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Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bundeskanzlerin! Werter Herr Vizekanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Wer­te Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Es ist ein Gebot der Stunde, Danke zu sagen: Danke, Frau Bundeskanzlerin, Danke, Herr Vizekanzler, dafür, dass Sie in diesen herausfordernden Zeiten Regie­rungsfunktionen übernommen haben! Wir können stolz sein auf unsere Bundesverfas­sung – das wurde ja schon mehrmals gesagt –, die für alle Eventualitäten Vorkehrun­gen getroffen hat.

Frau Bundeskanzlerin, es war grundlegend für jedes politische Handeln und wichtig, den Dialog mit der Zivilgesellschaft, den politischen Parteien und den Religionsgemein­schaften anzukündigen. Es blieb nicht nur bei den Ankündigungen, die Termine finden statt. Das Gespräch mit den Sozialpartnern findet statt – endlich! Die Vorgängerregie­rung hat diesen Dialog mit der ArbeitnehmerInnenvertretung, dem Österreichischen Gewerkschaftsbund und der Arbeiterkammer bewusst nicht geführt.

Wir hatten nie eine Staatskrise, auch wenn manche aus Destabilisierungsgründen ger­ne eine solche herbeigeredet hätten. Wir hatten zum zweiten Mal eine Regierungs­krise, diesmal hervorgerufen durch ein politisches Horrorvideo. Gerade wir Politikerin­nen und Politiker sollten alles daransetzen, das darin Gesagte und das darin Gezeigte nicht zu verharmlosen. Kein noch so vernebelter Zustand eines Politikers rechtfertigt Aussagen, die unsere Demokratie gefährden, die die Medienfreiheit infrage stellen, die öffentliches Eigentum zum Verkauf und öffentliche Aufträge gegen Parteispenden an­bieten. Das zu entschuldigen oder da kein Unrechtsbewusstsein zu zeigen heißt, selbst Teil dieses Systems zu sein, und das wollen wir alle sicherlich nicht. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic. – Bundesrat Steiner: Wer selbst im Glas­haus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!)

Es ist Zeit, das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in die Politik wieder­herzustellen; dazu müssen die Regelungen zur Parteienfinanzierung dringend verän­dert werden. Es braucht eine Spendenobergrenze, und es braucht spürbar höhere Strafen, wenn die Kostengrenzen im Wahlkampf überschritten werden.

Drüberfahren, Gesetze durchpeitschen, das war die Devise von Türkis-Blau. Bevölke­rungsgruppen zu Gewinnern und andere zu Verlierern der politischen Arbeit zu ma­chen, das war angesagt. Nichts Verbindendes, kein Dialog, kein Kompromiss! Verlie­rerInnen waren vor allen Dingen die Arbeitnehmerinnen und die Arbeitnehmer, Gewin­ner große Unternehmen: Ausdehnung der Arbeitszeit, 60-Stunden-Woche, Verkürzung der Ruhezeiten. Eine Sozialversicherungsreform, die diesen Namen nicht verdient, nur Umfärben, die ArbeitnehmerInnenvertreter hinausdrängen, kein Gewinn durch diese Megafusion für die Gesundheitsversorgung der Menschen, ganz im Gegenteil: 400 000 Euro für ein Logo, einen grüner Kreis, wobei die Markenrechte bei einem Be­stattungsinstitut liegen (Bundesrätin Mühlwerth: KH Nord und der Schamane!), 7 Mil­lionen Euro Fusionskosten – Geld, das man für die Gesundheitsversorgung so drin­gend brauchen würde. (Bundesrat Steiner: 600 000 Euro für das neue Logo von Wien, das gleich wie das alte aussieht!) Was könnte man mit diesem Geld für die Gesund­heitsversorgung der Menschen Gutes tun?!

Mit dem Sozialhilfegesetz haben Sie die Menschen, die Unterstützung brauchen, noch ärmer gemacht und sie zu BittstellerInnen degradiert. Allein in Wien warten 13 000 Menschen auf Deutschkurse. Vom AMS können nicht genügend Kurse angebo­ten werden, weil das Geld fehlt; ein Versäumnis von Türkis-Blau. Wir haben davor ge­warnt. Deutschkenntnisse sind – und da sind wir uns ja alle einig – der Schlüssel für die Integration in die Gesellschaft und am Arbeitsmarkt. Dem AMS wurden aber Mittel in Höhe von 100 Millionen Euro für die Integration gestrichen. So kann Integration nicht funktionieren! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Integration ist eine Bring­schuld!)

Für arbeitslose Menschen wäre im letzten Regierungsprogramm noch einiges an Ver­schlechterungen vorgesehen gewesen: Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmun­gen – Wegzeiten von zweieinhalb Stunden wären zumutbar gewesen –, dazu ein 12-Stun­den-Tag – na, vielen Dank! Die Abschaffung der Notstandshilfe stand auch noch auf dem Plan, ebenso massive Verschlechterungen für die Arbeitslosen und vor allen Din­gen für Ältere, die besonders von Arbeitslosigkeit betroffen sind. – Man kann nur froh sein, dass das vorerst gestoppt wurde.

Einer der erstaunlichsten Verkaufstricks von Türkis-Blau war der Oberschmäh bezie­hungsweise der Einserschmäh – wie man in Wien sagt – mit dem persönlichen Feier­tag: Nimm dir einen deiner Urlaubstage aus deinem eigenen Kontingent und nenne ihn persönlichen Feiertag! – Das war das Motto. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) So ging diese vergangene Regierung mit notwendig gewor­denen Regelungen um! – Landeshauptmann Schützenhöfer hält diese Karfreitagsrege­lung für verunglückt. Das ist die elegante Formulierung dafür, man könnte auch andere Worte finden. (Bundesrat Samt: Wer hat das verursacht? – Das habt ihr verursacht!) Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich hätten einen zusätzlichen Fei­ertag verdient, sie arbeiten so fleißig und so hart, sie machen 250 Millionen Überstun­den jährlich – da wäre doch ein Feiertag drin gewesen! (Zwischenruf der Bundesrä­tin Mühlwerth.)

Gerade in dieser Situation zeigen sich aber auch die Qualität der österreichischen Ver­waltung und die Leistung der Expertinnen und Experten in der Verwaltung. Ich glaube, das wäre auch eine passende Gelegenheit, über die Sinnhaftigkeit der fast schon re­flexartig immer wiederkehrenden politischen Forderung nach noch mehr Einsparungen in der Verwaltung nachzudenken!

Das freie Spiel der Kräfte im Parlament hat begonnen, und das ist gut so. Das ist das Zeichen einer starken Demokratie. Es ist Zeit, dass längst notwendige Gesetzesbe­schlüsse im Interesse der Menschen und nicht nur im Interesse der Wirtschaft gefasst werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Die türkis-blaue Regierung hat 900 000 UnterstützerInnen des Nichtraucherschutz­volksbegehrens ignoriert und die Gesundheitsgefährdung der in der Gastronomie Be­schäftigten in Kauf genommen. Nun ist die Zeit gekommen, das zu ändern und den Nichtraucherschutz endlich umzusetzen.

Unser Bundesratspräsident hat es schon in seiner Rede und oftmals während seiner erfolgreichen Präsidentschaft so wunderbar formuliert: Der Ausverkauf unseres guten Trinkwassers muss verhindert werden. – In diesem Zusammenhang reichen keine voll­mundigen Versprechen in zahlreichen Reden. Der Schutz des Wassers muss in der Verfassung verankert werden, das ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemo­kraten und besonders auch für die SPÖ-Fraktion im Bundesrat ganz wesentlich. Die Österreicherinnen und Österreicher haben das Recht auf einen freien Zugang zu Trink­wasser! (Beifall bei der SPÖ.)

Auf Initiative der Sozialdemokratie wird mit den notwendigen Beschlüssen im Natio­nalrat wieder Politik im Interesse der Frauen gemacht. Der frauenpolitische Stillstand in den letzten 18 Monaten war einfach unerträglich! Der Einkommensunterschied zwi­schen Frauen und Männern beträgt fast 20 Prozent, der Pensionsunterschied 42 Pro­zent: Da kann man nicht stillstehen, da kann man nicht aufhören, zu kämpfen, beson­ders was die gesetzliche Anrechnung der Karenzzeiten betrifft. Die Gewerkschaften haben die Kollektivverträge ausgezeichnet verhandelt, die Anrechnung der Karenzzei­ten konnte in vielen Kollektivverträgen umgesetzt werden. Jetzt braucht es aber die ge­setzliche Anrechnung der Karenzzeiten für alle Betroffenen, und das sind hauptsäch­lich Frauen. Dabei geht es um einen wichtigen Schritt für ein besseres und ein stärker abgesichertes Leben von Frauen.

Die oftmals angekündigte und immer wieder verschobene Umsetzung des Rechtsan­spruchs auf den Papamonat wird endlich Realität – zur Freude aller Väter, die gerne Zeit mit ihren Kindern in dieser besonderen ersten Zeit, wenn ein Kind gerade auf die Welt gekommen ist, verbringen wollen. Das wird nun möglich.

Uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten liegen die vielen freiwilligen Helferin­nen und Helfer bei Blaulichtorganisationen in unserem Land am Herzen. Feuerwehr, Rettungs- und Katastrophenschutzorganisationen müssen für den Katastrophenfall un­terstützt werden. Da braucht es eine rechtliche Absicherung durch einen Freistellungs­anspruch von fünf Tagen; es braucht Rechtssicherheit für die ArbeitnehmerInnen, dass sie diese fünf Tage freinehmen können, und es braucht Rechtssicherheit für die Arbeit­geber, dass sie das Geld refundiert bekommen. (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) Wir brauchen nämlich die Arbeit, die von 335 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern freiwillig geleistet wird, ganz dringend. (Zwischenruf des Bundesra­tes Preineder.)

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrter Herr Vizekanzler, Sie zeigen mit Ih­ren heutigen Erklärungen die Wertschätzung für den Bundesrat, und das ist ganz wich­tig. Der Bundesrat erfährt nicht immer jene Anerkennung, die ihm eigentlich zustehen würde, obwohl seine Bedeutung und die Bandbreite seiner Möglichkeiten in den letzten Monaten sehr wohl zum Tragen kamen und sichtbar wurden.

Aus sozialdemokratischer Sicht ist es die Aufgabe der Politik, den Menschen in Öster­reich, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, möglichst viele Chancen zu eröffnen. Es gilt, Sicherheit zu geben, dass man im Falle, dass das Leben einmal schwerer wird und schwerere Zeiten kommen, sei es durch Krankheit oder Jobverlust im Alter, die Unter­stützung erhält, die man braucht.

Unser politisches Ziel ist es, für Menschen die Rahmenbedingungen für ein positives und sicheres Leben zu schaffen, in dem man mit Vertrauen und ohne falsch geschürte Ängste in die Zukunft blicken kann und wertschätzend miteinander umgeht. Das ist ein ganz besonders hoher Wert, und dafür werden wir uns einsetzen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.05

Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile dieses.