10.46

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der gegenständliche Beschluss des Nationalrates wird zu punktuellen Verbesserungen bei der Durchführung von Europä­ischen Bürgerinitiativen führen. Die Unterstützung und der Ausbau derart direktdemo­kratischer Entscheidungsmechanismen und -instrumente ist und war immer schon ein Herzensanliegen der freiheitlichen Fraktion, selbstverständlich werden wir daher auch diesem Antrag zustimmen.

Man muss die Sache aber schon auch in das politische System der Europäischen Union einordnen. Wo sind denn die Entscheidungsträger der EU wirklich demokratisch durch das Wahlvolk legitimiert? – Das Europäische Parlament ist es, keine Frage, aber die Kommission hat das Initiativmonopol, also die Möglichkeit, neue Rechtsetzung vor­zu­schlagen, und es lässt sich gegen den Willen des Europäischen Rates beziehungs­weise des Rates auf Ministerebene und gegen die Beamtenebene nichts bewirken. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu unserem österreichischen System.

Die Europäische Union jedenfalls ist derart undemokratisch, dass sie, wenn sie selbst eine Republik wäre, nicht einmal ihre eigenen Anforderungen für den Beitritt zur Euro­päischen Union erfüllen könnte. (Beifall bei der FPÖ.) Genau innerhalb dieses unde­mokratischen Gesamtsystems der Europäischen Union, das wir eben so vorgefunden haben, als Österreich beigetreten ist, gibt es nun das Instrument der Europäischen Bürgerinitiative, das in Wahrheit ein Placebo ist, weil es den Bürger einlädt, auf euro­päischer Ebene Millionen Unterschriften zu sammeln, um sodann eine Petition vorle­gen zu dürfen, die dann von der Europäischen Kommission behandelt wird. Die Kom­mission erklärt dann, wie es in der Vergangenheit immer der Fall war, dass sie das Anliegen nicht teile, und das Anliegen wird in der Schublade begraben.

Meine Damen und Herren, das kann nicht unser Anspruch sein! Wem die Partizipation der Bürger und des Wahlvolks wirklich ein Anliegen ist, wer sich zur Demokratie bekennt, der muss konsequenterweise auch wirksame Instrumente einer direkten De­mokratie bereitstellen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie Sie wissen und wie die Erfahrung zeigt, sind nur solche Instrumente wirksam, die es Bürgerinitiativen ermöglichen, über ihre eigenen Anliegen abstimmen zu lassen. Natürlich soll das nur bei einer entsprechend hohen Beteiligung gelten, es soll ja nicht jede kleinere Petition, für die man schnell einmal 10 000 Unterschriften sammelt, dazu führen, dass es ständig zu einer Volksabstimmung kommen muss; das fordert ja nie­mand. Sehr wohl soll es aber bei Überschreitung einer bestimmten Schwelle, bei einer sehr hohen Beteiligung möglich sein, dieses Anliegen gegen den Willen einer aktuellen parlamentarischen Mehrheit dem gesamten Wahlvolk zur Abstimmung vorzulegen, wobei das Ergebnis dieser Abstimmung dann natürlich auch Gesetzeskraft hat und verbindlich ist. – Meine Damen und Herren, die Schweiz zeigt vor, wie das praktisch möglich ist und wie das auch vorbildlich funktioniert.

Wirksame direktdemokratische Instrumente werden in diesem Hohen Haus jedoch alleine von der freiheitlichen Fraktion unterstützt, und das ist ja auch in Ordnung. Man kann ja auch der politischen Meinung sein, dass Eliten in der Entscheidungsfindung immer und in jeder Frage klüger sind als das Wahlvolk, dass es gar keine Weisheit der vielen gibt, dass es dem Wahlvolk nicht erlaubt werden darf, Entscheidungen gegen den Willen der Eliten herbeizuführen. Das ist ja in Ordnung, man kann diese Meinung haben, meine Damen und Herren. Es ist zulässig, auch im politischen Wettstreit, zu sagen: Wir misstrauen dem Wahlvolk, wir bekennen uns nur zur indirekten Demokratie, lehnen die direkte Demokratie ab! Das ist ja zulässig. Was ich aber schon kritisieren muss, meine Damen und Herren, das ist die Haltung der Österreichischen Volkspartei. Ich habe schon vor den Wahlen gesagt, es gibt derzeit im Parlament keine einzige Fraktion, in der Reden und Tun so weit auseinanderklaffen wie bei der ÖVP. (Beifall bei der FPÖ.) Jetzt, da die Grünen auch wieder im Bundesrat vertreten sind und da sie auch in die Regierung gekommen sind, streiten sie sich sozusagen um diesen Ehrenplatz, bei wem das mehr auseinanderklafft.

Allerdings bleibe ich dabei (in Richtung ÖVP): Sie sind immer noch die Fraktion, der diese Diskrepanz zwischen Reden und Tun am meisten vorzuwerfen ist. Sie haben in Ihrem Wahlprogramm nämlich gefordert, dass es bei Volksbefragungen, die von 10 Prozent des österreichischen Wahlvolkes unterstützt werden, zwingend zu einer Volksabstimmung kommen soll. Sie haben diese freiheitliche Forderung also in Ihr eigenes Wahlprogramm übernommen und dann auch im Rahmen der damaligen türkis-blauen Regierung 2017 im Regierungsprogramm festgeschrieben und verein­bart.

Im jetzigen Regierungsprogramm findet sich davon nichts mehr. Sie haben diese For­derung einfach stillschweigend fallen gelassen. Sie wollen davon nichts mehr wissen. Jetzt frage ich Sie schon, meine Damen und Herren von der Volkspartei: Sie wurden vom Wahlvolk bei den Wahlen 2019 mit einem überwältigenden Vertrauen ausge­stattet. Warum haben Sie jetzt in dieser Situation, in der Sie mit Ihrem Regie­rungskurs bestätigt wurden, diese zentrale Forderung, die in Ihrem eigenen Wahlpro­gramm ge­standen ist, still und heimlich fallen gelassen?

Sagen Sie einfach ehrlich, sagen Sie Ihren Wählern, dass Sie die direkte Demokratie in Wahrheit nicht wollen! Das ist ja auch in Ordnung, das habe ich ja gesagt. Man kann ja dieser Meinung sein. Oder wollen Sie jetzt wirklich behaupten, Sie hätten das ohnehin gefordert, aber in den Koalitionsverhandlungen hätten Sie sich nicht gegen die Grünen durchgesetzt? Wollen Sie das wirklich behaupten? (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

Es bleibt also dabei: Die einzige Fraktion, der direkte Demokratie wirklich ein Herzens­anliegen ist, ist und bleibt die freiheitliche Fraktion. Wir stimmen dem Antrag zu. (Beifall bei der FPÖ.)

10.51

Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile es ihm.