1549/AB-BR BR
zur Zahl 1671/J-BR/1999
Die Bundesräte Ferdinand Gstöttner und Genossen haben an mich eine schriftliche
Anfrage, betreffend "Umsetzung des 1. Bundesrechtsbereinigungsgesetzes", ge -
richtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:

Schon aus dem Umstand, dass das ABGB in den Anhang zum 1. Bundesrechtsbe -
reinigungsgesetz, BGBl. I Nr.191/1999, aufgenommen worden ist, kann nicht zwei -
felhaft sein, dass das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch für das gesamte Gebiet
der Republik weiterhin in Geltung bleiben soll. Von manchen (siehe etwa Spunda in
ecolex 1999, 670) wird jedoch darauf hingewiesen, dass im Anhang zum 1.BRBG
als Entstehungsquelle des ABGB lediglich das Kundmachungspatent JGS Nr.
946/1811 angeführt ist, nicht hingegen das Kundmachungspatent JGS Nr.
1127/1815 und die Kundmachung der oberennsischen Regierung vom 28.5.1817,
du rch die der Geltungsbereich des ABGB auf Tirol und Vorarlberg bzw. auf Salzburg
und den Innkreis ausgedehnt wurde (diese Gebiete standen 1811 noch unter bayeri -
scher Herrschaft und unterlagen sohin damals nicht der österreichischen Jurisdikti -
on). Nun könnte (entgegen Spunda) sehr wohl argumentiert werden, dass diese
kundmachungspatente als Novellen im Sinn des § 3 Abs. 11 .BRBG anzusehen und
deshalb mit der Anführung der Stammnorm im Anhang gleichfalls aufrechterhalten
sind. Jedenfalls aber ist zu beachten, dass - wie Pisko/Klang in Klang, Kommentar
zum ABGB 1/1, 29 dartun - der örtliche Anwendungsbereich des ABGB ohnedies
nicht auf den Kundmachungspatenten der Jahre 1811, 1815 und 1817 beruht, son -
dern vielmehr auf einem gesetzgeberischen Akt im Jahre 1918. Kraft der allgemei -
nen Rezeptionsklausel des § 16 des Verfassungsbeschlusses vom 30.10.1918,
StGBl. Nr. 1, ist nämlich das ABGB in der Gestalt, in der es damals gegolten hat, zu -
gleich mit der Gründung des neuen Staates für diesen (und zwar für das gesamte
damalige Staatsgebiet) neu in Geltung gesetzt worden. Von einer Aufhebung des
ABGB für die angeführten Gebietsteile kann daher auch aus diesem Grund keine
Rede sein.
Zu 2:
Das Justiz - Hofdekret vom 31.1.1844 (JGS 781/1844) steht auf Grund des
1. Bundesrechtsbereinigungsgesetzes seit 1. Jänner 2000 nicht mehr in Geltung.
Dieses Hofdekret lautete: "Der Notherbe hat nach dem § 784 des allgemeinen bür -
gerlichen Gesetzbuches keinen Anspruch auf verhältnißmäßige Antheile an den ein -
zelnen, zur Verlassenschaft gehörigen beweglichen und unbeweglichen Sachen,
sondern nur auf den nach gerichtlicher Schätzung berechneten
Werth seines Erbt -
heiles."
Durch den Wegfall dieser Bestimmung resultiert keineswegs eine Änderung der
Rechtsnatur des Pflichtteilsanspruchs. Vielmehr handelte es sich bei dem kaiserli -
chen Dekret um eine authentische Interpretation des § 784 ABGB, dessen Text
auch ohne Heranziehung einer zusätzlichen "Auslegungshilfe" klar zum Ausdruck
bringt, dass der Pflichtteilsanspruch des Noterben nicht in einem Anspruch auf an -
teilige Sachwerte aus der Verlassenschaft, sondern jedenfalls in einem Geldan -
spruch besteht. So wird in § 784 ABGB die "Art der Ausmessung" und die "Berech -
nung" des Pflichtteils geregelt und eine "Schätzung" der Verlassenschaftsstücke an -
geordnet. Diese Anordnungen ergeben aber nur für den Fall Sinn, dass es sich beim
Pflichtteilsanspruch eben um einen Geldanspruch handelt, und nicht um eine bloße
Erbquote, deren Ausmaß sich bereits aus den §§ 765, 766 ABGB in Verbindung mit
den Bestimmungen über den gesetzlichen Erbteil (ohne Ausmessung, Berechnung
oder Schätzung) ergeben würde. Die Rechtsnatur des Pflichtteilsanspruchs als
Geldanspruch ist allein aus § 784 ABGB abzuleiten, sodass es daher einer weiter -
gehenden Erläuterung durch das Justiz - Hofdekret vom 31.1.1844 nicht bedarf. Es
kann daher kein Zweifel bestehen, dass der Pflichtteilsanspruch wie bisher auch
künftig ein Geldanspruch ist.
Zu 3:

Neben dem von Pkt. 2. dieser Anfrage erfassten Justiz - Hofdekret wurden durch das
1. Bundesrechtsbereinigungsgesetz noch weitere Hofdekrete auf dem Gebiet des
Erbrechts außer Kraft gesetzt. Zu nennen ist hier beispielsweise das Hofdekret vom
25.6.1817 (JGS 1340/1817), wonach ein Erbvertrag in Ergänzung zu § 1249ABGB
nicht nur zwischen Ehegatten, sondern auch zwischen Brautleuten (unter der auf -
schiebenden Bedingung der nachfolgenden Heirat) geschlossen werden kann, und
das Hofdekret vom 27.3.1847 (JGS 1051/1847), wonach der gemäß § 786 ABGB
am Gewinn oder Verlust beteiligte Noterbe für den Zeitraum zwischen Tod des Erb -
lassers und wirklicher Zuteilung des Pflichtteils berechtigt ist, Rechnungslegung zu
fordern.
Nach Auffassung des Bundesministeriums für Justiz ergibt sich auch die in diesen
Hofdekreten lediglich "erläuterte" Rechtslage bereits zweifelsfrei aus einer den Inter -
pretationsgrundsätzen des § 6 ABGB verpflichteten Auslegung der angesprochenen
erbrechtlichen Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs selbst.
Generell ist zu sagen, dass der Gesetzgeber des 1. Bundesrechtsbereinigungsge -
setzes wohl nur eine - als längst erforderlich erkannte - Rechtsbereinigung und
Rechtsvereinfachung, jedoch zu keiner Zeit eine grundlegende Änderung der bis da -
hin geltenden Rechtslage nach dem ABGB anstrebte. Schon diese Zwecksetzung
des 1. BHBG erfordert im Zweifel eine Interpretation der betroffenen Gesetzesbe -
stimmungen zugunsten der bestehenden Rechtslage. Legislativen Handlungsbedarf
sehe ich in diesem Zusammenhang nicht.

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