12.18

Bundesminister für Finanzen Dkfm. Eduard Müller, MBA, betraut mit der Leitung des Bundesministeriums für öffentlichen Dienst und Sport: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Geschätzte Gäste! Die Finanzver­waltung, das ist, glaube ich, durchgekommen, steht vor großen Herausforde­rungen – einige Punkte haben Sie vor wenigen Minuten hier beschlossen, aber es gibt darüber hinausgehend noch Veränderungen; wir leben in dynamischen Zeiten, ob wir das immer gutheißen oder nicht, steht, glaube ich, nicht zur Diskussion, sie sind Realität –, und diese Herausforderungen heißen Digitalisierung, sie heißen Globalisie­rung, heißen auch Polarisierung im Verhalten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und heißen für die Finanzverwaltung ganz im Speziellen auch Demografie, Alters­struktur unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Ich habe es heute schon einmal erwähnt, ich komme aus dieser Verwaltung, ich bin, wenn Sie so wollen, ein Kind der Verwaltung, auch wenn ich zwischendurch in der Wirtschaft war. Ich kenne diese Verwaltung und ich kenne auch die Finanzverwaltung. Es macht – wenn ich mich jetzt in meine frühere Tätigkeit, egal, ob im Innendienst oder als Prüfer, aber auch in meine Funktion in der Wirtschaft als Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens zurückversetze – für ein Unternehmen keinen wirklichen Unterschied, ob die Umsätze im Burgenland, in Wien und in Wien vielleicht im 1. oder 2. Bezirk gemacht werden; da rede ich noch gar nicht von den Konzernen.

Als Arbeitnehmer, als quasi Lohnsteuerzahler, schaffe ich es zu meinem Wohn­sitzfinanzamt nicht, weil mein Dienstort eben woanders ist als mein Wohnsitz und damit mein Wohnsitzfinanzamt. Und dass sich Steuerbetrüger nicht an Bezirksgrenzen halten, ich glaube, darüber werden wir wohl alle einer Meinung sein.

Daher bin ich – und da spreche ich wirklich aus der Überzeugung, weil dieses Konzept nicht nur mein Konzept ist, sondern es ist ein Konzept, das aus der Verwaltung in den letzten Jahren gewachsen, entstanden ist und auch, glaube ich, bei allem Widerstand gegen jede Art von Veränderung wirklich auch von der gesamten österreichischen Steuer- und Zollverwaltung mitgetragen wird. Mit diesem Konzept für eine Reorga­nisation haben wir – rechtzeitig noch, bevor das Moment des Handelns weg ist und wir nur mehr im Reagieren sind – jetzt noch die Möglichkeit, die österreichische Finanz­verwaltung fit für die Zukunft zu machen.

Das bedeutet für unsere Kolleginnen und Kollegen in den Dienststellen draußen eine gleichmäßige und damit auch gerechte Arbeitsverteilung, das bedeutet qualitativ hoch­wertige Ausbildungs- und auch Entwicklungsmöglichkeiten, auch mit der Möglichkeit zur Spezialisierung – wir sind ja auch auf der anderen Seite, in der Wirtschaft, mit einer immer stärker zunehmenden Spezialisierung konfrontiert –, das bedeutet aber auch für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schnellere Erledigungszeiten, wenn es um ihre Arbeitnehmerveranlagung, um ihre Familienbeihilfe geht.

Sie haben erwähnt: Ja dann weiß ich nicht mehr, wer mein Bearbeiter ist! – Sie dürfen nicht vergessen: Es gibt mittlerweile 5,3 Millionen ArbeitnehmerInnenveranlagungen in Österreich. Als ich – in einem südburgenländischen Finanzamt – in der Finanzver­waltung begonnen habe, waren es knapp über eine Million. Das heißt, wir schaffen diese Mengen ganz einfach nicht mehr, um nur ein plakatives Beispiel zu nennen. Das Zweite ist, dass sich die Zahl der Telefonanrufe – mittlerweile sind wir bei über fünf Millionen – allein in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt hat. Das heißt, wir müssen mit diesen Herausforderungen umgehen, und wir glauben – ich werde es noch im Detail erläutern –, dass dieses Gesetz die Rahmenbedingungen, die Möglichkeiten dafür schafft. Dass dann noch etwas passieren muss, um das Gesetz auch mit seiner Zielsetzung auf den Boden zu bringen, das ist allen bewusst.

Die Unternehmen – ich habe die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ich habe die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer erwähnt – erhalten damit ebenfalls klare Ansprech­partner, aber durch diese quasi österreichweite Flexibilität und durch erweiterte Ser­viceangebote auch schnellere Rechtssicherheit bei Auskünften und Ähnlichem.

Die Eckpunkte – sie wurden schon genannt – kann ich kurz zusammenfassen: ein Finanzamt Österreich – anstelle von bisher 40 Finanzämtern – mit einer durchgängig digitalisierten ArbeitnehmerInnenveranlagung. Sie wissen, wir haben mittlerweile fast eine Million ArbeitnehmerInnenveranlagungen, bei denen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einfach ein Schreiben erhalten mit den Fragen: Passt diese Gutschrift für Sie? – dann ist das Thema erledigt –, und: Wollen Sie noch Freibeträge geltend machen? – dann gibt es diese Möglichkeit. Es erfolgt dann relativ rasch auch die ent­sprechende Auszahlung des Guthabens. Das heißt, das ist ein Weg, den wir kon­sequent wirklich auch aus der Verwaltung heraus entwickelt haben – und ich bin froh, dass das Parlament das aufgegriffen und eben auch in verschiedenen Etappen beschlossen hat –, das ist der Weg – ich habe jetzt auch kein deutsches Wort dafür –, mit One-Stop- oder, in diesem Fall, No-Stop-Shop-Lösungen Serviceleistungen anzu­bieten.

Ich kann mich noch erinnern, bei der Familienbeihilfe für meine Kinder – da ist man eh stolz und macht das vielleicht gerne – war es noch so, dass man zum Finanzamt und aufs Magistrat und zur Sozialversicherung gehen musste. Auch das ist mittlerweile ein vollständig durchdigitalisierter Prozess, bei dem man im Spital einmal seine Personalia bekannt gibt und das dann automatisch auf digitalem Weg zur Familienbeihilfe führt, ohne dass man dafür noch als Bittsteller irgendwo auf ein Amt gehen muss.

Das ist dieser Weg. Er funktioniert nur mit einem Finanzamt, in diesem Fall eben dem Finanzamt Österreich. Dieses Finanzamt Österreich wird aber eine ganz banale Auswirkung auch in folgendem Zusammenhang haben: Sie müssen derzeit immer, wenn Sie von A nach B übersiedeln oder Ihren Sitz als Unternehmen verlegen, Ihre Aktenabtretung durchführen, kriegen eine neue Steuernummer, müssen das in Ihren Unterlagen ändern, müssen die Kontonummer ändern. Das sind eigentlich Dinge, bei denen die Unternehmen sich mit sich selbst beschäftigen, oder eben mit der Finanz, und wir in der Finanz uns mit uns selber beschäftigen, nur weil jemand vom 1. in den 2. Bezirk oder meinetwegen auch von Vorarlberg ins Burgenland gezogen ist.

Für das Finanzamt für Großbetriebe – Großbetriebe haben spezielle Anforderungen, sind tendenziell auch international tätig – braucht es Spezialisierung, aber diese Spe­zialisierung wird auch keine Zentralisierung sein, sondern die Zusammenführung von Prüfungs- und Abgabenbehörde, sodass wir mit sehr schnellen Auskünften – und nicht mit zwei Stellen, die sich abstimmen müssen – diese Rechtssicherheit gewähren kön­nen.

Das Zollamt Österreich – anstelle der bisherigen neun Zollämter –: Ich weiß nicht, ob Sie das wissen, aber man kann als Unternehmen an jedem Standort, in jedem Zollamt – nicht nur in Österreich, sondern in der Europäischen Union – verzollen. Wir stehen da einfach auch im Wettbewerb. Da hat es nicht mehr die Logik: Zollamt Graz oder Zollamt Feldkirch, sondern da stehen wir als Österreich im Wettbewerb – und ich glaube, wir sind ein guter Standort für Zollabfertigung, was übrigens auch Arbeitsplätze bringt.

Wir haben auch – das betrifft eine der Maßnahmen, die vorhin auch, ich glaube ein­stimmig, beschlossen wurden – Herausforderungen zu bewältigen, wie jene, dass wir zu den bestehenden vier Millionen Zollabfertigungen jetzt mit diesen Kleinwertsen­dun­gen – 22-Euro-Sendungen – acht Millionen dazubekommen. Wenn Sie sagen, wir krie­gen, ich weiß nicht, 3 000 Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter dazu, dann freue ich mich, sobald ich wieder in meiner alten Funktion bin, aber ich bin mir nicht sicher, wie das dann meine Nachfolgerin, mein Nachfolger auch budgetär bewerkstelligen wird.

Was das Amt für Betrugsbekämpfung betrifft, so denke ich – aber diesbezüglich habe ich auch durchaus Konsens gesehen –, es braucht einfach – auch da gilt ja, wie gesagt, dass Betrüger keine Grenzen kennen, keine Bezirksgrenzen, nicht einmal nationale Grenzen – einen breiteren Ansatz, wo von der Ermittlung über die Prüfung bis hin auch zur Bestrafung – es kommt da die Finanzstrafbehörde, es gibt so etwas ja auch in der Finanzverwaltung – alles in eine Organisationseinheit integriert wird, damit wir ganz einfach den Steuerbetrug wirkungsvoller bekämpfen können und damit aber auch faire Wettbewerbsbedingungen schaffen. Der Prüfdienst für lohnabhängige Abgaben und Beiträge ist ja nicht Bestandteil dieses Gesetzes – das tritt übrigens auch schon mit 1. Jänner in Kraft.

Erlauben Sie mir noch, weil ich wirklich auch um Ihre Zustimmung, wenn Sie so wollen, um Ihr Verständnis für diese Modernisierung werben möchte, einige Klarstellungen: Das ist keine Zentralisierung – wenn es eine wäre, dürfte ich nie wieder in meine Heimat im Südburgenland gehen, glauben Sie mir das!; das ist jetzt eine persönliche Anmerkung –, das ist die Möglichkeit zur Dezentralisierung. Was passiert denn?

Wir haben auch ein gesellschaftliches Phänomen, das Urbanisierung heißt – alle zie­hen in Richtung der Ballungszentren. Damit ist dort der Standort, wo die Unternehmen zu veranlagen, zu prüfen sind, wo die Familienbeihilfe abzuwickeln ist, wo die Arbeit­nehmerveranlagung durchzuführen ist. Das heißt, wenn wir nichts tun, dann haben wir das Problem, dass durch diese Urbanisierung wirklich alles schön langsam – als Folge, unabsichtlich – zentralisiert wird.

Wir haben aber gleichzeitig die Herausforderung, dass wir aufgrund unserer Demo­grafie – ich habe sie ja als Herausforderung auch beschrieben: wir halbieren uns in den nächsten zehn Jahren ungefähr, was den Mitarbeiterstand in der Finanzverwaltung betrifft – in Wien dann wahrscheinlich überhaupt nicht genug geeignete Arbeitskräfte finden werden. Das heißt, dieses Konzept ist die Möglichkeit einer Dezentralisierung. Es ist aber nicht nur die Möglichkeit, sondern Sie können auf unserer Homepage sehen, was wir derzeit gerade an ausgeschriebenen Stellen haben und was Teil dieses Konzeptes ist, das wir in jedem Fall auch umsetzen wollen, nämlich Arbeit zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verlagern.

Ich nenne jetzt nur zwei Beispiele von vielen, nämlich die sogenannten Finanz­ser­vicecenter – das sind die, wo Sie dann quasi bei Telefon- und Mailanfragen landen, und zwar in Villach, in Krems, in Lienz und in Rohrbach – oder Competencecenter für Familienbeihilfe – in der Weststeiermark oder im Burgenland – oder für die Erstattung von Kapitalertragsteuer von Konzernen nach zwischenstaatlichen und national­recht­lichen Bestimmungen im Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart. All das sind entweder schon umgesetzte oder gerade in Aufbau befindliche oder geplante konkrete Maßnah­men, die dann aber den entsprechenden rechtlichen Rahmen brauchen und es uns dann erleichtern, dass wir dort diese Arbeit zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bringen. (Bundesrat Schennach: Bleibt Graz noch für die EU-Bürger?)

Ja, natürlich. Es war niemals in Diskussion, ob Graz für die EU-Bürgerinnen und –Bür­ger bestehen bleibt. Im Gegenteil! Wir werden dort – das ist zwar jetzt nicht unbedingt das flache Land, sondern auch eine Stadt – ein zusätzliches Team aufbauen, weil wir auch eine neue gesetzliche Bestimmung im Zusammenhang mit der Versandschwelle haben, wodurch einfach auch zusätzlicher Arbeitsaufwand in diesem Bereich anfallen wird. – Also ja, das wird in Graz bleiben.

Das heißt, wir wollen und können mit diesem Finanz-Organisationsreformgesetz auch eine Zukunft für die Steuer- und Zollverwaltung im ländlichen Raum schaffen. Ich bin auch wirklich überzeugt davon, denn – und da rede ich gar nicht davon, dass wir damit auch durchaus international zwar nicht ganz Vorreiter, aber einer jener Staaten sind, die in der Verwaltung einen sehr, sehr modernen Weg gehen – wir haben auch einen verfassungsrechtlichen Auftrag, nämlich jenen der Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. Ich glaube, mit diesem Konzept können wir diesen Auftrag genauso erfüllen, wie wir eine moderne und serviceorientierte Finanzverwaltung anbieten können. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

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