1859/AB-BR BR


Eingelangt am: 17.12.2002

BM für Justiz

Die Bundesräte Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine
schriftliche Anfrage betreffend "staatliche Kontrolle der Verwertungsgesellschaften
für Urheberrechte in Österreich" gerichtet.


Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 und 2:
a) Mindeststandards für Statuten

Das Verwertungsgesellschaftengesetz hat für Verwertungsgesellschaften keine
Rechtsform sui generis geschaffen, sondern überlässt es den Gründern einer Ver-
wertungsgesellschaft aus den von der Rechtsordnung angebotenen Rechtsformen
eine geeignete auszuwählen. Tatsächlich bestehen derzeit Verwertungsgesellschaf-
ten in der Rechtsform der Genossenschaft, des Vereins und der Gesellschaft mit
beschränkter Haftung.

Das Verwertungsgesellschaftengesetz selbst enthält aus diesem Grund keine Min-
deststandards für Statuten bzw. - je nach der gewählten Rechtsform - Satzungen
oder Gesellschaftsverträge. Diese Mindeststandards finden sich vielmehr in den je-
weiligen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften.


b) Verteilungsregeln

Das Verwertungsgesellschaftengesetz verpflichtet die Verwertungsgesellschaften
ausdrücklich, für die Aufteilung der ihnen als Entgelt für die Erteilung von Werknut-
zungsbewilligungen zufließenden Beträge auf die Bezugsberechtigten feste Regeln
aufzustellen, die ein willkürliches Vorgehen bei der Aufteilung ausschließen und dem


 

Grundsatz entsprechen, dass das Schaffen kulturell hochwertiger Werke zu fördern
ist und dass Bearbeitungen geringer zu bewerten sind als Originalwerke.

c) Kontrolle über die Gebarung und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung
Das Verwertungsgesellschaftengesetz enthält keine Vorschriften über die Gebarung
und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung, weil die entsprechenden Regeln in den
jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Nonnen verankert sind.


Zu 3:

Im geltenden Recht gibt es eine Reihe von Kontrollmöglichkeiten und Sanktionen für
die Tätigkeit der Verwertungsgesellschaften:

a) Zunächst unterliegen Verwertungsgesellschaften der Staatsaufsicht durch den
Bundeskanzler. Die Organe und Angestellten der Verwertungsgesellschaft sind ver-
pflichtet, dem Staatskommissär die von ihm verlangten Auskünfte über alle die Ge-
schäftsführung betreffenden Angelegenheiten zu erteilen und ihm in die Geschäfts-
bücher und die übrigen Schriften der Verwertungsgesellschaft Einsicht zu gewähren
(§ 5 Abs. 3 VerwGesG).

b) Weiters unterliegen Verwertungsgesellschaften der Aufsicht des Kartellgerichts,
das auf Antrag jeden Missbrauch der - den Verwertungsgesellschaften zukommen-
den - marktbeherrschenden Stellung abzustellen hat (§ 35 KartG). Zum Antrag sind
nicht nur die Amtsparteien (nunmehr Bundeskartellanwalt und Bundeswettbewerbs-
behörde) berechtigt, sondern auch die Sozialpartner und jeder bezugsberechtigte
Urheber, dessen rechtliche oder wirtschaftliche Interessen durch das zu untersagen-
de Verhalten berührt werden.

Diese Kontrolle hat sich auch in der Praxis bewährt: Die Bundeskammer für Arbeiter
und Angestellte hat bereits einige kartellgerichtliche Verfahren gegen Verwertungs-
gesellschaften eingeleitet, um die Änderung bestimmter Klauseln in den Statuten zu
erreichen.

Die im Kartellgesetz vorgesehenen Sanktionen sind durchaus wirkungsvoll: Wegen
des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung kann eine Geldbuße bis zur
Höhe von 10 Millionen Büro oder 10 % des Jahresumsatzes verhängt werden (§ 142
Z. 1 lit. g KartG).

c) Schließlich steht es jedem Urheber frei, aus dem mit der Verwertungsgesellschaft
geschlossenen Wahrnehmungsvertrag auf Rechnungslegung und Zahlung zu kla-

gen, wenn er meint, dass ihn die Verwertungsgesellschaft bei der Verteilung der ein-
genommenen Entgelte und Vergütungen benachteiligt hat. Auch diese Rechts-
schutzmöglichkeit wird in der Praxis in Anspruch genommen.

d) Letztlich enthält das Verwertungsgesellschaftsgesetz über Kontrollmöglichkeiten
hinaus einen Mechanismus, der Verwertungsgesellschaften wirksam daran hindert,
Tarife für die Einräumung der von ihnen verwalteten Rechte willkürlich festzusetzen:
Diese Tarife sind tunlichst in Gesamtverträgen festzusetzen. Wenn es hierüber zu
keiner Einigung kommt, kann nicht nur die Verwertungsgesellschaft, sondern auch
ihr potenzieller Vertragspartner verlangen, dass der Tarif von einer Schiedskommis-
sion durch eine Satzung (die die rechtliche Qualität einer Verordnung hat) geregelt
wird (§§ 6 ff VerwGesG).


Zu 4:

Im Hinblick darauf, dass die Europäische Kommission in nächster Zeit einen Vor-
schlag zur Vereinheitlichung des Verwertungsgesellschaftenrechts im Binnenmarkt
vorlegen wird, scheint es sinnvoll, mit der Reform des innerstaatlichen Verwertungs-
gesellschaftenrechts bis zum Vorliegen der einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen
Normen zuzuwarten.


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