15.21

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundes­rat! Ich freue mich sehr, dass wir heute diese wichtige Maßnahme, nämlich den Schutz einer Risikogruppe von Betroffenen in Sachen Corona, miteinander diskutieren kön­nen.

Ich habe mir ein Zitat aus der Debatte aufgeschrieben, viele andere gemerkt, viele auch als sehr positiv empfunden, weil es, glaube ich, im Großen und Ganzen bislang eine sehr konstruktive Diskussion gewesen ist. Was ich mir aufgeschrieben habe, war der Satz: „Nichts davon ist eingetreten.“ – Ich habe irgendwie den Eindruck gehabt, dass es bedauerlich oder negativ ist, dass nichts davon eingetreten ist. Ich sage: Es ist Gott sei Dank nichts von alldem eingetreten! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wissen Sie: Wir haben auf diesem Planeten die schwerste Pandemie seit über 100 Jahren mit 3,5 Millionen Erkrankten – 3,5 Millionen belegten Erkrankten. Wir ha­ben mittlerweile 250 000 Todesfälle. (Bundesrat Steiner: Ja, auf der ganzen Welt! – Bundesrat Rösch: Obduziert!) – Ich rede von der ganzen Welt, so ist es, Herr Kollege. (Bundesrat Rösch: Die nur an Corona gestorben sind! Das wissen Sie nicht, Sie haben die Daten nicht!) – Ich weiß nicht: Habe ich Sie ausreden lassen? (Bundesrat Rösch: Ja, aber wenn das nicht richtig ist!) – Ich glaube, bei Ihnen war auch so manches nicht ganz verifizierbar (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), um es vor­sichtig zu formulieren, Herr Kollege. (Bundesrat Rösch: Haben Sie basisevidente Daten? – Ruf bei der ÖVP: Es gibt nicht nur eine Wahrheit!) – Wissen Sie, das mit dem Basisevidenten kann ich Ihnen dann nachher noch sehr gerne erzählen, aber lassen Sie mich jetzt einmal kurz Folgendes ausführen – das wäre sehr freundlich von Ihnen –:

Erster Punkt: 250 000 Todesfälle weltweit. Wieso man das verharmlost, verstehe ich ganz einfach nicht (Bundesrat Steiner: Wer macht denn das?), und dass man nicht stolz darauf ist, dass es bei uns nicht solche Dimensionen angenommen hat, verstehe ich persönlich auch nicht. (Bundesrätin Mühlwerth: Es geht um die Angstmache!) Alle Parteien waren eigentlich an der gemeinsamen Beschlussfassung beteiligt, und da müssten wir doch alle miteinander stolz auf dieses Land und die hier wohnenden Menschen sein, weil wir es geschafft haben, dass wir diese negative Entwicklung in Österreich nicht haben! Das wäre eigentlich aus meiner Sicht der Kern einer Diskussion. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Rösch: Auf die sind wir stolz!)

Ich kann es Ihnen kurz aufzählen, Todesfälle je 100 000 Einwohner bisher: Österreich sieben, Schweden 27, Schweiz 21, Vereinigtes Königreich 43, Spanien 55 – das ist jeweils das Vielfache! Das hat mit unterschiedlichen Dingen zu tun. Ich gebe Ihnen recht, ich glaube, Sie haben formuliert: das starke Gesundheitssystem in Österreich. – Ja, auf das können wir stolz sein, und das hat uns in dieser Situation extrem geholfen. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Deswegen sollten wir stolz auf die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sein, die das ge­leistet haben und tagtäglich leisten, und wir sollten auch darauf achten, dass wir dieses Gesundheitssystem auch in Zukunft nicht schwächen, dass wir es nicht privatisieren, sondern dass wir es als starkes Gesundheitssystem erhalten. – Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist, dass die Österreicherinnen und Österreicher großartig mitge­macht haben. Auch das ist fantastisch, das ist einmalig in Europa, wie sehr die hier lebenden Menschen sich bisher solidarisch bewegt haben. Das ist Zusammenhalt, das ist die beste Form von Solidarität, die man leben kann. Wir haben es in unserer Infor­mationskampagne formuliert: Schütze den anderen und schütze dich damit.

Wir sitzen in einem Boot, und diese Krise hat uns gezeigt, dass es eben nicht stimmt, was uns von manchen Regierenden in den vergangenen Jahren gesagt wurde, näm­lich dass es mir dann besser geht, wenn es dem anderen schlechter geht. Die Krise hat uns gezeigt: Es geht uns allen dann besser, wenn es auch dem anderen besser geht, Zusammenhalt ist das Wichtigste in unserer Gesellschaft. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

Dritter Punkt: Wissen Sie, jetzt kann man darüber reden, was die Hintergründe sind, was Experten-Know-how ist. Wir haben in Österreich einen Expertenstab, der wirklich hervorragend besetzt ist. (Bundesrat Steiner: Mit wem ist er besetzt? Sagen Sie es einmal! Bis heute wissen wir nicht ...!) – Na ja, ich rate Ihnen, schauen Sie ganz einfach einmal auf die Homepage des Gesundheitsministeriums, da steht alles drauf. Sie können das einfach studieren und nachlesen und dann werden Sie wissen, dass das 17 hervorragende Topexperten sind. (Bundesrat Steiner: Er kennt seine eigenen Experten nicht!)

Das Zweite ist, wir haben einen hervorragenden Rechtsbeirat. Wir werden heute bei einem Tagesordnungspunkt noch darauf kommen: der ehemalige Justizminister, Pro­fes­sor Heinz Mayer, viele andere, die Kapazunder in dem Bereich der Rechtsstaat­lichkeit und des Verfassungsschutzes. (Bundesrat Steiner: Ist eh gescheiter!)

Wir haben drittens einen Krisenstab im Haus mit 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Gesundheitsministeriums, die ebenfalls hervorragende Arbeit leisten.

Alles zusammen hat dazu geführt, dass wir die richtigen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt gesetzt haben und dass die Bürger und Bürgerinnen großartig mitgemacht haben. Darauf sollten wir stolz sein, das ist aber erst die erste Hälfte dessen, was zu tun ist, denn jetzt wird es mit der schrittweisen Öffnung noch viel schwieriger. Da müssen wir vorsichtig sein, da dürfen wir keine Relativierungen vornehmen, sondern jetzt, in den nächsten Wochen kommt die entscheidende Phase. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so schaut die Kurvenentwicklung der letzten Wochen aus. (Der Redner hält ein Blatt Papier in die Höhe, auf dem ein Kurven­dia­gramm zu sehen ist.) Schauen Sie sich das mit mir an! So ist es im März gelaufen: Wir haben von Tag zu Tag Steigerungen in der Größenordnung von 30 bis 54 Prozent gehabt. Überlegen Sie sich, was das bedeuten würde, wenn diese Kurve so weiter­gegangen wäre! – Wir hätten bis zum heutigen Tag weit über zwei Millionen Erkrankte. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Es ist uns allen miteinander gelungen, dass wir diese Kurve brechen, dass wir sie drücken. Wir haben es geschafft, dass die Steigerungsrate am heutigen Tag bei 0,15 Prozent liegt. Das ist ein Erfolg für uns alle und von uns allen, nicht von einer Regierung oder einer Opposition, sondern von uns allen, die das so beschlossen haben und die dazu beigetragen haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Rösch.)

Der letzte Punkt ist die Frage der Risikogruppen. Es ist tatsächlich so, wie die Kollegen von der SPÖ es auch kommuniziert haben: Natürlich ist das Neuland, und natürlich haben wir die Abgrenzungen erst finden müssen. Ja, das hat gedauert, das hat drei, vier Wochen gedauert – aus meiner Sicht drei, vier Wochen zu lang, ich hätte es mir schneller gewünscht, aber es ist dennoch gelungen. Ich bin froh darüber, dass die Sozialpartner mit dabei waren und mitgemacht haben. Ich glaube überhaupt, dass wir wieder viel stärker zu diesem Grundprinzip der gemeinsamen Arbeit zurückkommen sollten. Es zeigt sich auch gerade in der Krise (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), dass es in eine richtige Richtung geht, dass man die Dinge auf breitester Ebene aufstellt und die Sozialpartner miteinbezieht.

Ja, es ist ein Punkt dabei, bei dem es tatsächlich eine Lücke gibt, das gestehe ich auch, und das ist die Frage der Angehörigen. Da hätte ich mir eine bessere Lösung gewünscht, das haben wir nicht geschafft. Ich möchte mich da nicht drüberturnen und das Gegenteil behaupten. Ja, das ist eine Lücke.

Wir werden versuchen, sie zum Teil dadurch zu schließen, dass wir Empfehlungen, Informationen an die Betroffenen geben. Es wird allerdings eine Gruppe geben, die die baulichen Möglichkeiten im Rahmen ihrer Wohnung nicht hat. Man braucht zum Bei­spiel eine zweite Sanitäranlage. Du brauchst eine Möglichkeit, dass du einen eigenen Wohnraum für den akut betroffenen Angehörigen realisierst. Das gibt es zum Teil nicht, und das ist eine Schwäche in dieser Regelung, das sehe ich auch so.

Aber, Herr Kollege, weil Sie gesagt haben, der Berg hat gekreißt und rausgekommen ist eine Maus: Auf eine Maus, die 90 000 Menschen schützt, bin ich stolz! Das sind gute Mäuse! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.29