaschen bis inklusive 0,5 Liter ist scharf zu kritisieren.

Da die Intention dieser Novelle aber eine gute ist, werden wir als SPÖ-Fraktion zustim­men. Wir würden sie aber noch konkreter formulieren, deshalb bringe ich einen Unselb­ständigen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr Kos­teneffizienz in den Sammelsystemen und beim Einwegpfand im Interesse der Konsu­mentInnen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie wird aufgefordert, Maßnahmen für mehr Kosteneffizienz im Interesse der Konsu­mentInnen zu ergreifen, insbesondere

- dass Auftragnehmer von Systemen der Erweiterten Herstellerverantwortung weder mittelbar noch unmittelbar Mitglieder oder Eigentümer dieser Systeme sein können,

- dass die Getränkeabfüller auch Eigentümer der im Handel zurückzunehmenden Einweg-Pfandgebinde bleiben,

- dass die Umsetzung des Einwegpfandes ohne Digitales Pfand erfolgt.“

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Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.59

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Unselbständiger Entschließungsantrag

der Abgeordneten Julia Herr,

Genossinnen und Genossen

eingebracht im Zuge der Debatte zur Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (AWG-Novelle Kreislaufwirtschaftspaket) (1104/1123 d.B.)

betreffend Mehr Kosteneffizienz in den Sammelsystemen und beim Einwegpfand im Interesse der KonsumentInnen

Legt man die Kostensenkungen der Dualen Sammelsysteme in Deutschland ab der Wettbewerbsöffnung 2003 bis 2011 auf Österreich um1, so dürfte die Verpackungs­sammlung im Haushaltsbereich in Österreich nicht 140 Mio. Euro, sondern nur rund 90 Mio. Euro jährlich kosten. Bis zu 50 Mio. Euro Einsparungspotential jedes Jahr sind eine beträchtliche Größe angesichts dessen, dass Verpackungen nur wenige Prozent aller in Österreich anfallenden Abfälle ausmachen. Noch nicht bezifferbar sind die Mehrkosten in der Sammlung, weil eine Hauptkostenverantwortung der Ausschreibungsführer gem. § 29 Abs. 10 AWG fehlt. Demnächst könnten noch weitere 10 Mio. Euro Zusatzkosten hinzukommen, wenn es den Großformen des Lebensmittelhandels ermöglicht wird, anstelle der Abfüller selber die Kontrolle über das Einwegpfandsystem an sich zu reißen und dann die gesammelten Einwegpfandgebinde für sich profitträchtig zu vermarkten, so wie dies in Deutschland geschehen ist.2

Wohlgemerkt: Alle diese Kosten sind Zusatzkosten, die aus mangelndem Wettbewerb resultieren und über die Produktpreise umgelegt werden. Die KonsumentInnen bekom­men dafür aber keinen wie immer gearteten Zusatznutzen.

Die o.g. Kostensenkungen in Deutschland resultieren daraus, dass das deutsche Bun­deskartellamt schon um 2000 rigoros gegen In-Sich-Geschäft-Praktiken im damaligen DSD-System vorgegangen ist, die im österreichischen ARA-System, immer noch zu beobachten sind3. Bemerkenswerterweise enthält die ARA-Vereinsatzung sogar eine Regel, die solchen In-Sich-Geschäfte vorbeugen soll4. Doch sie wird einfach nicht umge­setzt. Deswegen sollte im AWG als Grundregel für marktbeherrschende Systeme der Erweiterten Herstellerverantwortung verankert werden, dass aktuelle oder künftige Auftragnehmer dieser Systeme weder mittelbar noch unmittelbar Mitglieder oder Eigen­tümer dieser Systeme sein können.

Nicht umgesetzt ist in Österreich auch das Prinzip der Hauptkostenverantwortung in der Kunststoffhaushaltssammlung, obwohl die Sammlung mehr als 50% aller Kosten verursacht5: Die Ausschreibungsführer (§ 29c Abs 10 AWG) haben wenig Anreiz für kosteneffiziente Ausschreibungen, weil die resultierenden Kosten nach Marktanteilen zwischen allen Sammel- und Verwertungssystemen aufgeteilt werden können. Das würde sich ändern, wenn der Ausschreibungsführer vorab 30 bis 50% der Kosten tragen muss und nur der Rest dann aufgeteilt wird.

Bei der Umsetzung des Einwegpfandes wird darauf zu achten sein, dass es zur Errich­tung einer einheitlichen Gesellschaft in der Hand der Abfüller kommt, so wie dies schon in der sog. Hauer-Studie des BMK vorgeschlagen wird. Jedenfalls muss sichergestellt sein, dass die Abfüller weiterhin Eigentümer der zurückgenommen Pfandgebinde blei­ben. Den Großformen des Lebensmittelhandels hier Profite zu ermöglichen, wäre schon deswegen Unfug, weil die neue Rücknahmeautomatenstruktur ja auch über das Resi­lienzpaket finanziell gefördert werden wird und der Handel ohnedies eine Abgeltung seiner Zusatzkosten erhalten soll.

Keinen tatsächlichen Nutzen für die KonsumentInnen, dafür aber beträchtliche Zusatz­kosten, die eine künftige Einwegpfandgesellschaft an ARA entrichten wird müssen, verspricht das Konzept des Digitalen Pfands. Dieser Ansatz sollte nicht weiterverfolgt werden, damit es für KonsumentInnen bei der klaren Botschaft bleibt, dass sie die Pfand­gebinde künftig in den Handel zurückbringen sollen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie wird aufgefordert, Maßnahmen für mehr Kosteneffizienz im Interesse der Konsu­mentInnen zu ergreifen, insbesondere

•           dass Auftragnehmer von Systemen der Erweiterten Herstellerverantwortung weder mittelbar noch unmittelbar Mitglieder oder Eigentümer dieser Systeme sein können,

•           dass die Getränkeabfüller auch Eigentümer der im Handel zurückzunehmenden Einweg-Pfandgebinde bleiben,

•           dass die Umsetzung des Einwegpfandes ohne Digitales Pfand erfolgt.“

1 Pressemeldung: Bundeskartellamt legt Sektoruntersuchung duale Systeme vor – Wettbewerbsöffnung senkt die Kosten der Verpackungsentsorgung um eine Mrd. Euro/Jahr; Bundeskartellamt, Sektoruntersuchung Duale Systeme – Zwischenbilanz der Wettbewerbsöffnung, Bericht gemäß § 32e GWB – Dezember 2012 unter http://www.bundeskartellamt.de/DE/UeberUns/Publikationen/Sektoruntersuchungen/sektoruntersuchungen_node.htm

2 Vgl. dazu NABU - Das Geschäft mit dem Einwegpfand - Wie Abfüller und Handel am Pfand verdienen https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/ressourcenschonung/einzelhandel-und-umwelt/mehrweg/21967.html : Nach NABU-Berechnungen liegen die Einnahmen der Händler aus dem Verkauf von PET-Ballen und zurückgenommenen Getränkedosen für das Recycling bei geschätzt 68 Millionen Euro jährlich. In Spitzenzeiten mit einer hohen Nachfrage nach recyceltem PET liegen diese Einnahmen wesentlich höher.

3 Große Auftragnehmer von ARA, die sowohl in der Sammlung (~ zwei große Lebens­mittelketten) als auch in der Verwertung von Verpackungsabfällen (~ die altstoff­verwertenden Industrien: Papier, Glas, Metall, Kunststoffrecycling und -verbrennung) tätig sind, sind bis heute im ARA-Aufsichtsrat vertreten, in dem wichtige Entscheidungen ge­­trof­­fen werden; vgl. zum Folgenden die Stellungnahme der BAK im Begutachtungs­ver­fahren https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/SNME/SNME_109718/index.shtml und ausführlich das BAK-Positionspapier zum Vorschlag für das zweiten EU-Kreislauf­wirtschaftspaket vom 22. Juni 2020 https://www.akeuropa.eu/de/neuer-aktionsplan-kreislaufwirtschaft-fuer-ein-sauberes-und-wettbewerbsfaehigeres-europa insbesondere die S 4 und 6.

4 § 4 der ARA-Vereinssatzung bestimmt:

„Keine ordentlichen Mitglieder des Vereins können … (Unternehmen) sein, (c) die aktu­elle oder potentielle Auftragnehmer (private oder öffentliche Entsorger) des ARA Sys­tems sind.“

5 Siehe schon die BAK-Stellungnahme zur AWG-Novelle 2015 https://www.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/umweltundverkehr/umwelt/stellungnahmen/AWG-Novelle_2015.html.

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Wir kommen zur nächsten Rednerin, das ist Frau Abgeordnete Rössler. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)