14.39

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Herr Präsident! Geschätzte Abgeordnete! Geschätzter Herr Bun­deskanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, gerade auch die neuen auf der Regierungsbank! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Ich möchte mich als Allererstes dem Dank an Alexander Schallenberg – er ist ja noch hier auf der Minis­terinnen- und Ministerbank –, aber auch an all jene, die ihre Ämter zurückgelegt haben, anschließen.

Ich möchte mich ebenso einem Befund anschließen, mit dem sich auch ein Dank ver­bindet: In keiner Minute war trotz der sicherlich von außen turbulent anmutenden und überraschenden Ereignisse, trotz dieser – wenn wir ehrlich sind, und das sollten wir auch sein – auch für viele in der ÖVP überraschenden Abfolgen und Schritte das Staatsganze gefährdet oder ungelenkt – überhaupt nicht. Deshalb schließe ich mich dem Dank an den Bundespräsidenten an. Es ist richtig, was der Herr Bundeskanzler sagt: Wir haben in kurzer Abfolge immer wieder – aus den bekannten Gründen natürlich vor allem telefo­nisch – entsprechend Kontakt gehalten. Ich finde, das ist ein gutes Zeichen, das ist eine gute Voraussetzung. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Insofern gilt mein Dank – auch wenn mich wieder viele dafür kritisieren werden – auch ausdrücklich der Österreichischen Volkpartei. Warum? – Ja, es ist eben eine Krise aufgetreten, deren Wurzeln vielleicht schon länger zurückliegen – ich will das an dieser Stelle gar nicht bewerten, sie ist aufgetreten –, aber dann muss man es auch schaffen, sie zu bereinigen, und das vor allem so schnell und auch in dieser Form. Dafür zolle ich ausdrücklich Anerkennung, und das sollten viele tun. Alle Parteien haben hin und wieder Krisen – ich weiß, wovon ich rede. Aber steht es uns im demokratischen Verbund, auch hier im Parlament, nicht gut an, diesen Respekt und diese Anerkennung auszudrücken, gerade dann, wenn es gelingt, solche Krisen zu bereinigen – wenn es nicht gelingt, müssen wir uns eh wechselseitig kritisieren –, anstatt uns der Versuchung hinzugeben, das mit Häme zu kommentieren? – Viele haben das geschafft, auch ihnen danke ich. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Damit sind wir schon beim Wesen des Nationalrates, des Parlaments. Sie wissen, ich bin gerne hier, manchmal geht es auch hier am Regierungsrednerpult ein bisschen mit mir durch, weil ich in einigen Phasen gedanklich immer noch Abgeordneter bin. Ich fühle mich den Parlamentarierinnen und Parlamentariern – glauben Sie mir das! – tatsächlich verbunden und muss mich wohl auch hin und wieder entschuldigen, wenn es von der Regierungsbank aus ein bisschen resch wird.

Der Herr Bundeskanzler hat gerade das Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative angesprochen. Ich habe dem Herr Bundeskanzler bei seinen letzten Reden schon zugehört, aber natürlich auch heute. Auch betreffend dieses Verhältnis geht es stark darum, zuzuhören und zu diskutieren, sich auszutauschen, die Argumente des anderen zu hören. Man glaubt ja immer, dass man das bessere Argument hat, aber manchmal, wenn man aufrichtig genug zuhört, gelingt auch das Anerkennen eines noch besseren Arguments. Das gehört auch zur Konsensfindung, das gehört auch zu diesem parla­men­tarischen Betrieb dazu, überhaupt aber ist es essenziell für die repräsentative Demo­kratie.

Wir haben das auch immer gesagt, und deshalb haben wir Grüne uns in diese Regierung hineingewagt, weil wir aus tiefer Überzeugung gegen die Denunziation des politischen Kompromisses auftreten, wie sie jetzt schon Mode geworden ist. So kommen wir nicht weiter! Niemand hat 50 Prozent und mehr. Selbst eine Mehrheitspartei wäre gut beraten, auch auf die Minderheit zu hören und sie mitzunehmen. Genau das ist ja dieser Tage das schwierige Thema, und deshalb sage ich allen, die das beherzigen, Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Gemeinsame zunächst zu suchen, zu finden und dann zu stärken, das Gemeinsame dann auch vor das Trennende zu stellen, ist nicht immer gleich einfach – das ist schon richtig. In diesen Tagen gibt es natürlich sehr viel Trennendes, dazu werde ich auch noch etwas sagen, aber jetzt ist es doch auch wirklich wieder einmal einen Versuch wert – wir haben es uns schon öfter gegenseitig gesagt, auch viele andere wichtige Menschen, alle Menschen zueinander, im privaten und familiären Bereich, et cetera –, darauf zu ver­trauen, aufeinander zuzugehen, immer wieder auch mit einem Neustart.

In gewisser Weise haben wir dieses Thema ja auch politisch, aber es ist mittlerweile auch ein gesellschaftliches Thema: Die Situation in der österreichischen Gesellschaft ist nicht einmal so viel anders als unsere Verhältnisse zueinander hier. Das ist, wenn man ehrlich ist, nicht gerade einfach. Es ist eine der schwierigsten Situationen der Zweiten Republik – ich werde auch zur Pandemie noch etwas sagen –, und wenn das so ist: Nützen wir doch diese Gelegenheit, um nicht nur das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen, sondern auch – was noch wichtiger ist, weil wir es ja nicht mehr wegwischen könnten, das aber auch gar nicht wollen – das Unterschiedliche, und um, wenn man so will, durchaus auch das Trennende so zu behandeln, dass es uns nicht unversöhnlich zurücklässt! Das ist auch wichtig. Das müssen wir versuchen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. –  Abg. Wurm: Ist das ein Angebot?) – Ja, das ist ein Angebot.

Jetzt möchte ich etwas erwähnen, was beim Herr Bundeskanzler sonst immer deutlich herauskommt, wenn auch heute weniger. Wir haben in diesen wenigen Tagen schon eine gewisse Übung darin entwickelt, was die Arbeitsteilung betrifft, auch trotz der Wech­sel. Man merkt schon an der Länge der Reden die Annäherung. (Heiterkeit bei Abgeord­neten der Grünen.) Jetzt aber tatsächlich zu etwas Ernstem: Bei allem Verständnis für das Gemeinsame und das Suchen danach dürfen wir die Augen nicht vor dem ver­schließen, was vor sich geht. Wir brauchen klare Sicht, wir brauchen Klarheit, Klarstel­lungen, wir müssen Stellung beziehen. Wovon rede ich? – Es ist eben nicht egal, wenn berechtigte – wie es so oft heißt, aber in diesem Fall stimmt es wirklich – Sorgen und Ängste der Menschen missbraucht werden. Diesen Missbrauch sollten wir missachten und wir sollten auch entsprechend dagegen auftreten. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Worum geht es da? – Da geht es nicht bloß um harmlose Falschmeldungen, wie sie sich in den sogenannten sozialen Medien, in denen wir schon länger schrecklichere Dinge erleben, verbreiten. Da geht es noch einmal um mehr, da geht es offensichtlich darum, dass Spaltung ganz bewusst als Agitationsprinzip und damit als Aktionsprinzip der politischen Auseinandersetzung (Ruf bei der FPÖ: Das der Regierung! – Zwischenrufe der Abgeordneten Amesbauer und Steger) nicht nur gefördert, sondern geradezu absichtlich betrieben wird – und dagegen müssen wir uns gemeinsam wehren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

To whom it may concern: Da ist nämlich auch die Toleranz gefordert (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Amesbauer), sich selbst zu immunisieren, das ist doch völlig logisch. Sie wissen, was die Parolen an dieser Stelle sind, aber ich sage es noch deut­licher: Ich habe nicht nur kein Verständnis dafür, sondern ich fordere, dass wir mit dieser Klarheit eben auch Stellung beziehen, klar sehen, klarstellen, was dort vorgeht (Zwi­schenruf des Abg. Hafenecker), wenn Staatsverweigerer, Demokratiefeinde, Neonazis und Neofaschisten in unseren Städten herumspazieren. (Widerspruch bei der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Unglaublich! Eine unfassbare Entgleisung! Das ist ein Wahnsinn!) – Wieso regen Sie sich da jetzt gerade auf? Es ist doch so! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es ist doch so! (Abg. Hafenecker: Schämen Sie sich! Schämen Sie sich! – Abg. Wurm: He! – Abg. Kassegger: Du redest ja wie der Honecker! Wie der Honecker! – Abg. Steger: Das ist Hetze! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glocken­zeichen.) Bitte, fürs Protokoll: Die Freiheitliche Partei fühlt sich offensichtlich ange­sprochen. (Abg. Kassegger: Werner Honecker! – Zwischenrufe der Abgeordneten Schnedlitz und Steger.)

Es ist immer der Dialog zu suchen, das sagte ich ja. Wir müssen nur trotzdem klar hin­sehen, damit aus diesem Missbrauch heraus keine Missverständnisse entstehen. (Rufe bei der FPÖ: Hetzer! Das ist undemokratisch! – Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker und Schnedlitz. – Präsident Sobotka gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Das ist es doch, wozu wir auch aufgefordert sind – na völlig klar! (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Hafenecker: Unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Man muss nicht auch - - (Abg. Hafenecker: Schämen Sie sich!) Sie wissen, wie hoch wir das Demonstrationsrecht halten (Zwischenruf der Abg. Steger – Ruf bei der FPÖ: Aber nicht für die FPÖ!) und was für eine wichtige Aufgabe das ist, deshalb darf es ja sein! (Abg. Hafenecker: Schämen Sie sich! – Abg. Schnedlitz: Von oben herab die Bevölkerung schimpfen und selber nichts zusammenbringen! – Abg. Martin Graf: Das Zurückrudern ...! – Ruf bei der FPÖ: Nichts auf die Reihe kriegen, aber hetzen!) Nein, nein, gar nix! Die Sache ist doch die, dass wir auch alle - - (Abg. Steger: Das ist demo­kratiefeindlich! – Rufe bei der FPÖ: Eine Frechheit! Das ist unerhört! – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich würde Sie bitten, den Herrn Vizekanzler nicht ständig - - (Abg. Hafenecker: Das ist doch unerhört! Das ist eine Frechheit! Sie sollten sich schämen! – Rufe bei der FPÖ: ... die Bevölkerung schimpfen! Wo ist die Würde des Hauses?) Ich würde Sie bitten, sich nicht ständig - - (Abg. Steger: Das ist demokratie­feindlich! – Zwischenruf des Abg. Martin Graf. – Abg. Schnedlitz: Das ist eine Frechheit!) Ich würde Sie bitten, den Herrn Vizekanzler nicht ständig zu unterbrechen. (Ruf bei der FPÖ: ... nur weil sie eine andere Meinung haben!) Wir sollten doch wirklich auch das Parlament - - (Abg. Zanger: Sagen Sie es ihm auch! – Rufe bei der FPÖ: Unglaublich! Sie spalten! Er sollte sich schämen!) Lassen Sie ihn ausreden! Sie können sich ja dann zu Wort melden! (Abg. Martin Graf: Ja, ja!) – Herr Vizekanzler, bitte. (Abg. Steger: Sie sind immer nur um die Würde des Hauses besorgt! Das ist ...! – Abg. Hafenecker: Wo ist die Würde des Hauses? Da steht sie nicht! Und der Anstand auch nicht!)

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Danke schön. (Ruf bei der FPÖ: Unpackbar! – Wei­tere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das bedeutet, dass wir es in diesem Dialog (Ruf bei der FPÖ: Nüchterner Dialog wäre wichtig!), wo wir auf alle zugehen sollten, trotzdem schaffen sollten, so weit an die Verantwortung zu appellieren, dass es nicht egal ist – ich sagte ja, wie wichtig für mich politisches Demonstrationsrecht ist –, ob man unreflektiert und ohne irgendeine Bemer­kung hinter – ja, genau – Neonazis und Neofaschisten hinterherhoppelt. So ist es. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Steger: Schon wieder! – Ruf bei der FPÖ: Unpack­bar! Unfassbar! – Abg. Martin Graf: Man kann ihm auch einen Ordnungsruf erteilen! – Abg. Schnedlitz: Mal schauen, ob wir Ordnungsrufe bei unseren Reden kriegen! Das ist eine Frechheit!)

Ich bin da ganz beim Bundespräsidenten; und ich bin auch beim Bundespräsidenten, wenn er sagt, dass die nächste große Aufgabe dieser Bundesregierung – schon in kür­zester Zeit – die Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen, vor allem der sozialen, der ökonomischen und auch der menschlichen Folgen, ist. Das ist eine der vordringlichsten Aufgaben, keine Frage. (Abg. Martin Graf: Die Regierung ist in der Krise und beschimpft das Volk! Das ist ja unglaublich!) In diesem Zusammenhang sagt er auch, dass keine falschen Erwartungen geweckt werden sollten und nichts versprochen werden sollte, was später nicht oder nur sehr schwer einhaltbar ist.

Ja, es wurden auch Fehler gemacht. (Abg. Hafenecker: Der größte Fehler sind Sie selbst!) Aber wo viele Entscheidungen fallen, passieren auch einige Fehler. (Abg. Amesbauer: Dass Sie in der Regierung sind, ist der größte Fehler!) Der noch größere Fehler wäre es, die Entscheidungen gar nicht zu treffen. Das war, ist und bleibt das Leitprinzip. (Abg. Hafenecker: Sie sind ein Fehler!)

Ja, zugegeben – das tun ja einige von uns tatsächlich –, es hat auch Verzögerungen und Versäumnisse gegeben, so etwas kommt vor. Manches war zu spät (Abg. Martin Graf: ... der stabile Faktor in der Regierung, der selber schon zweimal ...! Unglaublich!), vieles ist aber auch gelungen, und davor wollen wir die Augen nicht verschließen. Gerade bei den angesprochenen Wirtschaftshilfen und den sozialen Absicherungen haben wir es weitgehend gut – ganz gut – geschafft, die Betriebe und die Menschen in dieser Krise nicht unterversorgt zu lassen, sondern mitzunehmen.

Natürlich ist es ein Problem, wenn manche die Hoffnungen so hochgeschraubt haben, dass sie letztendlich trügerisch waren. Für die Zukunft gilt deshalb umso mehr, dass wir bei der Bekämpfung dieser globalen Gesundheitskrise das große Ganze sehen. (Abg. Martin Graf: ... überall besser gelöst als bei uns!) Es ist die schwerste Gesundheitskrise seit vielen, vielen Jahren, und deshalb geht es bei der Bewältigung dieser Krise auch um Faktenbasiertheit, und das bedeutet hinkünftig sicher – auch aufgrund der Unberechenbarkeiten, die es gibt – so gut wie möglich Prognosenbasiertheit. Daran wird sich die Lösungsorientiertheit messen, so ist es verantwortungsvoll, umsichtig, abwä­gend und vorausschauend.

Ich stimme dem Bundeskanzler durchaus zu. Er sagt ja, das Virus ist der Feind. Der Feind ist heimtückisch (Abg. Wurm: Es hat jetzt nicht so geklungen, wer der Feind ist!), er kommt alle paar Monate anders um die Ecke, und deshalb ist es nicht immer so einfach, entsprechende Maßnahmen zu setzen; mit dieser Problemstellung und mit den Problemlösungen sind wir ja aber nicht allein.

Was sicherlich gewiss ist, das kann ich nur unterstützen: Das größte Potenzial an Ansteckungen geht von Situationen aus, wo Ungeimpfte ungeschützt auf Ungeimpfte treffen. Das ist das Schlimmste, das können wir einfach nicht wegdiskutieren, und deshalb werden sich genau an solchen Erkenntnissen – ich verweise auf das Prinzip, das ich vorhin erwähnt habe – die Ziele und auch die Lösungsmaßnahmen orientieren. (Abg. Martin Graf: Lauter Sesselkleber! – Abg. Belakowitsch: Nix mit ausgestreckter Hand!)

Die Impfung ist, auch wenn sie nicht hundertprozentig perfekt erscheint, tatsächlich mit großem Abstand das Beste, was wir haben (Zwischenrufe bei der FPÖ), auch wenn es so war – das darf man ja ruhig anmerken, das ist ja auch von der Wissenschaft nach­betrachtet und nachgeschärft worden – oder so ist, dass bei den meisten Impfstoffen bereits nach vier, fünf, sechs Monaten der Schutz nachlässt, schneller und stärker als erwartet, aber er ist immer noch groß.

Drehen wir es um: Wenn Geimpfte auf Geimpfte treffen, ist es immer noch relativ risikolos im Verhältnis zum anderen Setting. Deshalb muss man die Augen darauf richten. Die Vollimmunisierung (Zwischenruf des Abg. Wurm), die offenkundig und in Wahrheit erst mit dem sogenannten dritten Stich, mit dem Booster erreicht wird, ver­bessert die Bedingungen noch einmal um ein Vielfaches. (Abg. Belakowitsch: Es gibt keine Vollimmunisierung! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wurm. – Ruf bei der FPÖ: Ist eh schon wurscht! – Abg. Martin Graf: Die gibt es wahrscheinlich erst mit dem vierten und dem fünften Stich!) Deshalb ist es so wichtig, dass wir – ich mache das gerne auch hier – diesen Appell, dass die Menschen sich impfen lassen sollen, immer wieder vorbringen. Jetzt geht es gerade um den dritten Stich, aber natürlich auch um den ersten. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Auch wenn da nicht immer alles hundertprozentig genau kalkuliert werden kann, so ist es doch mit Abstand das Beste.

Wenn wir schon dabei sind, zu reflektieren, was gelungen ist und was weniger gelungen ist: Vieles ist gelungen (Abg. Belakowitsch: Was denn? – Ruf bei der FPÖ: Was?), vieles ist in der Praxis erreicht worden. Ich sage das deshalb, weil es jetzt darum geht, auf etwas aufzubauen, die Ärmel aufzukrempeln und nach vorne zu arbeiten, weil das alles ein Fundament braucht. (Abg. Belakowitsch: ... mit ausgestreckter Hand!) Ich habe Ihnen ja schon öfter die rhetorische Frage gestellt: Reicht das bereits Erzählte oder zählt das Erreichte? – Es ist eben sehr viel erreicht worden. (Abg. Kassegger: Nichts! Null! – Abg. Wurm: Schulden aufzubauen!) Die Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Krise haben wir als Regierungsparteien gemeinsam dazu genutzt, durch diese mas­siven Förderprogramme die Wirtschaft zu modernisieren, zu digitalisieren, zu regiona­lisieren (Ruf bei der FPÖ: Mit der Gießkanne!), und das ist genau das, was es braucht. (Zwischenrufe der Abgeordneten Martin Graf und Hafenecker. – Ruf bei der FPÖ: Schulden haben Sie gemacht! Das Einzige, was Sie gemacht haben, sind Schulden!)

Dazu gehört auch die völlige Neuaufstellung im Steuer- und Abgabenbereich. Der Herr Bundeskanzler hat es angesprochen: Wir müssen die ökologisch-soziale Steuerreform (Abg. Lausch: Jössas Maria!) in den nächsten Wochen und Monaten wirklich aufs Gleis bringen, das ist nämlich ein großes Projekt und nicht bloß das Drehen an ein paar Schräubchen entlang der Tarifreformen (Abg. Lausch: Ein bissl was geht noch beim Spritpreis!), wie wir es sonst oft haben. Insgesamt wird es dazu führen, dass wir weniger Dreck in der Luft haben, die Menschen aber mehr Geld im Börsl. – So wird es sein. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Lausch: Ein Wahnsinn! – Abg. Kassegger: ... dann ist es wieder weg!)

Ich freue mich auch schon – wir dürfen es, glaube ich, sagen, Herr Finanzminister –: Wir haben heute gleich anschließend an diese Sitzung ein gemeinsames Arbeitsgespräch, wo wir nicht nur die Wirtschaftshilfen absichern und nachjustieren, sondern insbeson­dere auch die Umsetzung der ökologisch-sozialen Steuerreform weiterverfolgen (Abg. Martin Graf: Super! – Abg. Lausch: Sie machen uns Angst!), und zwar in jenem Drei­schritt, der sie einmalig macht: erstens mit der CO2-Bepreisung, zweitens mit der recht­lichen Möglichkeit, das de facto ab einem Jahr oder ab zwei Jahren (Abg. Lausch: Oder drei oder vier!), in dieser Range – in ein Handelssystem verwandeln, wenn wir das wollen.

Wir beziehen, wie in vielen Bereichen, auch das wurde erwähnt, die europäische Per­spektive mit ein, dort ist das 2026 zu erwarten. Bis dorthin gelten die ausgeschilderten Preispfade. Es ginge aber jetzt schon, es ist jetzt schon in Vorbereitung, und das macht das schon vergleichbar mit den Leistungen, die es in der Bundesrepublik gibt.

Eines kommt hinzu, und das ist der dritte von drei Schritten: In der gleichen Höhe, in der die Abgabenbelastungen kommen, wird an alle Familien, an alle Menschen in Österreich ein Klimabonus ausbezahlt, der so gestaltet ist, dass die soziale Absicherung aus dem Titel der CO2-Bepreisung gut gelingt. Das ist vom Wirtschaftsforschungsinstitut und auch vom Chef des Fiskalrates bestätigt worden. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) An dieser Stelle verteilt die Reform von oben nach unten, weil es auch gleichzeitig noch um den durchaus wichtigen regionalen Ausgleich geht. – So ist das gestaltet.

Bei allem Verständnis: Manche Fraktionen sollten da schon konsistenter sein. Auf der einen Seite ist ihnen der CO2-Preis zu niedrig. Ich weiß, viele Umweltinitiativen hätten gerne einen höheren; wenn man an den Lenkungseffekt denkt: wohl auch zu Recht. Wir steigen jetzt einmal ein, auch der Preis wird steigen. Gleichzeitig gibt es Fraktionen, die sagen: Ui, die Energiepreise sind ja viel zu hoch, wir müssen sie sofort senken! In der gleichen Fraktion finden wir Abgeordnete, die sagen: Der CO2-Preis ist zu gering! – Da reicht schon die Volksschulmathematik, dass man erkennt, dass das nicht zusammen­geht. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Ich erkenne das Motiv ja an: Ja, die Energiepreise sind in den letzten Monaten sehr stark gestiegen – früher nicht, aber jetzt schon –, und deshalb führen wir diese CO2-Beprei­sung erst im Sommer nächsten Jahres ein. Das war ja mit ein Motiv. Sollten die Ener­giepreise aber wieder sinken, gröber sinken, wird der CO2-Preis im gleichen Ausmaß erhöht. Was heißt das? – Das ist auch ein Signal an jene, die meinen, das sei jetzt zu wenig, zu niedrig, dass wir uns verlässlich auf einen Preispfad einigen können. Das haben wir gemacht, das ist wichtig für die Privaten, aber noch wichtiger für Gewerbe und Industrie, so sie nicht ohnehin schon im Emissionshandel sind. Das sind jetzt die Elemente, die dazu führen, dass sich viele Länder in Europa dieses Modell anschauen, allen voran der Nachbar, die Bundesrepublik Deutschland, wo ja gestern eben erst der Kanzler und seine Regierungsmitglieder, wie wir in Österreich sagen würden, angelobt wurden. Die haben genau den Ratschlag ihres Klimarates, des deutschen Klimarates, erhalten, sich das österreichische Modell – genau jenes, das ich jetzt vorgetragen habe –, anzuschauen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Martin Graf.)

Deshalb glaube ich, dass wir hier eine gute Basis haben, um weiterzuarbeiten. Ich wollte ja genau mit solchen Beispielen das Motto: Ärmel rauf und nach vorne arbeiten!, untermauern. Das Gleiche gilt für viele andere Prinzipien. Es wird das Prinzip weiter­verfolgt, dass das umweltfreundliche, klimafreundliche Verhalten, vor allem das Produ­zieren, das Inverkehrbringen von Energie et cetera, günstiger wird, während umwelt­schädliches, klimagiftiges Verhalten teurer wird. So einfach ist das!

Das geht auch mit einem guten ökonomischen Prinzip zusammen, weil darin für solche Volkswirtschaften wie Österreich ganz, ganz viele Chancen liegen. Darauf wollen wir uns auch konzentrieren: wo etwas weitergeht, wo der Wirtschaftsstandort gestärkt wird, wo moderne, zukunftsfähige, in diesem Fall im eigentlichen Sinn des Wortes qualifizierte, sichere Arbeitsplätze kommen. Diese Branchen der Umwelttechnologie haben noch jede Krise gut überstanden und waren in dem Sinn immer Wachstumsbranchen, auch in der Krise.

Dort sehen wir es: Wirtschaftswachstum ist ja nicht für sich zurückzuweisen, wir müssen nur wissen, was wachsen und was schrumpfen soll. (Abg. Hafenecker: Die Grünen sollen schrumpfen!) Das sind doch die Ausgaben, ah, die Aufgaben der Zeit, und dafür – weil ich mich gerade versprochen habe – braucht es auch Ausgaben, weil wir auch sehr viele Investitionen in diese Richtung lenken. Es gab in den letzten eineinhalb Jahren so viel Klimaschutzinvestitionen wie nie zuvor. In den letzten eineinhalb Jahren ist mehr für den Klimaschutz gemacht worden – und wird jetzt auf die Piste gebracht, wie wir immer sagen: ökologische PS – als in den 15 Jahren davor. So werden wir weiter fortfahren. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das sind eben Chancen für ganz viele Betriebe – eigentlich überall in Österreich, es gibt aber spezielle Regionen: in Oberösterreich ganz viele, der Großraum Graz, die Ober­steiermark, Vorarlberg, Wien und Umgebung. (Abg. Kassegger: Der Großraum Graz hat extrem profitiert vom Verbund ...! Da werden die Arbeitsplätze nur so wie die Schwammerl aus dem Boden schießen!) Überall dort, wo diese modernen, fortschritt­lichen Betriebe jetzt schon angesiedelt sind, haben die Regionen eine Riesenchance.

Der Arbeitsminister schaut gerade zu mir herüber, wir haben schon ein paar Be­sprechungen dazu gehabt: In Wahrheit ist es so, dass wir in diesem Segment schon Arbeits­kräfte­knappheit haben. Wir brauchen mehr gut ausgebildete Installateurinnen und Installa­teure, Elektrotechnikerinnen und Elektrotechniker und, und, und. Es gibt schon bald zu wenige Firmen, die diese Nachfrage, die da herrscht, zufriedenstellen können, privat wie öffentlich, und die Privaten können es auch deshalb so gut, weil wir das öffentlich fördern. (Abg. Wurm: Das rote Licht leuchtet!) Das sind Zukunftschancen, und wir sollten auch anerkennen, dass sich die Wirtschaft in Österreich gerade in diesem Segment sehr, sehr gut erholt hat. (Abg. Kickl: Das ist kein Zwang! Das Lichterl ist kein Zwang!) Das ist auch mit eine Leistung dieser Bundesregierung, und genau dort werden wir weiter­arbeiten. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Deshalb bestärken wir ja auch das Ziel, dass Österreich 2040 klimaneutral sein soll. (Abg. Kassegger: Ja, ein super Ziel! Alles super! Super Ziel!) Das ist eine Riesenheraus­forderung, mir ist das völlig bewusst, aber wir sollten eben auch die Chancen sehen, und diese werden wir nützen.

Wenn man so will, ist da ganz viel positive Veränderung drinnen. Natürlich kann nicht alles gleich bleiben, wie es ist, denn dann fliegt uns der Laden um die Ohren, aber deshalb geht es um diese behutsame, sozial verträgliche Transformation – genau darum geht es!

Das heißt aber am Schluss, dass es sehr wohl die Perspektive auf ein besseres Leben gibt, auf bessere Luft, auf weniger Lärm, auf mehr lebende Böden, mehr Arten, die über­leben werden und am Schluss von den Menschen für deren Überleben gebraucht wer­den, und, ja, auf noch mehr, sage ich ganz bewusst, gesunde Lebensmittel aus unserer bäuerlichen Landwirtschaft. Das ist eben das Modernisieren, das wir über das neue Regionalisieren, ja, auch das Digitalisieren und das Ökologisieren herbringen wollen. Modernisieren statt bloß nur konservieren!

Dann sehen wir, dass diese Chancen uns auch hoffnungsvoll stimmen können. Es ist ja gut so, dass wir in diesen vielen Krisen, in denen wir uns befinden, sagen können: Transformation statt Depression! – Das ist der Ansatz, den wir hier verfolgen! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das gilt auch für soziale Bereiche. Der Herr Bundeskanzler hat sie ja erwähnt. (Abg. Wurm: Das rote Licht leuchtet!) Ich möchte hinzufügen, dass Bildung und das Bildungs­system eine ganz wichtige Rolle spielen werden, gedacht bis zu den Kindergartenplätzen und der Erweiterung derselben, auch dafür ist im Budget Vorsorge getroffen. Deswegen haben wir ja gemeinsam so darum gerungen, dass dieses Budget jedenfalls noch durch­gebracht wird. Jetzt haben wir die besten Voraussetzungen, all diese Punkte umzu­setzen. Dort ist schon Grund geankert, und da können wir die nächsten Jahre noch nachlegen, auch bei den vielen Bildungsinitiativen, die es gibt. Ich freue mich auch schon auf die Gespräche mit dem neuen Minister (in Richtung Bundesminister Polaschek), mit dem Kollegen aus Graz! (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Wir haben ja ausgemacht, dass wir uns in Graz treffen.

Ähnliches gilt für die Pflege: Ja, wir haben Voraussetzungen dafür geschaffen, dass mehr Ausbildungsplätze geschaffen werden können, aber es wird auch um die Bezah­lung gehen und, ja, auch um die Arbeitsbedingungen. Uns ist das bewusst, und wir werden dort im wahrsten Sinne des Wortes investieren, genauso wie weiter in die Mög­lichkeiten der Justiz investiert wird, ob es jetzt die Justizwache ist oder ob es andere Planposten in der Justiz sind. Das Absichern der Justiz wird diese auch ressourcen­mäßig stärken und damit einen Beitrag zu ihrer Unabhängigkeit leisten. Sie wissen, dass mir, dass uns das wichtig ist. (Abg. Martin Graf: Was sagen Sie überhaupt zur Regie­rungsumbildung?) Die unabhängige Justiz ist Fundament des liberalen Rechtsstaats und mithin der liberalen Demokratie. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Martin Graf: Er sagt überhaupt nichts zur Regierungsumbildung!)

Das ist wichtig für Österreich, das ist wichtig für Europa. Ich bin sehr dankbar dafür, dass der Bundeskanzler die europäische Ebene angesprochen hat, weil man viele dieser Krisen, die es jetzt gibt, und auch der Themen und Lösungen, die voranzutreiben sind, eben nur mehr transnational bewältigen können wird – und unser nächster Verbund ist eben die Europäische Union.

Wir haben im gemeinsamen Programm den Schwerpunkt mit der Vertiefung der Bezie­hungen zum Westbalkan mit der Perspektive Beitritt, völlig richtig, aber noch einmal: Das ganz große Transformationsthema Ökonomie und Ökologie unter einen Hut zu bringen, wird auf europäischer Ebene wesentlich besser gelingen, als wenn es jeder Staat nur für sich alleine versucht.

Auch die Angriffe auf die Demokratie, die wir in manchen europäischen Ländern erleben (Abg. Schnedlitz: In Österreich zum Beispiel!), wird man im Gemeinsamen besser ab­wehren können als im Getrennten. Dem liegt ja die Erkenntnis zugrunde, dass die Sou­veränität der Bürgerinnen und Bürger dieses Kontinents, aber auch jeder Österreicherin und jedes Österreichers, dann gestärkt ist, wenn die Union dort, wo sie ihre Kom­petenzen hat, handlungsfähig ist. (Ruf bei der FPÖ: Genau!)

Dass es also immer nur Souveränitätsgewinn bedeutet, wenn alles möglichst kleinteilig passiert, ist ein Irrtum, und umgekehrt gilt das Subsidiaritätsprinzip genau dort: Wo es auf der unteren Ebene gelöst werden kann, soll es auch dort gelöst werden. Ich weiß, dass wir uns an diesen Punkten mit der Österreichischen Volkspartei in einer Meinung wiederfinden. (Ruf bei der FPÖ: Wirklich? – Abg. Kickl: Das müssen Sie noch etwas näher ausführen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Als Letztes, noch einmal zu Österreich kommend, da steckt ja schon das Wort Reichtum im Namen: Ja, Österreich ist reich, nicht nur ökonomisch, das haben wir ja gehört, Österreich ist auch reich an begabten Menschen und reich an gesellschaftlichen Fähig­keiten, und die gilt es zu pflegen, zu nutzen und zu fördern. (Ruf bei der FPÖ: Ein­heitspartei Schwarz-Grün! – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Deshalb ist unsere Hand zum Dialog gereicht, auch den vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die jetzt, nicht nur im Bereich der Pandemie, sondern sonst auch, in Österreich Hervorragendes leisten, auch den zivilgesellschaftlichen Organisationen – ob es jetzt soziale Initiativen, Umweltinitiativen und viele andere mehr sind, im Bürger­initiativenbereich –, auch denen, die sich ehrenamtlich engagieren – das sind ganz viele in Österreich, wie wir wissen –, den Sozialpartnern, den Vertreterinnen und Vertretern der Bundesländer – wir sehen, wie wichtig das gerade ist – und den Religionsgemein­schaften. Es würden Ihnen wahrscheinlich noch weitere Gruppen einfallen. Jedenfalls Ihnen im Parlament gegenüber ist und bleibt die Hand ausgestreckt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Deshalb geht es für mich darum, dass wir die Chancen, die uns dieser Reichtum bietet, nutzen. Ich sehe mit dem Regierungsprogramm und mit der Regierung ganz viele Mög­lichkeiten dazu, auch das werden wir nutzen.

So gesehen gilt es, das Richtige zu tun, und das folgt dem Motto: Transformation statt Depression. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Hafenecker: Die Transformation gibt es aber bis jetzt immer nur in der Regierung! – Abg. Martin Graf: 25 Minuten lang nichts zur Regierungsumbildung! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

15.10

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner. – Bitte.