1564/AB-BR BR
Die Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger haben an den
Bundesminister für Justiz eine schriftliche Anfrage betreffend "Gebührenbefreiung
nach dem Wohnbauförderungsgesetz" gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 bis 3:

Gemäß § 53 Abs. 3 des Wohnbauförderungsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 482, sind
Eingaben, Amtshandlungen und Rechtsgeschäfte, die durch die Finanzierung von
Objekten veranlasst sind, die im Rahmen einer auf Grund landesgesetzlicher Vor -
schriften vorgenommenen Wohnbauförderungsmaßnahme gefördert werden, von
den Gerichtsgebühren befreit. Bei Wohnungen ist zur Inanspruchnahme der Gebüh -
renbefreiung überdies Voraussetzung, dass die Nutzfläche 150 m2 nicht übersteigt.
Gemäß § 53 Abs. 4 WFG 1984 gilt die Gebührenbefreiung nach Abs. 3 ferner für
das Bausparkassendarlehen, das eine Bausparkasse einem Bausparer zur Errich -
tung einer zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Bausparers oder
seines Ehegatten, Lebensgefährten sowie seiner Verwandten in gerader Linie ein -
schließlich der Wahlkinder bestimmten Wohnung in normaler Ausstattung gewährt.
Bei dieser Gebührenbefreiung handelt es sich um eine ausnahmsweise Begünsti -
gung, die vom Gesetzgeber aus gerechtfertigten Gründen an gewisse Voraussetzun -
gen geknüpft wurde. Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, kommt die Be -
günstigung nicht zum Tragen, sodass wie in jedem anderen Fall auch beispielsweise
Eintragungsgebühren für die Einverleibung von Pfandrechten im Grundbuch zu be -
zahlen sind.
Wie erwähnt ist eine dieser Voraussetzungen für die genannte Gebührenbefreiung,
dass die Nutzfläche der geförderten Wohnung 150 m2 nicht übersteigen darf. Unter
"Wohnung" im Sinn dieser Bestimmung sind nach der Judikatur des Verwaltungsge -
richtshofs auch Wohnungen in Gebäuden zu verstehen, die nur eine Wohnung auf -
weisen, also Einfamilienhäuser (Eigenheime) sind (VwGH 27.2.1995, 94/16/0119;
u.a.; Nachweise in Tschugguel/Pötscher, Gerichtsgebühren6 251 E 5 zu § 53 WFG
1984). Für den Begriff der Nutzfläche enthielt das Wohnbauförderungsgesetz 1984
eine Definition in § 2 Z 7; die dort gegebene Umschreibung lautete:

"7. als Nutzfläche die gesamte Bodenfläche einer Wohnung oder eines Ge -
schäftsraumes abzüglich der Wandstärken und der im Verlauf der Wände
befindlichen Durchbrechungen (Ausnehmungen); Keller - und Dachboden -
räume, soweit sie ihrer Ausstattung nach nicht für Wohn - oder Geschäfts -
zwecke geeignet sind, Treppen, offene Balkone, Terrassen sowie für land -
wirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke spezifisch ausgestattete Räume
innerhalb einer Wohnung sind bei der Berechnung der Nutzfläche nicht zu
berücksichtigen;"

Diese Begriffsbestimmung war im Wesentlichen - wenn man einmal von der zusätzli -
chen Ausnahme der für landwirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke ausgestatteten
Räume aus dem Nutzflächenbegriff absieht - mit der Nutzflächendefinition des § 17
Abs. 2 des Mietrechtsgesetzes identisch.
Zu den Fragen, was unter der Nutzfläche im Sinn dieser Begriffsbestimmung des
Wohnbauförderungsgesetzes 1984 (aber auch im - gleichgelagerten - Sinn des
Grunderwerbsteuergesetzes sowie des Mietrechtsgesetzes) zu verstehen ist und
welche Räumlichkeiten unter welchen Voraussetzungen zur Nutzfläche zu zählen
sind, liegt eine reichhaltige Judikatur sowohl des Verwaltungsgerichtshofs als auch
des Obersten Gerichtshofs und der Landesgerichte vor. Bei der Vollziehung des Ge -
richtsgebührenrechts und insbesondere bei der Anwendung der Befreiungsregelun -
gen des § 53 Abs. 3 und 4 WFG 1984 und des § 42 Abs. 3 Wohnhaussanierungsge -
setz orientiert sich die Justiz an dieser Rechtsprechung.
Seit der Verländerung der Wohnbauförderung haben sich einzelne Bundesländer in
Wahrnehmung ihrer Gesetzgebungs - und Vollziehungskompetenz für diese Materie
von diesem ursprünglich einheitlichen Nutzflächenbegriff und zum Teil auch von der
Maßgeblichkeit einer Höchstnutzfläche von 150 m2 entfernt, sodass sich in einzelnen
Ländern die Voraussetzungen für die Gewährung von Wohnbauförderung nach Lan -
desrecht von jenen für die Gewährung der Gebührenbefreiung nach § 53 Abs. 3 und
4 WFG 1984 und nach § 42 Abs. 3 WSG - zum Teil nicht unmaßgeblich - unter -
scheiden. Dies gilt freilich in besonderem Maße für das Vorarlberger Wohnbauförde -
rungsgesetz (LGBl. Nr. 31/1989), das seit einer am 1. Mai 1996 in Kraft getretenen
Novelle (LBGl. Nr. 49/1996) keine Nutzflächenobergrenze für förderbare Wohnungen
mehr vorsieht. Hinzu kommt, dass die Vorarlberger Neubauförderungsrichtlinien
1997 für die Frage der Einbeziehung etwa von Kellerräumen in die Nutzfläche be -
sondere Regelungen vorsehen.
Diese Divergenzen zwischen dem Förderungsrecht der Länder einerseits und den
nach Gesetz und Judikatur geforderten Voraussetzungen für die fraglichen Gebüh -
renbefreiungen andererseits führen dazu, dass bei der Beurteilung dieser Vorausset -
zungen nicht ohne weiteres auf die Förderungszusagen der Länder abgestellt wer -
den kann, sondern insbesondere die Frage der Einhaltung der Nutzflächenobergren -
ze von 150 m2 von den Gerichten und Justizverwaltungsbehörden eigenständig zu
prüfen ist. Wie schon erwähnt, wurde diese Situation aber durch Änderungen im Be -
reich einzelner Länder herbeigeführt, die sich von ursprünglich identischen Voraus -
setzungen für Wohnbauförderungsgewährung im Lauf der Zeit in Gesetzgebung und
Vollziehung entfernt und dadurch die nun in der Anfragebegründung beklagte Kluft
hervorgerufen haben.
Dass diese Divergenzen im Einzelfall auch für die Förderungswerber von Nachteil
sein können, ist zumindest für den Fall nicht zu bezweifeln, dass die Förderungswer -
ber nicht ausreichend über die jeweiligen Begünstigungsvoraussetzungen und deren
Auseinanderklaffen informiert werden.
Die Lösung dieser Problematik kann aber nicht darin gefunden werden, dass sich die
bundesgesetzlichen Regelungen über die Befreiung von den Gerichtsgebühren ein -
fach an den Wohnbauförderungsvorschriften des jeweiligen Bundeslandes orientie -
ren und an diese anlehnen. Zum einen geriete dies zumindest sehr in die Nähe einer
dynamischen Verweisung auf Länderrecht und damit einer verfassungswidrigen De -
legation der Normsetzungsbefugnis an eine andere Rechtssetzungsautorität. Zum
anderen - und dies ist der entscheidende Aspekt - kann eine solche Lösung auch
aus budgetären Gründen nicht akzeptiert werden. Dazu sei ausgeführt, dass die Ge -
richtsgebühren für grundbücherliche Eintragungen innerhalb des gesamten Gebüh -
renaufkommens der Justiz eine quantitativ sehr wesentliche Rolle spielen, sodass
sich Änderungen in diesem Bereich durchaus signifikant auf die gesamte Einnah -
mensituation des Bundesministeriums für Justiz auswirken. Ich bin daher nicht im
Stande, hinsichtlich dieser Gebührenansprüche strukturelle Konzessionen an die
verständlichen Interessen der Bürger nach möglichst weitgehender Ausgabenver -
meidung zu machen. Hinzu kommt, dass bei einer Anknüpfung des Gebührenbefrei -
ungstatbestandes an das Wohnbauförderungsrecht des jeweiligen Landes die
Reichweite der Gebührenbefreiung und damit das quantitative Ausmaß des Gebüh -
renentfalls für das Bundesministerium für Justiz nicht mehr verlässlich abschätzbar
und vor allem auch nicht eigenständig gestaltbar wäre.
Ich ersuche um Verständnis dafür, dass aus all diesen Gründen den in der Anfrage -
begründung vorgebrachten Vorschlägen zur Änderung der Gebührenbefreiungsrege -
lungen im Wohnbauförderungs - und im Wohnhaussanierungsgesetz nicht näherge -
treten werden kann.
Freilich verkenne ich nicht, dass die derzeit in manchen Ländern bestehende Diver -
genz in den Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Wohnbauförderung
einerseits und für die Gebührenbefreiung andererseits zu Unzukömmlichkeiten und
da und dort zu Unverständnis und Verärgerung bei den betroffenen Bürgern führt.
Das Bundesministerium für Justiz hat deshalb vor allem mit Blick auf Fälle aus dem
Bundesland Vorarlberg seine dortigen Justizbehörden darum ersucht, in Kontakt mit
den Landesbehörden zu treten, um eine möglichst weitgehende Bereinigung oder
zumindest Entschärfung der Problematik herbeizuführen. Meiner Meinung nach
kommt als Lösung in Betracht, dass das jeweilige Bundesland bei der Gestaltung der
Anspruchsberechtigung auf die Regelung über die Befreiung von den Gerichtsge -
bühren, also insbesondere die dafür maßgebliche Nutzflächenobergrenze bei Woh -
nungen und Einfamilienhäusern, Bedacht nimmt. Darüber hinaus sollte auch ein
Gleichklang beim Gesetzesvollzug dergestalt hergestellt werden, dass sich die für
die Vollziehung des Landeswohnbauförderungsrechts zuständigen Organisationsein -
heiten hinsichtlich der Ermittlung der Nutzfläche an der ständigen Judikatur des Ver -
waltungsgerichtshofs, des Obersten Gerichtshofs und der Landesgerichte zum Fra -
genkreis der Nutzfläche orientieren.
Sollte eine derartige Harmonisierung in den Anspruchsvoraussetzungen nicht in Be -
tracht kommen, so sollten meiner Auffassung nach die für die Vollziehung des Lan -
deswohnbauförderungsrechts zuständigen Organisationseinheiten die Förderungs -
werber jeweils im Detail darüber aufklären, dass sich die Anspruchsvoraussetzungen
für die Gerichtsgebührenbefreiung von jenen für die Wohnbauförderungsgewährung
unterscheiden, und die Förderungswerber im Detail darüber informieren, wie das zu
errichtende Objekt zu gestalten ist, um auch in den Genuss der Gerichtsgebühren -
befreiung zu kommen. Das Bundesministerium für Justiz und die Justizbehörden in
den Ländern sind zur Mitwirkung an dieser Aufklärung gern bereit. Diese Mitwirkung
könnte etwa darin bestehen, dass ein möglichst gut verständliches Merkblatt entwor -
fen und aufgelegt wird, in dem die Befreiungsvoraussetzungen dargestellt werden
und auf allfällige Unterschiede zum jeweiligen Landeswohnbauförderungsrecht hin -
gewiesen wird. Die Tätigkeit der Landesbehörden könnte sich dann darauf be -
schränken, dieses Merkblatt an die Wohnbauförderungswerber zu verteilen.
Es wäre daher zunächst abzuklären, ob eine Tätigkeit des Justizressorts zur Aufklä -
rung der Förderungswerber über die Voraussetzungen der Gerichtsgebührenbefrei -
ung nach Wohnbauförderungs - und Wohnhaussanierungsgesetz im soeben aufge -
zeigten Sinn gewünscht wird.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass nach einer Gesetzesinitiative im Rah -
men der Budgetbegleitgesetzgebung die Voraussetzungen für die Gerichtsgebühren -
befreiung nach § 53 Abs. 3 WFG 1984 wieder auf den zum Jahresende 1987 gege -
benen Stand und damit auf den Stand der Art. 15a - B - VG - Vereinbarung zurückge -
führt und die Befreiungsbestimmung des § 53 Abs. 4 WFG 1984 aufgehoben wer -
den soll.

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