9.46

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Der Titel dieser Aktuellen Stunde lautet: „Ein starkes Österreich muss die EU aktiv unterstützen, den Frieden in Europa zu erhalten.“ – Da stellt sich natürlich die Frage: Welche Rolle, welche Möglichkeiten hat die Europäische Union, überhaupt an der aktiven Gestaltung des Friedens in Europa mitzuarbeiten? Oder: Wie ernst wird die Europäische Union in diesem Zusammenhang von den Russen, von den Amerikanern, von der Nato, von wem auch immer genommen?

Die traurige Gewissheit ist, die Europäische Union wird, um es gelinde zu formulieren, nicht besonders ernst genommen. Auch wenn der Hohe Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik – Außenminister darf man ja nicht sagen, weil die entsprechende Verfassung, wie wir ja wissen, von den Franzosen und Holländern im Jahr 2005 per Volksentscheid abgelehnt wurde – Josep Borrell das bedauert und sagt, wir dürfen da keine Zuseher sein, keine unbeteiligten Zuschauer, und das sogar mit Jalta 2.0 vergleicht – was ich für etwas überschießend halte –, dann hat er durchaus recht, aber mit Josep Borrell wird jetzt niemand reden, jedenfalls nicht die Russen.

Die Russen haben ja weitreichende Vorschläge, Vertragsvorschläge, gemacht, zum einen an die USA und zum anderen an die Nato gerichtet – das sind die Organisationen beziehungsweise Länder, mit denen die Russen offenbar reden wollen –, zur gütlichen Lösung dieses Problems, und zwar schon vor Weihnachten. Da geht aber überhaupt nichts weiter.

Warum wird die Europäische Union in diesem Zusammenhang nicht ernst genommen? – Na ja, wenn Sie, Herr Außenminister, und auch Ihr Vorgänger, Außenminister Linhart – und ich gehe einmal sehr stark davon aus, dass Sie auch ähnliche Prinzipien haben –, unter anderem als eines der drei wichtigsten Dinge das vollkommene Bekenntnis zum transatlantischen Bündnis als Grundlage Ihrer Außenpolitik postulieren, dann darf man sich nicht wundern, denn wenn man das ein bisschen weniger freundlich formuliert oder direkter formuliert, dann heißt das im Prinzip – und das findet ja statt –, wir machen dem Grunde nach das, was die Vereinigten Staaten von Amerika wollen, und sind braver Partner – um es wieder freundlich zu formulieren – der Vereinigten Staaten von Amerika. Das heißt, die EU nimmt sich mit einer derartig einseitigen Politik selbst jegliche Handlungsmöglichkeiten, ein eigenes Profil zu entwickeln.

Wie soll das funktionieren? – Wir wissen doch, dass sich momentan geopolitisch sehr, sehr viel tut. Wir sind meines Erachtens an der Schwelle dieser monokratischen, impe­rialen Struktur der Vereinigten Staaten von Amerika, die sozusagen die Welt beherrscht. Es kommen starke Player, insbesondere China, aber auch Russland, wieder in eine Konsolidierungsphase, sie erscheinen sozusagen geopolitisch als Player. Wo ist da die EU? – Wenn ich jetzt die Losung ausgebe: Wir sind dem transatlantischen Bündnis bedingungslos treu!, dann gibt es keine Möglichkeit für ein Profil der EU.

Wir haben selbstverständlich auch das Problem – ohne Anführungszeichen –, dass wir eine Parallelstruktur haben, nämlich die Nato, und da geht es dann ums Eingemachte. Selbstverständlich spielt die Nato-Mitgliedschaft eine Rolle, in vielen Fällen besteht auch parallel eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Im konkreten Fall der Ukraine wird mit der Nato gesprochen und nicht mit der Europäischen Union. Das ist relativ einfach. Österreich hat eine gute Chance – weil wir ja nicht Mitglied der Nato sind, sondern neutral –, da in der guten alten Tradition als Brückenbauer zu fungieren und ausgleichend zu wirken.

Mir ist das Ganze zu schwarz-weiß, zu sehr Gut und Böse: USA gut, Russland böse. So ist es nicht! Die Welt ist nicht schwarz-weiß, sondern es gibt verschiedenste Grautöne, und man muss – und da bin ich noch lang kein Putin-Freund – auch die Sorgen und Bedenken der Russen ernst nehmen, zumindest zur Kenntnis nehmen, und darf die nicht einfach so vom Tisch wischen. Es hat natürlich eine massive Ausweitung der Nato Richtung Osten gegeben und es gibt Sicherheitsbedürfnisse der Russen. Das muss man doch zur Kenntnis nehmen. Stellen Sie sich vor, was die Amerikaner machen würden, würde Kuba, Venezuela oder Mexiko sagen, Mitglied einer russischen Militärge­mein­schaft zu sein! Da würden die Amerikaner – zu Recht – auch sagen: Das ist mit unserem Sicherheitsbedürfnis, mit unserer nationalen Sicherheit nicht notwendigerweise verein­bar, da läuten bei uns die Alarmglocken! – Das muss man meines Erachtens auch den Russen zugestehen.

Man darf das jetzt auf keinen Fall eskalieren lassen. Kollege Leichtfried hat eh schon gesagt, dass diese Truppenkonzentrationen natürlich eskalierend wirken, aber selbst­ver­ständlich sind auch Waffenlieferungen und Truppenbereitstellungen, etwa jene der Briten, auch nicht deeskalierend.

Ich komme zum Schlusssatz und bin da beim Kollegen Lopatka: Welches Format ist geeignet? – Minsk II ist offensichtlich nicht geeignet. Ich sehe, bilaterale Verhandlungen sind auch nicht geeignet, Jalta 2.0 auch nicht. Ich sehe eine große Chance im Rahmen der OSZE, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und deeskalierende Lösungen zu erarbeiten. Die Europäische Union spielt für mich in diesem Prozess in Wahrheit keine Rolle. (Beifall bei der FPÖ.)

9.52

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Reimon. – Bitte.