12.39

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Bundesratskollegen und -kolleginnen! Werte Zuhörer und Zuhörerinnen vor Ort und via Livestream! Auch wenn es heutzutage an­scheinend Usus ist, dass man eine Vorschau am Jahresende bringt, wie meine Vor­rednerin schon angemerkt hat, werden wir trotzdem zur Diskussion stellen, was der Plan war, aber auch darauf eingehen, was sich in der Umsetzung dieses Programms getan hat.

Wir diskutieren den Bericht in Auszügen, wie gesagt, einfach anhand der Umsetzungs­qualität. Vorab: Die sozialdemokratische Fraktion wird die vorliegende EU-Jahres­vor­schau zur Kenntnis nehmen.

Die vorliegende EU-Jahresvorschau 2019 des Bundesministers für Finanzen stellt in übersichtlicher Form die Hintergründe, den aktuellen Stand und die Position des BMF zu den gesetzten Schwerpunkten dar. Behandelte Inhalte sind unter anderem Förde­rung von Wachstum und Beschäftigung, Vollendung der Bankenunion, Errichtung einer Kapitalunion, Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion.

Das Kapitel 6 behandelt die Zusammenarbeit in Steuerfragen. Im Bereich der Reform des Mehrwertsteuersystems konnte im Ecofin-Rat in der Sitzung vom 8. November eine Einigung über zwei Reformen bestehender Mehrwertsteuervorschriften erzielt werden. Die erste Reform betrifft die Aufdeckung von Steuerbetrug bei der grenzüber­schreitenden elektronischen Geschäftsabwicklung, die zweite Reform betrifft die Mehr­wertsteuervorschriften für Kleinunternehmen.

Insgesamt ist aber hinsichtlich Steuergerechtigkeit fast nichts passiert, und dies, ob­wohl den reichsten 5 Prozent der Europäer und Europäerinnen fast die Hälfte des ge­samten privaten Vermögens gehört. Die Reichen profitieren von deregulierten Finanz­märkten, Steuerwettbewerb, Steuersümpfen und Privatisierungswellen. Multinationale Konzerne, aber auch wohlhabende Privatpersonen nutzen die Vorteile europäischer Wohlfahrtsstaaten, stehlen sich aber aus ihrer gesellschaftlichen Verantwortung.

Egal, ob Würstelstand oder Onlinekonzern, alle müssen ihren fairen Steuerbeitrag leis­ten. In Europa entgehen uns bis zu 1 000 Milliarden Euro jährlich an Steuereinnahmen durch Steuerbetrug und durch aggressive Steuertricks der Konzerne. Mit diesem Geld könnten entscheidende Zukunftsfragen der EU beantwortet werden, wobei gleichzeitig die Staaten genügend Mittel hätten, um die nationalen Herausforderungen in den Be­reichen Wohnen, Pflege und Bildung zu lösen.

In der Jahresvorschau findet sich die Finanztransaktionssteuer beim Arbeitsprogramm des Ecofin-Rates. Da der Vorschlag der Europäischen Kommission aufgrund unver­einbarer Positionen zwischen den Mitgliedstaaten bereits seit Längerem blockiert wurde, wurde beim Treffen im Dezember letzten Jahres beschlossen, dass das Modell der französischen FTT eingehend geprüft werden soll.

Auch dieses Modell ist bereits wieder vom Tisch, und seit Kurzem liegt ein deutsches Modell von Bundesminister Scholz vor. Herr Finanzminister Müller hat sich gestern – die „Salzburger Nachrichten“ haben darüber berichtet – in einem Brief an seinen deutschen Kollegen gewandt und den Vorschlag zu Recht kritisiert.

An dieser Stelle muss aber gesagt werden, dass es die vorangegangene Regierung und der ÖVP-Minister waren, die die Finanztransaktionssteuer endgültig zu Grabe ge­tragen und in dem Bereich nichts weitergebracht haben. Wir brauchen eine Finanz­transaktionssteuer, damit der Finanzsektor an den Kosten der von ihm verursachten Krise finanziell beteiligt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Es kann nicht sein, dass die SteuerzahlerInnen immer die Zeche zahlen. Wir fordern den Finanzminister daher auf, sich weiterhin für eine Finanztransaktionssteuer einzu­setzen, die den Namen auch verdient und Aktien und Derivate umfasst.

Ein weiterer wesentlicher Baustein der Steuergerechtigkeit ist die länderspezifische Berichterstattung der Konzerne. Diese ist nicht öffentlich. Das heißt, wir wissen nicht, wo die großen Konzerne ihre Gewinne machen und wo sie ihre Steuern bezahlen. Es ist aber fair und jedem Mitgliedstaat gegenüber gerecht, wenn die Gewinne nicht in Steuersümpfe verschoben werden, damit dort keine Steuern gezahlt werden, sondern wenn sie in jenem Mitgliedstaat besteuert werden, in dem die Gewinne entstehen. Dazu brauchen wir Transparenz. Eine öffentliche länderspezifische Berichterstattung wäre sinnvoll. Um einen schädlichen Steuerwettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten zu vermeiden, braucht es effektive Mindeststeuersätze innerhalb der EU. Beides sind jahrelange Forderungen der SPÖ.

Jetzt noch zum Kapitel Zukunft der EU-Finanzen: Der Mehrjährige Finanzrahmen ist noch nicht fertig verhandelt. Der finnische Ratsvorsitz hat bislang eine Verhandlungs­box mit folgenden Eckpunkten vorgestellt: Mehrjähriger Finanzrahmen mit einem Gesamtvolumen in der Höhe von 1 226 Milliarden Euro. Im Vergleich dazu sieht die österreichische Position ein Gesamtvolumen von 1 149 Milliarden Euro vor. Da wären 77 Milliarden Euro an weiteren Kürzungen erforderlich. Der finnische Vorschlag ergibt einen durchschnittlichen jährlichen EU-Beitrag zwischen 4,2 Milliarden und 4,3 Milliar­den Euro. Sonderinstrumente sowie die Europäische Friedensfazilität könnten den österreichischen Beitrag darüber hinaus um bis zu circa 180 Millionen Euro erhöhen. Es sind keine expliziten Rabatte mehr vorgesehen, nur mehr Platzhalter für mögliche Beitragskorrekturen.

Tatsächliche Innovation findet mit Ausnahme der Zweckwidmung für den Klimaschutz im neuen Finanzrahmen nicht statt. Alle innovativen Vorschläge, etwa der, die EU stärker über eigene Steuern auf Finanztransaktionen oder CO2 zu finanzieren, wurden mittlerweile vom Rat gestrichen.

Die Diskussion über den Mehrjährigen Finanzrahmen ist so wieder an dem Punkt angelangt, wo nur die Frage nach dem Geben und Nehmen gestellt wird, anstatt die Sinnhaftigkeit der Ausgaben für die volkswirtschaftliche Entwicklung und Beschäftigung und Verteilungswirkung des Finanzrahmens zu hinterfragen.

Die SPÖ hat sich dafür eingesetzt, dass die nationalen Beiträge zum EU-Budget reduziert werden, indem ein größerer Beitrag von großen Konzernen und für Umwelt­verschmutzung durch eigene EU-Steuern verlangt wird.

Zum Abschluss: Bereits jetzt ist der Finanzrahmen eine verpasste Chance. Die EU sollte große Konzerne und Umweltverschmutzer stärker zur Kasse bitten, um mehr für Zukunftsinvestitionen in Infrastruktur, Klimaschutz und soziale Dienstleistungen zur Verfügung zu haben. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.48

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile es ihm.