18.32

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Tourismus ist jene Wirtschaftsform mit der breitesten Wohlstandsverteilung über Dörfer, Täler und Städte unseres Landes, das wusste schon ein Tourismusberater aus Tirol. Tourismus ist Einsatz und Leistung rund um die Uhr für einheimische und aus­ländische Gäste oder, wie es Wolfgang Schüssel einmal formulierte, ein harter Einsatz mit einem Lächeln auf dem Gesicht.

Jetzt gerade wird in den Betrieben das Abendessen serviert. Damit fällt der Höhepunkt der anfallenden Arbeit mit dem Freizeitvergnügen derer zusammen, die dort einen schö­nen Abend genießen wollen. Genau da liegt die Problematik der Arbeitsmärkte im Dienst­leistungssektor und vor allem im Tourismus: Es fehlen 37 000 Arbeitskräfte im Touris­mus, und das bei einer Arbeitslosigkeit von fast 300 000 Personen und insgesamt 277 000 offenen Stellen.

Bei einem leer gefegten Arbeitsmarkt und 30 000 Mitarbeitern, die in den letzten zwei Covid-Jahren aus dem Tourismus in andere Betriebe und Branchen abgewandert sind – einige der Betriebe hatten über zehn Monate geschlossen –, ist die Not am Arbeitsmarkt, ist die Not im Tourismus groß – so groß, dass UnternehmerInnen bei den Bezirksstellen weinend nach Hilfe rufen, Betriebe teilweise geschlossen sind, Teile der Betriebe nicht aufgemacht werden können, Gäste inzwischen nicht mehr nach der Kapazität der Hotels eingebucht werden, sondern nach der Leistungsfähigkeit der noch verbleibenden Mitar­beiter rationiert werden. Existenzen sind gefährdet, der Wirtschaft kommen Erträge und dem Staat Steuern abhanden.

Dankenswerterweise konnten wir die ärgste Not mit der Erhöhung des Saisonnierkon­tingents lindern. Ich bedanke mich ausdrücklich beim Koalitionspartner, mit dem es ein hartes Ringen gab – bei Klubobfrau Sigi Maurer, bei der Tourismussprecherin –, natür­lich auch bei unserem Klubobmann und bei allen, die sich dafür eingesetzt haben. Diese 1 000 Saisonniers, um die wir das Kontingent erhöhen konnten, lindern die ärgste Not. Aber: Wir brauchen auch die Erweiterung der Mangelberufsliste um Kellner und Gast­stättenfachleute. Auch die Regelung für die Stammsaisonniers bringt Erleichterung. Die dauerhafte Einbindung in die Rot-Weiß-Rot-Karte ist ebenso hilfreich, auch dafür herzli­chen Dank! Das wird helfen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die novellierte Rot-Weiß-Rot Karte wird das Hereinholen von Arbeitskräften aus Drittlän­dern erleichtern. Wir brauchen aber auch einen besseren Übergang vom Arbeits- in das Pensionsleben. Genug Menschen würden weiterarbeiten, wenn es sich finanziell für sie lohnt. Ich denke, gerade in dieser Situation ist das dringend notwendig.

Und: Das AMS hätte bei der Vermittlung die Verpflichtung, wenn es keinen einheimi­schen Mitarbeiter hat, einen aus dem europäischen Arbeitsmarkt zu vermitteln. Diese Aufgabe wird nicht oder nur ungenügend erledigt, zumindest in Tirol ist das überhaupt nicht spürbar. Das muss abgestellt werden; es muss entweder sofort aktiviert werden oder man findet da zusätzliche Lösungen. Wir brauchen auf diesem Sektor, gerade was die europäischen Arbeitsmärkte betrifft, eine Hilfe, wie wir sie damals in den 1990er-Jah­ren hatten, als wir mit den regionalen Arbeitsämtern in Ostdeutschland – in Dresden, in Gotha – vor Ort Mitarbeiter gehoben haben.

1,7 Milliarden Euro an frischem Geld – haben wir heute beschlossen – stellen der Bund und die Länder bis 2027 für Kinderbetreuung zur Verfügung. Jetzt ist es Aufgabe der Bürgermeister vor Ort, eine saisongerechte Kinderbetreuung, eine praxisgerechte Kin­derbetreuung auch für diese Mitarbeiter, die Damen und Herren, die bei uns Vollzeit arbeiten wollen, zu gestalten.

Der Tourismusbericht 2021 bildet einen Teil jener zwei Jahre ab, die hinter uns liegen – zweier brutaler Jahre für die Betriebe und Mitarbeiter, in denen Familien Monate hin­durch nicht wussten, wie es weitergeht; einige Betriebe waren über Monate gesperrt. Der Abend des 12. März 2020 wird mir ein Leben lang in Erinnerung bleiben. Es war der Abend, an dem der Tiroler Landeshauptmann das Ende der Wintersaison mit Sonntag, dem 15. März, verkündete. Nur zur Klarstellung: Nach damaligem Wissen wussten wir, dass es in Ischgl einige Fälle gibt und in Sankt Anton zwei. Alle anderen Skigebiete in Tirol waren voll, die Schneelage war perfekt, das Wetter war schön – und trotzdem hat man das Land geschlossen. Das war eine der mutigsten Entscheidungen, die ein Tiroler Landeshauptmann überhaupt seit dem Krieg getroffen hat.

Der verlorene Winter 2020/2021 kostete Österreichs Tourismus über 10 Milliarden Euro. Die Hälfte davon entfiel auf das Bundesland Tirol; dort war es mehr als ein Jahresbudget. Mit knapp 80 Millionen Nächtigungen sank das Niveau des österreichischen Tourismus dramatisch auf das Ergebnis des Jahres 1970. Eine über 50 Jahre stattgefundene Ent­wicklung im Tourismus wurde durch Corona und seine Auswirkungen in diesem Jahr vernichtet. Insbesondere der Anteil der Auslandstouristen sank stark. Auch der Zuwachs an österreichischen Gästen konnte die Halbierung des Tourismusanteils am BIP auf 4,1 Pro­zent nicht verhindern.

Gerade in dieser Zeit hat diese Regierung, unterstützt von den Ländern und auch von den Wirtschaftsvertretern und Sozialpartnern, mit 528 verschiedenen, möglichst maßge­schneiderten Hilfsmaßnahmen Sicherheit, Hoffnung und Optimismus verbreitet. 44,5 Mil­liarden Euro an Hilfen wurden bis Ende Mai genehmigt. Das sind elf Jahresbudgets des Landes Tirol – und für die Wiener: drei Jahresbudgets der Bundeshauptstadt Wien –, also unglaubliche Summen, die da aufgebracht wurden. Ich verstehe die Kritik oft nicht, wenn man sieht, was da an Hilfe geleistet wurde. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Kurzarbeitsregelung wurde sicher mehrmals novelliert, aber nicht, weil wir einen Pfusch gebaut haben, sondern weil wir dadurch eine zielgenaue und treffgenaue Lösung erreichen konnten. Wir haben mit dieser Kurzarbeitsregelung den Mitarbeitern enorm geholfen – nicht den Betrieben, sondern den Mitarbeitern.

Auch das Testangebot Sichere Gastfreundschaft um 240 Millionen Euro gab Gästen und Mitarbeitern Sicherheit und entsprach der Sorgfaltspflicht auch im Sinne der Unterneh­merhaftung.

95 Prozent der Urlauber – 9,5 von 10 – empfehlen Urlaub in Österreich weiter. Das ist Qualität, das ist ein Kompliment für rot-weiß-rote Qualität, die man global suchen muss, und diese gilt es zu halten. Dafür wurden auch die Mittel der Österreich-Werbung aufge­stockt und so weiter.

Helfen Sie dem Tourismus und der Wirtschaft im Allgemeinen durch flexiblere Regelun­gen bei einem leer gefegten Arbeitsmarkt! Den Rest machen unsere Unternehmer.

Liebe Frau Staatssekretärin, Ihnen gratuliere ich zum gelungenen Start. Sie sind eine Expertin, unser Vertrauen in Sie ist voll gerechtfertigt! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.39

Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Melanie Erasim, Sie gelangen nun zu Wort. – Bitte.