16.54

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frauen Ministerin­nen! Wir haben in diesem Block unter Tagesordnungspunkt 21 das Thema Verbesse­rung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen in diesem Bereich, vor allem für agrar- und landwirtschaftliche Betriebe und Erzeuger. Was wir bei dem Gesetz nicht ganz verstehen: Es geht um die Umsetzung einer EU-Richtlinie und um den Schutz von landwirtschaftlichen Erzeugern und landwirtschaftlichen Betrieben gegenüber Handels­riesen und Handelsketten, damit es da keine unlauteren Wettbewerbsbedingungen gibt. In diesem Bereich gibt es Umsatzgrenzen, und die kleinste Umsatzgrenze beim Erzeu­ger liegt bei weniger als 2 Millionen Euro, dann geht es hinauf auf 350 Millionen Euro und hin bis zu 1 Milliarde Euro.

Was wir nicht ganz verstehen, und deswegen werden wir auch einem Teil dieses Gesetzes nicht zustimmen – Sie haben es uns im Ausschuss leider nicht erklären können, Frau Ministerin –: Warum sind Handelsbetriebe, also Käufer, mit einem Jahres­umsatz von zwischen 1 Milliarde und 5 Milliarden Euro nicht von dieser Richtlinie um­fasst und unterliegen dieser Richtlinie nicht? – Vielleicht können Sie uns das heute noch erklären.

Im Bereich der Landwirtschaft ist aber, wie ich glaube, viel wesentlicher, dass es nicht so viele Betriebe gibt, die in der kleinstrukturierten Landwirtschaft in Österreich 2 Milliar­den Euro Umsatz machen – die haben ganz andere Sorgen. Schaut man heute das bäuerliche Einkommen laut Grünem Bericht an – heruntergebrochen auf einen Arbeits­platz in der Landwirtschaft –, dann liegen die Bauern mit ihrem monatlichen Einkommen mittlerweile unter der Mindestsicherung. Das ist eigentlich eine Schande für die ÖVP-Landwirtschaftspolitik in diesem Land!

Viele Bauern setzen auf Alternativen, durch die sie zusätzlich Geld verdienen können, und dazu gehören auch entsprechende Hofläden. Diese Hofläden haben aber ein Problem – Herr Kollege Ofenauer und Herr Kollege Prinz kennen das Problem –: In Neidling in Niederösterreich zum Beispiel gibt es einen Anlassfall mit einem Dorfladen, der wie viele andere in Österreich auch betreffend die Öffnungszeiten mit der Öffnungs­zeitenverordnung und der Gewerbeordnung, die ja sowieso schon seit Langem über­arbeitet gehört, in Konflikt kommt. Wie es bei der ÖVP halt oft ist, wird eine Petition eingebracht und mit der Petition passiert nichts. – Herr Ofenauer, jetzt muss ich Sie fragen: Letztes Jahr haben Sie die Petition überreicht, jetzt war sie im Petitions­aus­schuss – was passiert?

Es muss die Gewerbeordnung geändert werden. Ihr redet zwar alle davon, aber wenn es darauf ankommt, dann tut ihr es nicht, es passiert nichts. Die ÖVP lehnt jeden Antrag auf Änderung der Gewerbeordnung ab.

Ich gebe euch heute noch einmal die Chance und bringe jetzt einen entsprechenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Sicher­stellung des Betriebs von Dorfläden zur Rettung der Nahversorgung durch Änderung der Gewerbeordnung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, mit welcher sichergestellt wird, dass im Sinne der Verbesserung der Nahversor­gung Direktvermarkter (Dorfläden, Selbstbedienungsläden) bei Erfüllung bestimmter Kriterien nicht in den Anwendungsbereich der Gewerbeordnung fallen. Kriterien dafür könnten die Gemeinnützigkeit, eine eingeschränkte Produktpallette oder eine inadä­quate Lebensmittelversorgung vor Ort sein.“

*****

Ich ersuche um Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.58

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

betreffend die Sicherstellung des Betriebs von Dorfläden zur Rettung der Nahversorgung durch Änderung der Gewerbeordnung

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 21: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (1167 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbs­bedingungen geändert wird (1212 d.B.) in der 135. Sitzung des Nationalrates am 15. Dezember 2021

Die Stärkung und der Ausbau der Selbstvermarktung sind seit vielen Jahren ein heiß­diskutiertes Thema. Landwirtschaftlich geführte Betriebe setzen vermehrt auf die Inves­tition in Hofläden oder Direktvermarktung. Die Idee hinter einem Dorfladen bzw. einer Dorfspeis ist es, regionale Wertschöpfung über die Gemeinden zu fördern und zu unter­stützen. So können auch die Gemeinden und Dörfer von einem Dorfladen profitieren und als zentrale Verkaufsstelle für unterschiedliche Selbstvermarkter einen Beitrag zum Vertrieb regionaler Produkte schaffen.

Dorfläden bedeuten Nahversorgung mit Lebensmitteln in einer Gemeinde, in der es keinen anderen Nahversorger mehr gibt, qualitativ hochwertige bäuerliche Produkte aus der Region, einkaufen im sicheren Laden durch flexible Öffnungszeiten, Unterstützung der regionalen Wertschöpfung, einen Beitrag zum Klimaschutz durch kurze Trans­portwege und „Reanimation“ von Dörfern und Aufwertung des ländlichen Raumes zur Vermeidung von Abwanderung.

Dorfläden werden in der Regel als Verkaufsstelle ohne Personal geführt und basieren auf Selbstbedienung, jedoch mit einem modernen Kassensystem, das es den Kunden erlaubt, alle Produkte an einer Computerkassa in bar oder bargeldlos und kontaktlos mit Bankomatkarte zu bezahlen.

Aktuell sind die Existenz und Neuerrichtung von Dorfläden durch gesetzliche Missstände und Rechtsunsicherheit bedroht, wie eine Petition (37/PET) der Vorstandsmitglieder des „Vereins Dorfleben“ in Neidling vom 14. September 2020 zeigt. Der örtliche Dorfladen in Neidling stand aufgrund rechtlicher Probleme und Missstände bereits mehrmals kurz vor der Schließung.

Konkret geht es dabei um bestehende Gesetze, wie die Gewerbeordnung und das Öffnungszeitengesetz bzw. auf Grundlage des Öffnungszeitengesetzes erlassene Verordnungen durch die Landeshauptmänner, die nicht mehr zeitgemäß sind und bis dato wenig Rücksicht auf nachteilige Entwicklungen im ländlichen Raum und auf die Pandemie nehmen.

Zum Weiterbetrieb des Dorfladens in Neidling, mussten beispielsweise die Öffnungs­zeiten rigoros verkürzt und an die NÖ Öffnungszeitenverordnung angepasst werden. Dies stellt vor allem für Beschäftigte in zeitlich herausfordernden Schlüsselberufen ein Problem dar und verringert auch die Möglichkeit zur „Kontaktvermeidung“ in Corona-Zeiten. Zudem verlangt die geltende Rechtslage, dass ein Lebensmittelhandel nach Gewerbeordnung angemeldet werden muss.

Wie der „Verein Dorfleben“ fordert, braucht es umgehend gesetzliche Änderungen, um neue innovative Konzepte der Nahversorgung in den Gemeinden im ländlichen Raum zu ermöglichen. Es muss für einen gemeinnützigen Verein möglich werden, solche Selbstbedienungsstellen ohne großen bürokratischen Aufwand zu betreiben, wo nicht nur regionale bäuerliche Direktvermarkter, sondern auch 25 Prozent regionale Gewerbe­treibende der Lebensmittelgrundversorgung rechtlichen Raum finden und ihre Waren anbieten können.

Der Österreichische Gemeindebund führt in seiner Stellungnahme (111/SPET vom 18.11.2020) zur Petition aus, dass „weder die Gewerbeordnung an sich, noch die darin enthaltenen Vorschriften in Frage gestellt werden. Es drängt vielmehr, die bestehenden Regelungen ihrem eigentlichen Zweck entsprechend zu adaptieren und an die realen wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Starre Regulative müssen an die Lebens­realität angepasst und ‚konkurrenzlose Dorfläden‘ aus dem strengen Regime der GewO ausgenommen werden, um einige so dringend benötigte Impulse für den ländlichen Raum zu setzen.“

Die Stärkung der Möglichkeit der Direktvermarktung ist auch eine Maßnahme der gegen­ständlichen Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen geän­dert wird.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachste­hen­den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, mit welcher sichergestellt wird, dass im Sinne der Verbesserung der Nahver­sorgung Direktvermarkter (Dorfläden, Selbstbedienungsläden) bei Erfüllung bestimmter Kriterien nicht in den Anwendungsbereich der Gewerbeordnung fallen. Kriterien dafür könnten die Gemeinnützigkeit, eine eingeschränkte Produktpalette oder eine inadäquate Lebensmittelversorgung vor Ort sein.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Voglauer. – Bitte sehr.