9.34

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Außenminister, danke für die Ausführungen, vor allem aber für die klare Positionierung, die Sie für die österreichische Bundesregierung und auch für uns hier klar zum Ausdruck gebracht haben.

„Ein starkes Österreich muss die EU aktiv unterstützen, den Frieden in Europa zu erhalten.“ Wer stimmt dieser Aussage hier im Parlament nicht zu? Wohl niemand steht dazu im Widerspruch. Allerdings möchte ich schon anmerken, dass in den letzten Wochen natürlich vieles an der EU vorbeigelaufen ist. Außenminister Schallenberg hat es an­gesprochen: Es hat Verhandlungen zwischen den USA und Russland gegeben, es hat Verhandlungen im Nato-Russland-Rat gegeben, und – für Österreich und für Wien wichtig – auch die OSZE, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, ist in direkten Verhandlungen mit Russland gewesen.

Die Europäische Union hat nicht direkt verhandelt, das muss man schon sehen, dabei ist aber gerade die Europäische Union berufen, die Souveränität der Ukraine einzu­fordern. 44 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer sollten es in ihrer eigenen Hand haben, wie sie ihre Zukunft in ihrem Land sehen und wie sie ihr Land in Zukunft sicherheits­politisch ausgestalten wollen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Reimon.)

Mehr als 14 000 Menschen – es ist schon angesprochen worden – sind nach UN-Schät­zungen in den letzten Jahren in den Auseinandersetzungen zwischen den ukrai­nischen Regierungstruppen und den von Russland unterstützten Separatisten in der Ukraine im Donbass getötet worden. Jetzt geht es aber darum, einen großen Krieg zu verhindern, der auf dem Boden der Ukraine stattfinden könnte, und da hat sich die Europäische Union meines Erachtens stärker zu engagieren.

Bisher sind es Frankreich und Deutschland im sogenannten Normandieformat, die mit Nachdruck für eine Lösung dieses Konfliktes eintreten. „Unser gemeinsames Ziel ist die normale Arbeit des Normandie-Formats und ein neues Treffen im Normandie-Format“, das hat die neue deutsche Außenministerin Annalena Baerbock vor wenigen Tagen in Moskau und zuvor in Kiew klar zum Ausdruck gebracht. Ich sehe es auch als einen Schritt in diese Richtung, wenn unser Außenminister jetzt dann mit den tschechischen und slowakischen Kollegen unterwegs ist, um auf diesen Dialog zu drängen, denn Krieg kann da nie die Antwort sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nach Einschätzungen von ukrainischen und westlichen Experten ist die Gefahr aber sehr groß. Präsident Putin hat 100 000 Soldaten an der ukrainischen Grenze zusammen­ge­zogen, laut „New York Times“ und US-Geheimdienstinformationen ist er imstande, dort innerhalb kürzester Zeit 175 000 Soldaten aufmarschieren zu lassen; es gibt auch Trup­pen­übungen in Belarus. Auf der anderen Seite steht die Ukraine mit einer gesamten Truppenstärke von 200 000 Mann. Nach den Gesprächen, die in Genf, in Brüssel und auch hier in Wien geführt worden sind, ist leider die Kriegsgefahr nicht geringer gewor­den, sondern größer.

Trotz unserer geografischen Nähe, die vom Außenminister schon angesprochen worden ist, tun wir uns schwer, weil natürlich unsere Grundeinstellung, unser Politikverständnis ein anderes ist als das von Putin. Putin arbeitet mit Einschüchterung, Putin arbeitet mit militärischer Macht, und obwohl die Europäische Union wirtschaftlich eine Weltmacht und für Russland ein wichtiger Handelspartner ist, sind wir natürlich militärisch nicht das Gegenüber, das Putin tatsächlich zum Nachdenken und zum Überdenken seiner Po­sition bringen kann. Diese Krise muss auch ein Weckruf für die EU sein, um die „Sprache der Macht“ zu lernen, wie es EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen formu­liert hat. Denn es führt kein Weg daran vorbei, dass die EU ihre Verantwortung für die Sicherheit in unserer Nachbarschaft wahrnimmt. Und diesen Weg muss Österreich unterstützen.

Was aber Österreich auch machen kann – und das tut das Parlament, dafür darf ich dem Präsidenten auch herzlich danken –, dass wir konkret helfen. In diesen Tagen sind wieder zehn russische und zehn ukrainische Kinder hier, um sich zu erholen. – Eine humanitäre Geste, ein wichtiges Signal, das wir hier auch als Österreich gerade an die Kinder in diesem krisengeschüttelten Land ausschicken. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Meine Damen und Herren, ich komme schon zum Schluss. Neben der EU ist gerade auch die OSZE gefordert. In der OSZE sind die USA, Russland, die Ukraine und alle EU-Staaten vertreten, und sie ist geschaffen worden, um Sicherheit in Europa zu bringen. Und die OSZE hat dazu das Know-how. Ich hoffe sehr, da es um die Sicherheit Europas geht, dass die OSZE Russland und die Ukraine doch noch an den Verhandlungstisch bringen kann. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

9.41

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Leichtfried. – Bitte.