Bundesrat Stenographisches Protokoll 632. Sitzung / Seite 111

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Hohes Haus! Ich hatte das große Glück des Vertrauens, diesem Hause fast 22 Jahre angehören zu dürfen. Bei meiner Verabschiedung – und das möchte ich heute somit machen – geht es mir vor allem aber auch darum, Dank sagen zu können: Dank zu sagen für die Mit- und Zusammenarbeit über Fraktionsgrenzen hinweg – war es im Nationalrat oder war es hier im Bundesrat –, Dank zu sagen für die doch faire Auseinandersetzung, auch wenn sie in manchen Bereichen emotional geführt wurde – vor allem, wenn es um kontroversielle Materien und Themen ging.

Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, jeder von uns hier hat gewußt, wie weit man gehen kann, und ich mußte nicht erleben – aus meiner Sicht –, daß man mit Untergriffen gearbeitet hat. Dieses Bild bringt meiner Meinung nach eine sehr positive Entwicklung in Richtung politischer Kultur, und ich kann nur wünschen, daß bei allen Unterschiedlichkeiten in Meinungen und Auffassungen dieser Weg in einer Art Vorbildfunktion, die wir dringend brauchen, weiter beschritten wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dank sagen möchte ich den jeweiligen Präsidenten und Vizepräsidenten, den jeweiligen Fraktionsführern in diesem Hause, vor allem Dank sagen möchte ich aber meiner Fraktion, der Österreichischen Volkspartei, für die Freundschaft und Kameradschaft, die ich hier erleben durfte. Mein ganz besonderer Dank gilt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den verschiedensten Bereichen dieses Hauses. Sie alle sind für mich – so sehe ich es zumindest – die guten und stillen Geister im Hintergrund, um diese verantwortungsvolle Arbeit hier überhaupt leisten zu können.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen alles Gute für Ihre zukünftige politische Arbeit hier im Hause, aber vor allem auch in Ihrem privaten Lebensbereich. – Danke. (Allgemeiner heftiger Beifall.)

16.49

Vizepräsident Jürgen Weiss: Dem gemeinschaftlichen Beifall ist nicht viel hinzuzufügen, er spricht für sich selbst. Wir wünschen dir alles Gute und werden dich in guter Erinnerung behalten, lieber Karl!

Als nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Alfred Gerstl. – Bitte.

16.50

Bundesrat Alfred Gerstl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte mich eigentlich nicht zu Wort melden, aber vielleicht ist es ganz gut, wenn ich auch hier sage, daß ich vieles erlebt habe, aber nicht nur in der NS-Zeit, sondern schon als 6jähriger Bub, also 1929. Damals spuckte ich wegen eines Hustens auf die Tafel und bekam von der Lehrerin eine Watschen, und sie sagte: Hinaus, du Judenbengel! – In Wirklichkeit sind meine Eltern 1923 zum Katholizismus konvertiert, nachdem mein Vater eine Anstellung gebraucht hatte und diese mit mosaischem Glauben nicht bekommen hätte.

Ich war gestern in der Politischen Akademie, wo alle Parteien vertreten waren. Ich hatte dort ein für mich unauslöschbares Erlebnis. Es gab eine Debatte zu dem Thema: der Weg Österreichs zu einer echten demokratischen Reife. Die Diskussion, die dort stattfand, hat mir gezeigt – bei Wahrung jeder eigenständigen politischen Überzeugung –, daß die Menschen aufeinander zugehen. Dafür war ich dankbar.

Ich bin dankbar dafür, daß es zu diesem Gedenktag kommt, aber wir haben auch einen Gedenktag, nämlich den Sonntag. Wer hält sich denn daran, die christliche Glaubenslehre einzuhalten? – Ich glaube nur daran, daß alles wirksam greifen wird, wenn es uns gelingt, der Jugend einen neuen Weg zu zeigen. Ich danke dir, Kollege Bieringer, daß du einen solchen aufgezeigt hast.

Ich möchte aber in Erinnerung bringen, daß ich hier in diesem Hause einmal gesagt habe: Um einer bösartigen Geisteshaltung wirksam begegnen zu können, müssen wir bei unseren Jüngsten mit einer besseren Methode der Lehre über zwischenmenschliches Verhalten beginnen. Ein vereintes Europa der Vaterländer, in dem die Regionen unter Wahrung ihrer kulturellen


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