1569/AB-BR BR
Die Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger haben am 16. März
2000 unter der Nr.1697/J - BR/2000 an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage
betreffend Ausdehnung des Assoziationsabkommens zwischen der EU und der Türkei
gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1:

Die Europäische Kommission (EK) unterbreitete dem Europäischen Rat von Cardiff vom
15./16. Juni 1998 eine Mitteilung über die Durchführung der europäischen Strategie zur
Vorbereitung der Türkei auf die Mitgliedschaft. In seinen Schlussfolgerungen ersuchte der
Europäische Rat von Cardiff die EK, "diese Strategie weiter voranzutreiben und in diesem
Zusammenhang auch alle Vorschläge zu unterbreiten, die für eine wirksame Umsetzung
der Europäischen Strategie für die Türkei erforderlich sind". Die EK schlug Mitte 1999 zur
Umsetzung des Assoziationsabkommens EG - Türkei von 1963 ein Abkommen zur Libera -
lisierung der Dienstleistungen und des öffentlichen Beschaffungswesens vor. Nach um -
fangreicher Diskussion unter den EU - Mitgliedsstaaten (zu den österreichischen Anliegen
vgl. Beantwortung der Frage 3) und der Europäischen Kommission über die Formulierung
von Verhandlungsrichtlinien für die EK nahm der Rat (Allgemeine Angelegenheiten) diese
am 15. November 1999 an. Als Zeitpunkt des Verhandlungsbeginns wurde in den Ver -
handlungsrichtlinien das Frühjahr 2000 festgelegt.
Der Beschluss über die Verhandlungseröffnung betreffend die Liberalisierung des
Dienstleistungssektors und des öffentlichen Beschaffungswesens wurde am 39. Assozia -
tionsrat EG - Türkei vom 11. April 2000 angenommen. Diesbezügliche Gespräche fanden
bislang jedoch nicht statt.
Die Europäische Kommission präsentierte daraufhin in der Sitzung des Art. 133 -
Ausschusses (Stellvertreter) vom 14. April 2000 erstmalig einen Textentwurf für ein zu -
künftiges Freihandelsabkommen zwischen der EU und der Türkei. Darin sind jedoch ab -
gesehen von einer Einleitung und einer Aufzählung von Definitionen, welche den ggstdl.
Abkommensentwurf betreffen, nur Regelungen betreffend den Bereich des öffentlichen
Beschaffungswesens enthalten. Regelungen betreffend die Liberalisierung der Dienstlei -
stungen finden sich im Abkommensentwurf nicht, wurden jedoch von der Europäischen
Kommission für einen späteren, noch offen gehaltenen Zeitpunkt in Aussicht gestellt.
Die EU-Mitgliedsstaaten wurden seitens der Europäischen Kommission ersucht, schriftli -
che Kommentare zu diesem Dokument bis 26. April 2000 vorzulegen. Österreich ent -
sprach diesem Ersuchen mit einer Stellungnahme des in dieser Angelegenheit federfüh -
renden BMWA vom 18. April 2000 (siehe dazu Beantwortung der Frage 3). Da es der Eu -
ropäischen Kommission bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gelungen ist, den Ab -
kommensentwurf um den Teil betreffend die Dienstleistungen zu ergänzen, teilte der Vor -
sitz bei der Sitzung des Art. 133 - Ausschusses (Dienstleistungen) vom 10. Mai 2000 mit,
nunmehr den COREPER II mit diesem Thema befassen zu wollen. Dies ist bisher nicht
erfolgt.
Grundsätzlich ist festzuhalten, daß es sich bei dem geplanten Dienstleistungsabkommen
nicht um eine Ausdehnung des Assoziationsabkommens handelt, sondern um die Imple -
mentierung von dessen Art.13 und 14.
 
Zu Frage 2:

Vom geplanten Freihandelsabkommen EU - Türkei werden die Bereiche der Dienstleistun -
gen und des öffentlichen Beschaffungswesens erfasst sein.
 
Zu Frage 3:

Im Zentrum der Diskussion unter den EU - Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommis -
sion über die Formulierung der Verhandlungsrichtlinien zum geplanten Abkommen stand
die vor allem von Österreich und Deutschland als prioritär angesehene Frage des zeitwei -
ligen Aufenthalts von Personen, die Dienstleistungen erbringen (Fragen der Freizügigkeit
von Arbeitnehmern, der Definition von Schlüsselpersonal sowie Aufrechterhalten der na -
tionalen Gesetzgebung betreffend die Einreise, den Aufenthalt und die Arbeitsaufnahme).
In den Verhandlungsrichtlinien heißt es hierzu, die Europäische Kommission sollte bei den
Verhandlungen sicherstellen, dass keine Bestimmung des Abkommens die Vertragspar -
teien davon abhalten sollte, ihre eigenen nationalen Regelungen betreffend die Einreise,
den Aufenthalt, die Arbeitsbedingungen, die Arbeitsaufnahme natürlicher Personen sowie
die Erbringung von Dienstleistungen anzuwenden, vorausgesetzt die Vertragsparteien
machen dadurch die Vorteile, die aus diesem Abkommen erwachsen, nicht zunichte.
Österreich gab dazu folgende Protokollerklärung ab:
1. "Österreich stellt fest, dass aus diesem Dienstleistungsabkommen nicht eine Libera -
lisierung folgen soll, die sich auf die Entsendung von nicht qualifiziertem Personal
zur Erbringung von Dienstleistungen bezieht oder die Freizügigkeit von Arbeitneh -
mern mitumfasst.
2. Österreich betont, dass das Verhältnis zu GATS 2000 ein wichtiger Gesichtspunkt
für den Verlauf und Abschluss der Verhandlungen sein muss.

3. Österreich lehnt eine Ausdehnung der österreichischen GATS - Verpflichtungen im
Bereich der Dienstleistungserbringung durch natürliche Personen ab. Die österrei -
chischen Verpflichtungen im Rahmen des GATS sind auf bestimmtes hochqualifi -
ziertes Schlüsselpersonal beschränkt und sollen es auch gegenüber der Türkei blei -
ben.

4. Österreich unterstreicht, dass hinsichtlich der Einreise, des Aufenthalts und der Ar -
beitsaufnahme von physischen Personen die jeweilige innerstaatliche Gesetzgebung
gelten soll."
In der österr. Stellungnahme vom 18. April 2000 zum ersten Abkommensentwurf der EK
wurde festgehalten, dass hinsichtlich des Teils des Abkommensentwurfs, welcher das
öffentliche Beschaffungswesen behandelt, eine diesbezügliche Befassung der Ratsar -
beitsgruppe "Wirtschaftsfragen - öffentliche Aufträge" befürwortet sowie eine lückenlose
Angleichung des türkischen Rechtsbestands an den acquis communautaire, eine Klärung
der Definitionen sowie ein Zeitplan für die Angleichung allfälliger seitens der Türkei aus -
genommener Bereiche an die Gemeinschaftsregelungen für notwendig erachtet wird.
 
Zu Frage 4:

Die Einbindung der Länder in die Verhandlungen und die Willensbildung sind vom zustän -
digen Ressort bzw. die betreffenden Verhandlungen führenden Ressort gemäß Art 23d B -
VG sicherzustellen.
Im Gegenstand liegt bereits eine einheitliche Stellungnahme der Länder gemäß Art 23d
Abs. 2 B - VG vom 31. Jänner 2000 vor, die von der Verbindungsstelle der Bundesländer an
das BMwA, BMaA und BKA übermittelt wurde.

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