1491/AB-BR BR
Die Bundesräte Dr. BÖSCH und Kollegen haben am 6. Mai 1999 unter der Nummer 1611/J -
BR/99 an mich die schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend "Mißbrauch der
Versammlungsfreiheit" gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1:
Bei den "Rechten und Freiheiten anderer" im Sinne von Artikel 11 Absatz 2 der Europäischen
Menschenrechtskonvention handelt es sich um relativ weite, in ihrer Richtung zwar deutliche,
aber doch erst im Einzelfall zu konkretisierende Begriffe.
Zu Frage 2:
Die Zulässigkeit bzw. Untersagung von Versammlungen orientiert sich an den gesetzlichen
Schranken der Versammlungsfreiheit.
Zu Frage 3:
Das Versammlungsgesetz ermächtigt an Orten, die zum Wirkungsbereich einer
Bundespolizeibehörde gehören, diese Behörde, am Sitze des Landeshauptmannes, wenn sich
dort keine Bundespolizeibehörde befindet, die Sicherheitsdirektion (dies gilt derzeit für
Bregenz), an allen anderen Orten die Bezirksverwaltungsbehörde zur Untersagung von
Versammlungen. Bei dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ist jedoch
auch jede andere Behörde, die für deren Aufrechterhaltung zu sorgen hat, berechtigt, eine
Versammlung, die gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltet oder abgehalten wird,
zu untersagen oder aufzulösen, wovon die zuständige Behörde (siehe oben) immer sogleich zu
verständigen ist.
Zu Frage 4:
Das hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab.
Zu Frage 5:
Die Beurteilung, ob ein Verhalten den Tatbestand der Verhetzung gemäß § 283 StGB erfüllt,
obliegt den Justizbehörden. Bin diesbezüglicher Verdacht hat sich nach den mir vorliegenden
Berichten der Sicherheitsbehörden nicht ergeben.
Zu Frage 6:
Nach den mir vorliegenden Berichten kam es nur vereinzelt zum Werfen von Leucht und
Knallkörpem und wurde in den darin gelegenen Verstößen gegen das Pyrotechnikgesetz allein
kein hinreichender Grund für eine Versammlungsauflösung erblickt. Ich teile diesen
Standpunkt.
Zu den Fragen 7 bis 9:
Wie mir berichtet wird, erfolgt eine Überprüfung im Hinblick auf § 8 Versammlungsgesetz,
soweit die Umstände dies in Bezug auf die handelnden Personen nahelegen. Die Überprüfung
erfolgt in der Regel durch Einsichtnahme in geeignete Urkunden. Anlässlich von Gesprächen
mit Veranstaltern (Anzeigern) von Versammlungen wird regelmäßig darauf hingewiesen, dass
sich § 8 Versammlungsgesetz auch auf Ordner und Leiter von Versammlungen erstreckt. Dass
im Einzelfall ein Ausländer als Ordner oder Leiter auftritt, kann nicht ausgeschlossen werden.
Dass Versammlungen im Grunde des § 8 Versammlungsgesetz untersagt bzw.
Versammlungsanzeigen deshalb zurückgewiesen worden wären, wurde mir nicht berichtet.
Hinzufügen möchte ich, dass fraglich ist, ob ein Verstoß gegen § 8 Versammlungsgesetz für
sich allein einen hinreichenden Grund für die Untersagung einer Versammlung darstellt und
ob die genannte Bestimmung mit Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention in
Einklang steht. Beim Verfassungsgerichtshof ist derzeit ein Verfahren anhängig, in dem diese
Frage eine Rolle spielt.
HTML-Dokument erstellt: Jul 1 13:02