1775/AB-BR BR


Eingelangt am: 28.06.2002

REPUBLIK ÖSTERREICH
BUNDESMINISTER FÜR INNERES

Die Bundesräte, Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen, haben am 03. Mai 2002 unter
der Nr. 1934J-BR/2002 an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend "Nazi-
Demonstrationen in Wien" gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Zu Frage 1:

An der von der "Plattform gegen die Schändung des Andenkens Verstorbener" sowie der
"Kameradschaft Germania" ordnungsgemäß im Bereich des Erzherzog Karl Denkmales am
Heldenplatz angemeldeten Versammlung nahmen 260 Personen teil. Die Veranstaltung
wurde um 15.40 Uhr vom Veranstalter für beendet erklärt. Um 16.00 Uhr verließ ein
Demonstrationszug von ca. 100 Teilnehmern den Veranstaltungsort und zog durch das
Schweizer Tor zum Josefsplatz. Dort wurden die Teilnehmer von der Exekutive aufgefordert,
in losen Gruppen von 5 bis 10 Personen weiterzugehen. Nachdem sich am Josefsplatz
keine Demonstrationsteilnehmer mehr befanden, war somit diese Veranstaltung für die
Sicherheitsbehörde beendet. Zeitgleich wurde von linken Aktivisten am Heldenplatz eine
Demonstration abgehalten; ein Zusammentreffen von verschieden gesinnten Aktivisten war
jedoch nicht mehr zu erwarten. Um 16.07 Uhr meldeten Beamte, dass sich die
abströmenden "Rechten" im Bereiche Kärntner Straße wieder gesammelt hätten und über
die Kärntner Straße in Richtung Stephansplatz zogen. Daraufhin wurde von der
Einsatzleitung unverzüglich die Entsendung der Reserve 181 zum Ort des Geschehens
verfügt. Der Einsatz wurde jedoch widerrufen, da sich die Demonstranten vor dem Eintreffen
der Reservekräfte bereits mit der U-Bahn entfernt hatten.

Die Wortkombination "Sieg Heil" wurde von den begleiteten Kriminalbeamten subjektiv nicht
wahrgenommen, weshalb diesbezüglich seitens der Exekutive auch keine Meldung vorliegt.


Zu Frage 2:

Wie zu Punkt 1 ausgeführt, war nach dem Abströmen der Demonstrationsteilnehmer vom
Josefsplatz eine weitere sicherheitspolizeiliche Aufgabenstellung nicht unmittelbar
ersichtlich. Auch seitens des Veranstalters wurden keine Äußerungen getätigt, die eine
weitere polizeiliche Präsenz von uniformierten Sicherheitsbeamten am Veranstaltungsort
gerechtfertigt hätte.

Die Behauptung, dass von den Demonstrationsteilnehmern der Wunsch vorgebracht worden
wäre, ungehindert - offensichtlich gemeint war ohne Begleitung durch uniformierte
Polizeikräfte - weitergehen zu können, entspricht nicht den tatsächlichen Gegebenheiten.


Zu Frage 3:

Zum Zeitpunkt der auf dem Video erkennbaren Szenen im Bereich der Kärntner Straße
wurde der Demonstrationszug von zwei Kriminalbeamten der Staatspolizei begleitet, weiters
befanden sich 2 Sicherheitswachebeamte im angeführten Bereich auf Streifendienst. Diese
Anzahl erschien zum damaligen Zeitpunkt ausreichend.


Zu Frage 4:

Es entspricht nicht den Tatsachen, dass kein Exekutivbeamter während der auf dem Video
erkennbaren Ausschreitungsszenen eingriff. Unmittelbar nachdem der Demonstrationszug
von der Maysedergasse kommend in die Kärntner Straße eingebogen war, begannen die
Teilnehmer einschlägige, nationalsozialistisches Gedankengut beinhaltende Parolen zu
skandieren. Dieser Umstand wurde sofort per Funk an die Abteilung l weitergeleitet. Weiters
wurde durch die zwei Kriminalbeamten vorerst erfolglos versucht, dieses strafbare Verhalten
durch Einwirkung auf einen der Demonstrationsteilnehmer im Schlussbereich des Zuges
einzustellen. Auch dieser Umstand wurde per Funk an die Abteilung l weitergeleitet.

Da die Intervention am Zugsende keinen Erfolg zeitigte und von den Teilnehmern ignoriert
wurde, liefen die zwei Kriminalbeamten bis zur Zugsspitze vor. Dort gelang es dann den
Beamten durch Vorweis der Kokarde, die Teilnehmer von einem weiteren Skandieren
einschlägiger Parolen abzuhalten. Dies geschah etwa 50 Meter vor dem Abgang zur U-
Bahnstation Stephansplatz. Ab diesem Zeitpunkt wurden keine weiteren Leitsprüche, welche
nationalsozialistisches Gedankengut zum Inhalt hatten, mehr gerufen. Die erwähnte
Entsendung von Sicherheitswachebeamten (Reserve 181) wurde zwischenzeitlich
widerrufen, da die Information erging, dass sich die Demonstranten bereits mit der U-Bahn
entfernen würden.

Das oben erwähnte Einwirken eines Kriminalbeamten auf einen der Kundgebungs-
teilnehmer ist auf Video, welches vom Abgeordneten PARNIGONI zur Verfügung gestellt
wurde, dokumentiert. Weiters ist der Funkspruch über den vorerst erfolglosen Versuch, das
strafbare Verhalten einzustellen, auf einem Audio-Band dokumentiert.


Zu Frage 5:

Zu dieser Frage darf ich auf die Antworten zu den Fragen 3 und 4 verweisen.

Zu den Fragen 6 und 7:

Die gegenständlichen Vorkommnisse wurden bereits in Form von Anzeigen der zu-
ständigen Staatsanwaltschaft übermittelt; bis dato konnten 36 Teilnehmer des Zuges durch
die Kärntner Straße ausgeforscht und bereits größtenteils einvernommen werden.

Im Übrigen ersuche ich um Verständnis dafür, dass über Gegenstände eines bei einem
Strafgericht anhängigen Verfahrens seitens des BMI aus Anlass einer parlamentarischen
Anfrage keine Auskünfte erteilt werden können.


Zu Frage 8:

Ja. Es wurde und wird versucht, auf dem Video sichtbare Teilnehmer auszuforschen.

Zu Frage 9:

Bisher gelang es, 36 Kundgebungsteilnehmer auszuforschen.

Zu Frage 10:

Die erwähnten 36 Personen wurden der StA Wien wegen des Verdachts gem. § 3g
Verbotsgesetz bzw. § 283 StGB angezeigt. Im Übrigen verweise ich auf die Antwort zu den
Fragen 6 und 7, zweiter Absatz.


Zu den Fragen 11 und 12:

Auch diesbezüglich darf ich auf die Antwort zu den Fragen 6 und 7, zweiter Absatz,
verweisen.


Zu Frage 13:

Von den Verkehrsbetrieben wurden keine Videoaufzeichnungen gemacht. Hinsichtlich
weiterer neonazistischer Aktivitäten in der U-Bahnstation bzw. in der U-Bahn liegen keine
Erkenntnisse vor.


Zu Frage 14:

Die Demonstranten fuhren mit den Linien U1 und U3, aufgeteilt in mehrere Gruppen, vom
Stephansplatz ab.


Zu Frage 15:

Laut einigen bereits einvernommenen Personen sei eine kleine Gruppe von ihnen nach dem
Marsch noch in einem Lokal in Wien 15. gewesen; dieses hätten sie aber sofort - mangels
der Bereitschaft des Dienstpersonals, sie zu bedienen - sofort wieder verlassen.


Zu Frage 16:

Sämtliche Sicherheits- und Bundespolizeidirektionen werden - wie schon bisher - im
Rahmen ihrer Tätigkeit zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit
sowie ihrer Tätigkeit im Dienste der Strafrechtspflege strafbares Verhalten von Menschen
überprüfen und den zuständigen Strafverfolgungsbehörden zur Anzeige bringen.


Zu Frage 17:

Die vorliegenden ausländischen Erkenntnisse zum Vermummungsverbot bei Demon-
strationen sind jeweils anlassbezogen, vielschichtig und lassen keine generelle Beurteilung
zu.


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