9.37

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Fernsehbildschirmen und via Livestream! Da wir das sonst anders handhaben, wenn neue Bundesräte angelobt werden, möchte ich zuerst einmal alle, die neu oder auch wiedergewählt worden sind, von dieser Stelle namens der Freiheitlichen auf das Allerherzlichste bei uns im Bundesrat begrüßen.

Wir sind in einer sehr veränderten Situation, in einer schwierigen Situation, unser Leben hat sich radikal geändert. Vor zwei, drei Wochen konnten wir uns das in dieser Dimension noch gar nicht vorstellen: dass man nicht mehr reisen kann, dass man keine Veranstaltungen mehr abhalten kann und so weiter. Ich finde ja – das möchte ich voranstellen –, dass die Bundesregierung das bis jetzt ganz gut gehandhabt hat. Allerdings haben wir – und ein bisschen Kritik darf bei aller Ernsthaftigkeit und Sach­lichkeit beziehungsweise beim Bemühen um Sachlichkeit in der Diskussion schon erlaubt sein – schon vor Ende Februar darum gebeten, dass entsprechende Maßnah­men gesetzt werden.

Kollege Appé hat schon recht, wir werden erst im Nachhinein wissen, ob es zu früh oder zu spät war beziehungsweise was richtig und was falsch war. Das liegt in so einer schwierigen Situation, die ja auch für uns völlig neu ist, in der Natur der Sache. Das hatten wir ja in den vergangenen 70 Jahren nicht, weil man das Grippevirus – das wissen wir mittlerweile – ja nicht damit vergleichen kann.

Was ich schon kritisch anmerken muss, ist, dass wir noch sehr lange Flugzeuge aus Asien haben landen lassen, ohne, dass getestet worden ist. Das halte ich schon für problematisch.

Wir haben 100 000 Masken nach China geschickt und die eigenen Polizisten mit abge­laufenen Grippeschutzmasken versehen. Jetzt lese ich in der Zeitung, dass die Chine­sen an die Italiener Masken geschickt haben. – Ich sage, dass das schon sehr hinter­fragens­wert ist. Und auch eine Bitte für die Zukunft: Schaut man sich die Seite des Gesundheitsministeriums an und forscht nach, wie viele Intensivbetten es in Österreich eigentlich gibt, so kommt man zu dem Schluss, dass die Kapazität sehr schnell ausgelastet sein kann, sollte sich das Virus noch dramatischer verbreiten – was wir ja nicht hoffen, weil wir ja hoffen, dass die gesetzten Maßnahmen es eher eindämmen. Man kommt nicht einmal auf genaue Zahlen. Warum? – Weil das Gesundheitswesen sehr zersplittert ist. Bei aller Liebe zum Föderalismus ist das schon etwas – wir haben das in der Vergangenheit schon oft genug diskutiert –, bei dem eine zu große Zersplitterung stattfindet. Man müsste das Ganze zentraler zusammenfassen, um auch wirklich einen entsprechenden Überblick zu haben, bei dem auch die Zahlen verläss­lich sind.

Als ich mich gestern auf meine Rede vorbereitet habe, habe ich mir drei Mal gedacht, die Zettel kann ich schon wieder wegwerfen, weil sich ja stündlich etwas an den Informationen geändert hat – ein Teil davon betraf die Schulschließungen.

Ein Schulterschluss auch quer über die Parteigrenzen wird aber natürlich nur dann funktionieren können, wenn auch die Opposition informiert wird. Herr Bundeskanzler, da muss ich Ihnen – Sie waren es nicht persönlich – aber Folgendes mitgeben: Mein Kollege aus dem Unterrichtsausschuss hat mir erzählt, dass Bundesminister Faßmann dort war und er gefragt worden ist: Werden Schulschließungen stattfinden? Seine Antwort war: Weiß man noch nicht, wir überlegen noch, wir reden mit den Sozial­partnern und mit den Stakeholdern. – Da bin ich schon einmal der Meinung, wenn wir schon eine Krise haben, dann macht man das einfach, da muss man nicht erst mit den Sozialpartnern und den Stakeholdern reden. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Zweiten: Wenn 10 Minuten später in der „Kronen Zeitung“ steht, dass die Schulen geschlossen werden, dann ist man einfach verärgert, denn dann fühlt man sich als Oppositionspartei und als Abgeordneter nicht informiert. Da ist also, glaube ich, Verbesserungsbedarf vorhanden, dem hoffentlich auch nachgekommen wird. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Novak.)

Die Schulschließungen sind sinnvoll, ja, gleichzeitig aber auch problematisch, weil zwar die Betreuung dankenswerterweise stattfinden wird, das aber natürlich auch wie­der ein Risiko ist, weil man Kinder, vor allem die kleinen Kindergartenkinder, nicht auf Abstand halten kann. Daher müssen diese Betreuungspersonen besonders vorsichtig sein, sie müssen sich selber auch besonders schützen; das kann man ihnen gar nicht eindringlich genug sagen. Ich glaube schon, dass die Pädagogen die Ernsthaftigkeit der Situation erfassen, aber insgesamt werden wir es ja sehen. Je länger es dauert, desto schlampiger werden die Leute auch wieder werden. Unsere sogenannten mün­digen Bürger, von denen wir immer reden, sind dann nicht immer so mündig, wie wir glauben und wie wir auch hoffen. Man wird dann schnell fahrlässig und sagt: Mich betrifft das eh nicht, mich erwischt es eh nicht und ich muss mich nicht unbedingt daran halten. – Da müssen wir auch bei der Information mit aller Nachdrücklichkeit wirklich jeden darauf hinweisen, dass jeder Einzelne Verantwortung trägt und nicht nur die Allgemeinheit.

Die Wirtschaft trifft es jetzt natürlich mit voller Wucht. Wirtschaftsforscher sagen, es wird noch viel schlimmer werden als die Krise 2009, die ja noch gar nicht wirklich überstanden ist. Wir haben diese zwar ganz gut bewältigt, aber sie ist noch nicht ausgestanden; und schon rollt die nächste heran, die man nicht unterschätzen und auch nicht kleinzureden versuchen sollte. Wir hatten schon vorher eine Delle in der Wirtschaftsentwicklung, die sich jetzt natürlich rasant verstärken wird.

Das heißt, auch wir in Österreich werden vor allem die Klein- und Mittelbetriebe ent­sprechend unterstützen müssen. Ministerin Schramböck hat ja schon gesagt, dass das kommen wird, nur sage ich Ihnen, dass 100 Millionen Euro aber viel zu wenig sein werden. Das wird ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Wir werden da mindestens 1 Milliarde Euro in die Hand nehmen müssen, und das können und müssen wir stemmen, denn das Überleben der Betriebe zu sichern heißt auch, Arbeitsplätze zu sichern. Daher ist es ganz wesentlich, dass wir da raschest tätig werden. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Es wird dabei auch wichtig sein, Zahlungen zu stunden, Steuerleistungen zu stunden oder zu reduzieren, damit der Wirtschaft geholfen wird, damit nicht jeder dritte Betrieb zusperren muss. Das ist ganz wichtig. Auch für die Veranstalter wäre es wichtig, einen Entschädigungsfonds zu haben, damit diese die Absagen, die ja jetzt täglich zu Hunderten eintreffen, überstehen können. Das war ja auch in den Medien heute schon ein Thema und wir selber wissen, es sind mittlerweile auch Restaurants, Hotels, et cetera betroffen, nicht nur größere und mittlere Events. Das ist auch ein ganz wesentlicher Teil, dass wir denen unter die Arme greifen.

Zum Schluss noch ein Appell, wirklich auch an jeden Einzelnen, da ich immer wieder in der U-Bahn höre – ich fahre nach wie vor mit den Öffis, obwohl das ja auch schon schwierig ist (Bundesrat Schreuder: Radfahren!), die sind aber mittlerweile eh halb leer; heute in der Früh waren in der Straßenbahn, die ich immer benütze und die um die Zeit, zu der ich gefahren bin, normalerweise voll ist, gerade noch zehn Leute drinnen; ich bin aber ohnehin jemand, der viel lieber zu Fuß geht, wenn es irgendwie geht –, dass die Leute noch nicht dieses Wirgefühl haben: Da wird ungeniert gehustet, nicht einmal die Hand vorgehalten, geschweige denn ein Ellbogen, es wird durch die Gegend geniest. Da ist wirklich jeder Einzelne gefordert, mit Schnupfen, wenn es geht, kein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen oder entsprechend vorzugehen. Wir müs­sen auch auf die anderen Rücksicht nehmen, wir können nicht mehr so tun – wie das manche bis jetzt getan haben –, als ob wir allein auf der Welt wären und rundherum nichts ist. Wir wissen, dass es bei aller Disziplin, die die Bevölkerung hat, immer wieder Ausreißer gibt, die sich an gar nichts halten; an diese sei dieser Appell auch gerichtet.

Wir hoffen alle, dass diese Maßnahmen und weitere, die vielleicht noch getroffen wer­den müssen, auch wirklich helfen, die Verbreitung dieses Virus einzudämmen, damit wir möglichst bald unser normales Leben – das ja eh nie mehr, glaube ich, wieder so sein wird, wie es vorher war; es wird einiges davon hängen bleiben – wieder aufneh­men können. Wir werden dazu beitragen, wir werden alles, was getan werden muss, unter­stützen, in der Hoffnung, dass das auch alles hilft. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

9.47

Präsident Robert Seeber: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr dieses.