1858/AB-BR BR
Die Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger, Kolleginnen und
Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend "Entschließung des
Vorarlberger Landtages zum Opferschutz" gerichtet.
Die in der Anfrage angesprochene Entschließung des Vorarlberger Landtags vom
9. Oktober 2002 gelangte dem Bundesministerium für Justiz durch die vorliegende
Anfrage zur Kenntnis.
Für die bundesweite Implementierung der Prozessbegleitung ist das Bundesministe-
rium für soziale Sicherheit und Generationen (BMsSG) federführend, dem in diesem
Bereich auch die Koordinierung der Opferhilfevereine obliegt. Vom Bundesministeri-
um für soziale Sicherheit und Generationen wurde bereits mit dem Aufbau regionaler
Kooperationsstrukturen begonnen.
Ferner wurde im BMsSG eine Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung von Standards für die
juristische und psychosoziale Prozessbegleitung installiert, um eine Qualitätssiche-
rung der angebotenen Leistungen zu gewährleisten.
Das Bundesministerium für Justiz fördert bereits seit dem Inkrafttreten der Strafpro-
zessnovelle 1999, BGBI l Nr. 55, Einrichtungen der Opferhilfe, die Prozessbegleitung
anbieten. Für eine systematische, juristische und psychosoziale Prozessbegleitung
ist flächendeckend in ganz Österreich finanziell vorgesorgt. So wurden in diesem
Jahr bisher 24 Vereine gefördert, die professionelle Opferhilfe anbieten. Von den im
Bundesvoranschlag 2002 zur Verfügung stehenden Förderungsmitteln für Prozess-
begleitung in der Höhe von 726.728,34 EUR ist ein Förderungsbetrag in der Höhe
von 581.502,62 EUR für diese Vereine gebunden. Das Bundesministerium für Justiz
wird auch weiterhin bemüht sein, die erforderlichen Mittel für die kontinuierlich stei-
gende Nachfrage nach Prozessbegleitung zur Verfügung zu stellen.
Darüber hinaus wurden die gesetzlichen und organisatorischen Voraussetzungen für
eine opferschonende Abwicklung des Gerichtsverfahrens geschaffen. Dazu werden
allen Richtern und Staatsanwälten Seminare und psychologische Schulungen zu
Themen wie "Opferhilfe", "Umgang mit Opfern und Zeugen" etc. angeboten. Die vom
Bundesministerium für Justiz mitfinanzierte Broschüre "Milli ist beim Gericht" soll die
psychosoziale Prozessbegleitung unterstützen. Das Buch liegt bei allen Strafgerich-
ten und Vereinen auf und erklärt in kindgerechter Form, wie die .schonende Ver-
nehmung' bei Gericht abläuft.
Was die "Verhältnismäßigkeit von Strafdrohungen im gerichtlichen Strafrecht" an-
langt, wurde das von der Enquete-Kommission aufgezeigte Missverhältnis, dass bei
Raub mit (fahrlässig herbeigeführter) Todesfolge eine bis zu lebenslange Freiheits-
strafe verhängt werden kann, nicht aber bei Vergewaltigung mit Todesfolge, im Zuge
der letzten Strafrechtsnovellen beseitigt: Nunmehr werden die Vergewaltigung und
der schwere sexuelle Missbrauch von Unmündigen (§§ 201, 206 StGB), wenn sie
zum Tod des Opfers führen, ebenfalls mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht. Auch
im Suchtmittelgesetz gab es eine Änderung: Die Strafdrohung für Drogenhändler,
die in einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung des Dro-
genhandels mit einer großen Menge Suchtgift führend tätig sind - die also das
schwerste Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz begehen (§ 28 Abs. 5 SMG), -
wurde auf lebenslange Freiheitsstrafe ausgedehnt.
Novellierungen des Sexualstrafrechtes sind derzeit Gegenstand legistischer Vorha-
ben des Bundesministeriums für Justiz.
Was die in Punkt 7. der Entschließung angesprochenen Ermittlungsmethoden im Be-
reich der Kinderpornographie betrifft, so hat sich die Bundesregierung zu einer um-
fassenden Erneuerung des strafprozessualen Vorverfahrens bekannt und dem Na-
tionalrat im Juni 2002 die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem die
Strafprozessordnung 1975 neu gestaltet wird (Strafprozessreformgesetz), 1165
BlgNR XXI. GP, zugeleitet. Im Rahmen dieser umfassenden Erneuerung des straf-
prozessualen Vorverfahrens wird besonderes Augenmerk auf eine abschließende
Regelung der Befugnisse der Kriminalpolizei zur Aufklärung von Straftaten gelegt,
die sowohl Anliegen einer effizienten Strafverfolgung als auch des Schutzes der
Grund- und Freiheitsrechte des Einzelnen berücksichtigt. In diesem Sinn wird unter
anderem vorgeschlagen, sowohl die Durchführung verdeckter Ermittlungen als auch
den Abschluss sogenannter Scheingeschäfte gesetzlich zu verankern. § 129 Z 3 des
Entwurfs definiert das "Scheingeschäft" als den Versuch oder die Ausführung äußer-
lich strafbarer Handlungen, soweit diese im Erwerben, Ansichbringen, Besitzen, Ein-,
Aus- oder Durchführen von Gegenständen oder Vermögenswerten bestehen, die
entfremdet wurden, aus einem Verbrechen herrühren oder der Begehung eines sol-
chen gewidmet sind oder deren Besitz (wie z.B. kinderpornographisches Material)
absolut verboten ist. Der Abschluss eines solchen Scheingeschäfts soll nach der
vorgeschlagenen Regelung des § 132 angeordnet werden dürfen, wenn im Zusam-
menhang mit einem Verbrechen der Nachweis der Tatbegehung oder die Sicherstel-
lung von bestimmten Gegenständen und Vermögenswerten, die aus einem Verbre-
chen herrühren oder vom Verfall (§ 20b StGB) oder von der Einziehung (§ 26 StGB)
bedroht sind, auf andere Weise wesentlich erschwert wäre. Da kinderpornographi-
sches Material der Einziehung (§ 26 StGB) unterliegt, wäre die Forderung des Vor-
arlberger Landtages in bezug auf die Möglichkeit der Kriminalpolizei, aktiv als poten-
zielle Käuferin von Kinderpornographie aufzutreten, bei Verwirklichung des Reform-
vorhabens als erfüllt anzusehen.
Das Bundesministerium für Justiz wird auch in der nächsten Legislaturperiode auf
eine - längst überfällige - klare und abschließende Regelung der Befugnisse der
Kriminalpolizei im strafprozessualen Vorverfahren dringen.
Abschließend erlaube ich mir noch darauf hinzuweisen, dass Angelegenheiten der
Sexualerziehung (Punkt 3 der Entschließung) sowie die Sicherstellung personeller
Ressourcen der Exekutive und der Meldestelle des Innenministeriums (Punkt 6)
nicht in meinen Zuständigkeitsbereich fallen.
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