17.03

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung – die alten, die neuen! Speziell: Herzlich willkommen dem neuen Minister für Bildung und Wissenschaft! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein paar Worte zur Bildungspolitik: Da gibt es in Österreich schon seit Jahrzehnten tiefe ideologische Gräben und Fronten und Abwehrreflexe, mit dem Ergebnis, dass sich da oft nicht viel getan hat. Diese Gräben, das möchte ich nicht verhehlen, gibt es und gab es auch zwi­schen ÖVP und Grünen. Ich sage nur ein paar Stichworte: gemeinsame Schule der Sechs- bis 14-Jährigen, ich sage: Noten, ich sage: Flüchtlinge.

Was macht man aber, wenn man vor einem Graben steht? – Da gibt es zwei Mög­lichkeiten. Man kann sich in den Graben hineinsetzen und sich dort in der Verschie­denheit einzementieren, dann bewegt sich gar nichts. Oder man kann aus dem Graben herauskommen und schauen, ob man trotzdem mit dem anderen irgendwo Felder findet, wo man sich treffen kann. Dann ist man zwar immer noch verschieden – als Parteien, als Personen –, man behält seine eigene Weltanschauung, aber man bringt trotzdem konkrete Projekte zusammen. Ich kann nach jetzt fast zwei Jahren sagen: Wir haben uns in der Bildungspolitik ernsthaft angestrengt, diese Felder zu finden, und wir haben das geschafft.

Ich möchte an dieser Stelle – Sie verzeihen, Herr Minister Polaschek – kurz noch dem ehemaligen Bundesminister Heinz Faßmann danken. So verschieden wir waren, wir haben auch gemeinsam gekämpft, vor allem darum, dass die Bildungseinrichtungen in der Krise sichere Orte sind und offen bleiben, solange es nur irgendwie geht, weil eben Lernen ohne persönliche Begegnung fast nicht möglich ist und diese für Kinder und Jugendliche noch viel wichtiger ist als für alle anderen Menschen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Lieber Herr Bundesminister, Sie haben bereits gesagt, dass Sie diesen Weg fortsetzen wollen; darüber freue ich mich sehr. Überhaupt bin ich überzeugt, dass diese Krise eini­ges in Bewegung gebracht hat. Sie hat uns Aufgaben vor die Füße geworfen, die wir einfach anpacken müssen, egal auf welcher politischen Seite wir stehen. Ich zähle einige davon auf:

Erstens hat sie uns gezeigt, wie lebensnotwendig Kindergärten, die frühe Bildung für Kinder für das Wohlergehen von Familien sind, dass wir da endlich für mehr Qualität, bessere Arbeitsbedingungen, mehr Angebot sorgen müssen. Dieser Verhandlungs­pro­zess mit den Bundesländern hat gerade begonnen. Da muss etwas rauskommen, das sind wir allen schuldig.

Zweitens: Die Krise hat gezeigt, wie wichtig die Schule als sozialer Ort ist, wo nicht nur auf die Bildung, sondern auch auf Gesundheit – auf die körperliche, auf die psychische – geschaut werden muss, auf gutes Essen, auf Bewegung, auf Teilhabe. Da haben wir ein großes Vorhaben schon in die Wege geleitet, nämlich die Ausweitung von Ganztags­angeboten, die Ausweitung der Freizeitpädagogik, die Neuordnung des Supportper­so­nals inklusive der Schoolnurse. Da ist Großes in Angriff genommen worden, und das müssen wir fertigbringen.

Drittens: Die Krise hat uns gezeigt, wie lebensnotwendig Universitäten und Wissenschaft und Forschung sind – ohne Wissenschaft keine Coronaimpfung. In jeder Krise brauchen wir Innovation, um wieder aus der Krise rauszukommen, und ich möchte jetzt die Ge­schichte von Uğur Şahin erwähnen. Das ist der Erfinder des Biontech-Impfstoffs, den die allermeisten von uns hier in den Oberarm bekommen haben. Der bekam damals keine Empfehlung fürs Gymnasium, weil er ein Arbeiterkind war und einen türkischen Namen hatte. Da musste erst ein Nachbar intervenieren, damit er trotzdem seine Laufbahn in einer höheren Schule beginnen konnte. So etwas passiert in Österreich immer noch jeden Tag, und so etwas darf nicht mehr passieren. So etwas können wir uns schlicht nicht leisten. (Beifall bei Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Wir müssen daher alles für mehr Durchlässigkeit im Bildungssystem tun: Förder­program­me, Stipendien für Benachteiligte, Chancen für alle, weil wir die Talente aller Menschen in diesem Land brauchen, und auch das ist keine Frage der Weltanschauung, sondern schlicht der Vernunft. In diesem Sinn sehe ich den Auftrag an unsere Bundesregierung auch bildungspolitisch vor allem als Auftrag zur Beziehungsarbeit. Wir müssen gemein­sam dafür sorgen, dass die Verletzungen, die diese Pandemie geschlagen hat, verheilen können. Wir müssen Kindergärten, Schulen und Universitäten als Orte beschützen, an denen junge Menschen die furchtbare Isolation der letzten Monate überstehen.

Dafür wird es Geld brauchen, Personal, Ressourcen – aber nicht nur. (Ruf bei der SPÖ: Machen!) Es wird dafür auch zivilgesellschaftliches Engagement brauchen, Nachsicht und Rücksicht, viel miteinander zu reden, über alle Gräben hinweg, und ich glaube, wenn wir das wollen, dann können wir das. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.09

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva Maria Holzleitner. – Bitte.