17.20

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuse­herInnen zu Hause vor den Bildschirmen! Die sozialdemokratische Fraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf die Zustimmung erteilen – so weit einmal keine Über­raschung –, dies allerdings nur aus einem einzigen triftigen Grund und dement­sprechend nicht ganz uneingeschränkt, wenn man es so sagen möchte.

2016 hat die damalige Bildungsministerin Sonja Hammerschmid noch eine wichtige Initiative für ein modernes und zukunftsfittes Bildungssystem gesetzt, indem sie 750 Millionen Euro aus der Bankenmilliarde freigemacht hat, um den Ausbau von ganztägigen Schulformen in allen Varianten zu forcieren und sozusagen auch den Schulerhaltern schmackhaft zu machen – und das nicht aus einer Laune oder aus einem Justamentstandpunkt heraus, sondern weil es im 21. Jahrhundert schlicht und einfach Sinn macht.

Ganztägige Schulformen bieten so viele Vorteile, das zeigen uns zahlreiche Studien und zahlreiche Erfolgsmodelle beispielsweise aus dem skandinavischen Raum – Finnland sei hier etwa erwähnt. (Bundesrätin Mühlwerth: In Schweden schaut’s schon anders aus!) Es profitieren in Wahrheit alle Beteiligten im pädagogischen Raum. Erstens die SchülerInnen selbst: Für sie steht natürlich noch mehr Betreuungszeit, noch mehr Lernzeit, noch mehr Zeit mit ihren Lehrerinnen und Lehrern, mit ihren Freizeitpädagoginnen und -pädagogen zur Verfügung. Besonders die verschränkten Schulformen kommen auch den hirnphysiologischen Gegebenheiten und Grundlagen der Kinder noch wesentlich besser entgegen: Wenn im Wechsel gelernt, Bewegung gemacht, Freizeit nach eigenen Interessen und Talenten gestaltet werden kann, dann motiviert und steigert das natürlich auch die Leistungsfähigkeit und die Leistungs­bereitschaft in der Schule.

Zweitens die Pädagoginnen und Pädagogen: Sie können sich ihren Schützlingen wesentlich intensiver widmen. Es kann noch projektartiger, themenzentrierter und auch fachbereichsübergreifend gearbeitet werden, und sie können individuelle Lerneinheiten anbieten.

Dadurch profitieren aber auch die Eltern, wenn sie sich dann zum Beispiel die teure Nachhilfe ersparen können und noch dazu ihre Kinder in der Schule – wir haben es heute schon gehört – unter anderem auch mit einem warmen Mittagessen bestens aufgehoben wissen. Und am Nachmittag nach der Schule kann man sich dann als Familie auch wirklich der Quality Time widmen. (Bundesrätin Mühlwerth – erheitert –: Der was?)

Aber auch die Gemeinden profitieren, das vergessen wir manchmal auch ganz gerne. Sie können beispielsweise ganz gezielte Kooperationen mit ansässigen Vereinen ein­gehen, sie können individuelle Freizeitangebote erstellen und anbieten, sei es mit Sportvereinen, mit Musikvereinen und vielen anderen mehr.

Aus meiner Sicht ist das also eine Win-win-Situation, wie es heute oft so schön heißt. Ich nenne diese Schulform im Idealfall eine Schule ohne Rucksack, die eben die Talente und die Potenziale unserer Kinder und Jugendlichen bestmöglich fordert und fördert. Das muss unser gemeinsames Ziel sein, und international, das wissen wir, ist das längst kein Gegenstand der Diskussion mehr.

Nun sehen wir uns aber bei dem vorliegenden Gesetz mit der Tatsache konfrontiert, dass diese ursprünglich vorgesehenen 750 Millionen Euro bis zum Jahr 2033 – formu­lieren wir es einmal freundlich – gestreckt, hinausgeschoben werden sollen, was in Wahrheit einer Kürzung der Mittel gleichkommt. Somit werden nicht mehr diese 115 000 Ganztagesschulplätze, sondern lediglich 40 000 neue Plätze im vorgesehenen Zeitraum entstehen können. Und Hortplätze, also reine Nachmittagsbetreu­ungs­plätze – wenn wir das jetzt besonders von den verschränkten Ganztagesschulformen unterscheiden –, sind da nun auch hineingerechnet, was ganz und gar nicht dem ursprünglichen Ziel des alten Gesetzes entspricht.

Wir werden trotzdem zustimmen, weil wir uns auch dessen bewusst sind, dass die 15a-Vereinbarung jetzt ausläuft und die Gemeinden und Länder als Schulerhalter natürlich eine entsprechende Sicherheit über die zu vergebenden Mittel fordern und auch benötigen, damit eben zumindest ein Teil des Budgets auch entsprechend abgeholt werden kann.

Geschätzte Damen und Herren! Ich höre von Bürgermeistern da und dort, dass der Bedarf nach derartigen Schulformen einfach nicht gegeben sei. Denen kann ich nur sagen: Genau das Gegenteil ist der Fall! Dies besonders dann, wenn einmal das entsprechende Angebot da ist, denn dann wird es nämlich auch angenommen.

Wie erfolgreich ein derartiges Schulmodell sein kann, wenn die politisch Verant­wort­lichen auch den Mut dazu haben und auch ganz bewusst Geld in die Hand nehmen, Investitionen tätigen, Umbaumaßnahmen setzen, weil sie um den Mehrwert dieser Investition wissen, sehen wir in meinem Heimatbezirk Tulln. Wir haben eine sozial­demokratisch geführte Gemeinde, nämlich Zwentendorf – allen, glaube ich, hinlänglich bekannt. Vor einigen Jahren hat dort die Gemeinde gemeinsam mit dem Elternverein eine Initiative gestartet und eine verschränkte Ganztagesvolksschule eingeführt – anfangs zugegebenermaßen noch mit einiger Skepsis, inzwischen aber so erfolgreich und positiv, dass nun die Frage im Raum stand: Was tun wir, wenn jetzt dieser erste ganztägig geführte Schülerjahrgang aus der Volksschule austritt und sie verlässt?

Mittlerweile steht eines fest: Es wird auch die Neue Mittelschule ab dem kommenden Schuljahr, also ab dem 1. September, als verschränkte Ganztagesschule geführt, und ich kann also jetzt mit Stolz über die erste verschränkte Ganztagesmittelschule in ganz Niederösterreich berichten. Das Interesse ist riesengroß, das zeigen nicht nur die Anmeldezahlen ganz, ganz eindeutig. – An dieser Stelle ein riesengroßes Dankeschön und auch meine Gratulation an alle Verantwortlichen, dass sie diesen mutigen Schritt gewagt haben! Ich glaube, man sieht daran, was in roten Gemeinden alles möglich ist. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Samt: Das stimmt! – Bundesrat Krusche: Dort ist alles möglich! – Bundesrat Samt: Dort ist wirklich alles möglich! – Heiterkeit der Bun­desräte Samt und Krusche.)

Keine Frage, es ist notwendig, dass wir den Gemeinden und den Ländern in diesem Zusammenhang auch eine Finanzierungssicherheit geben, was wir hiermit auch sicherstellen. Aber nicht nur diesen, es ist aus meiner Sicht auch höchst an der Zeit, dass wir auch den tatsächlichen Akteuren im Bildungswesen, nämlich den Schülerin­nen und Schülern, aber natürlich auch den Pädagoginnen und Pädagogen Sicherheit geben, und zwar die Sicherheit, dass sie die besten Rahmenbedingungen für ihr Tun und Handeln in den Bildungseinrichtungen, in den Schulen vorfinden.

Als Personalvertreterin im Pflichtschulbereich mache ich immer wieder Schulbesuche und führe zahlreiche Gespräche mit vielen Kolleginnen und Kollegen über ihren Ar­beitsalltag, über die Herausforderungen, auch über die Schwierigkeiten, die in der täg­lichen Arbeit entstehen. Ein Thema höre ich dabei immer und immer wieder, nämlich dass die Lehrerinnen und Lehrer immer mehr Arbeitszeit außerhalb des Klassen­zim­mers mit diversen administrativen Tätigkeiten zu verbringen haben (Bundesrätin Mühlwerth: Das war immer schon so! Das war die letzten 20 Jahre so!), mit dem Eintragen von Schülerdaten in irgendwelche – seien es analoge oder digitale – Listen, Stichwort Bil­dungsdokumentation, und dergleichen mehr. Man hat manchmal das Gefühl, dass die eigentliche Aufgabe, nämlich die pädagogisch-erzieherische Arbeit, phasenweise in den Hintergrund tritt. (Bundesrat Samt – zu Bundesrätin Mühlwerth –: Haben wir das erst seit vorgestern? – Bundesrätin Mühlwerth: Nein, seit 20 Jahren! – Bundesrat Samt: Eigene Fehler!)

Die OECD-LehrerInnen-Studie Talis, die am 19. Juni veröffentlicht wurde, brachte genau diese Hauptbotschaft auch zutage, nämlich dass sich der Großteil der öster­reichischen Lehrkräfte zu wenig durch Unterstützungspersonal in seiner Arbeit beglei­tet fühlt. Es sei unverständlich, dass die Arbeit der Lehrkräfte für Leistungen verwendet wird, die durchaus durch Unterstützungspersonal sowohl besser als auch deutlich billiger erbracht werden könnten. Diesbezüglich steht Österreich im Ländervergleich aber leider auf unterster Stufe.

Für Initiativen zur Lösung dieser Frage eignet sich aus meiner Sicht der Bundesrat als Gremium besonders gut, da ja Bund, Länder und Gemeinden gleichermaßen Verant­wortung tragen und eine gemeinsame Lösung unter Berücksichtigung der unter­schied­lichen Bedürfnisse im Sinne der Schülerinnen und Schüler gefunden werden sollte. Es geht darum, dass den Lehrerinnen und Lehrern nicht immer mehr Aufgaben, für die sie eigentlich nicht zuständig sind oder sein sollten, sozusagen umgehängt werden sollen. Im Bereich der Bundesschulen ist es ja auch längst gängige Praxis, dass mit derartigen Tätigkeiten nicht die PädagogInnen beschäftigt sind, sondern administratives Personal eingestellt wird.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, umgehend die Verhandlungen mit dem Bundesminister für Finanzen sowie mit den Ländern und Gemeinden aufzunehmen, um durch zusätzliches Unterstützungs­per­sonal an Schulen bestmöglichste Bildung für die Schülerinnen und Schüler und best­möglichste Arbeitsbedingungen für die Pädagoginnen und Pädagogen an allen Schu­len der Republik zu ermöglichen.“

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Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich lade Sie alle herzlich ein, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu erteilen. Zeigen wir den Pädagoginnen und Pädagogen, dass unsere Wertschätzung, die ihnen von allen Fraktionen von diesem Rednerpult aus immer wieder entgegengebracht wird, auch tatsächlich so gemeint ist, und lassen wir den Worten dann auch entsprechende Taten folgen!

Abschließend möchte ich den Lehrkräften in Österreich von hier aus Danke für ihre tagtägliche engagierte Arbeit an den Schulen sagen und ihnen natürlich auch gute Erholung wünschen, damit sie das kommende, neue Schuljahr mit genauso viel Energie und Enthusiasmus starten können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.31

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Der von den Bundesräten Hahn, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.