23.21

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Liebe Kollegen im Bundesrat! Liebe Nachtschwärmer, die Sie uns um diese Uhrzeit noch via Livestream zuschauen! (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Jetzt reicht’s! Allianz gegen Corona­wahn­sinn.at“ auf das Rednerpult.) Meine Rede muss ich ein bisschen ändern, und zwar in Anbetracht dessen, dass Herr Bundesrat Bader heute ein bisschen wehleidig auf Kollegen Steiner reagiert hat. Außerdem hat es vor vier Tagen eine Presseaussendung gegeben, die genau dazu passt, also habe ich mir gedacht, ich muss den Anfang ein bisschen ändern.

Ich möchte Ihnen etwas vorlesen. Frau Kollegin Zwazl – sie ist jetzt nicht im Saal, aber sie betrifft es –, das ist eine Definition beziehungsweise steht das so auf einer Seite: „Auch das Bild des Eisengitters, das bei Verbrennung für die Trennung von groben Verbrennungsrückständen und Asche dient, ist bereits seit dem Mittelalter im Umlauf, um eine Benachteiligung oder Nicht-Berücksichtigung auszudrücken. Nach dem Holo­caust bekam diese Redewendung jedoch eine neue Bedeutungsdimension und soll laut dem Leitfaden für einen nicht-diskriminierenden Sprachgebrauch des öster­reichi­schen Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit nicht mehr verwendet werden.“

Es geht um den Ausdruck oder die Redewendung „durch den Rost fallen“, die Sie heute zweimal beim Tagesordnungspunkt 4 verwendet haben. Glauben Sie mir, es ist mir zuwider, die linke Sprachpolizei hier herinnen zu spielen, ich möchte vielmehr darauf hinweisen, dass so etwas nicht unbedingt aus böser Absicht, sondern auch aus Unachtsamkeit oder weil man es einfach nicht besser weiß, passieren kann.

Trotzdem möchte ich ganz kurz die Aussendung der ÖVP von vor vier Tagen nehmen und tausche nur den Namen Kickl gegen Zwazl aus: Dass Zwazl eine solche Rede­wendung, die für so viel Leid und Terror steht, in ihrem Sprachgebrauch hat, ist erschütternd und völlig inakzeptabel, äußerte sich die stellvertretende ÖVP-General­sekretärin Gaby Schwarz in einer Aussendung. – Ende des hypothetischen Zitats.

Gegangen ist es um das Wort Rollkommando. Das Rollkommando wurde übrigens auch schon vor einiger Zeit in einem Antrag in Wien von der ÖVP verwendet, nur so nebenbei. Und nein, Frau Bundesrätin Zwazl, ich unterstelle Ihnen gar nichts, weil ich weiß, Sie haben damit genauso wenig zu tun wie wir alle, aber eines will ich schon aufzeigen: Denken Sie in Zukunft nach, bevor Sie mit erhobenem Zeigefinger hier solche Schimpftiraden über Nazisprech oder Sonstiges loslassen! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.)

Zuerst zu Tagesordnungspunkt 15: Da geht es um die verbrauchsabhängige Abrech­nung von Heiz- und Warmwasserkosten. Viele, die in einer Wohnung leben oder schon einmal gelebt haben, kennen das wahrscheinlich: Wenn sie eine Hauszentralheizung haben, dann kommt einmal im Jahr jemand vorbei, der abliest, dafür gibt es sogar eine gesetzliche Verpflichtung.

Natürlich verstehen wird die Ängste und Sorgen der Bevölkerung, wenn jetzt in dieser Phase fremde Personen von Wohnhaus zu Wohnhaus oder von Wohnung zu Woh­nung spazieren sollen und vielleicht diesen Virus weitertragen könnten, denn immerhin hat diese Regierung keine Gelegenheit ausgelassen, um alle Österreicher in Angst und Unruhe zu versetzen. Deshalb werden wir da auch keinen Einspruch erheben.

Einen Kritikpunkt zu diesem Tagesordnungspunkt haben wir allerdings, und zwar angesichts der Tatsache, dass sich hier zwei Unternehmen diesen Markt größtenteils aufteilen, dass man nicht den Weg geht, die Österreicher zu entlasten, indem man ihnen nämlich dieses Mal die Zahlung der Ablesegebühr erspart. Unsere Landsleute müssen unter dieser von der ÖVP herbeigeführten Krise schon genug leiden. Es kann nämlich nicht sein, meine Damen und Herren, dass Leistungen, die gar nicht erbracht werden, dann vielleicht auch noch verrechnet werden. Ich denke, Herr Bundesrat Novak wird dann in seiner Rede genauer darauf eingehen, was ich damit meine. Wir erheben, wie gesagt, keinen Einspruch, aber es gibt hier noch durchaus viel zu tun, womit man unsere Landsleute finanziell entlasten könnte.

Zu Tagesordnungspunkt 14: Hier werden wir sehr wohl Einspruch erheben. Einige Punkte halten wir für durchaus sinnvoll, aber wenn es darum geht, dass die Rechte einzelner Personen beschnitten werden, meine Damen und Herren, auch wenn es sich zum Beispiel um einen Untersuchungshäftling handelt, geht uns das einfach zu weit.

Wir kennen das ja inzwischen von der ÖVP: Die pfeifen sich nicht viel um Gesetze, kurz gesagt, auch nicht um etwaige Verfassungskonformität von Gesetzen. Uns ist das aber sehr wohl wichtig.

Auch Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention, dieser beinhaltet ja unter anderem auch das „Recht auf ein faires Verfahren“, auf Unmittelbarkeit. Dieses Prinzip der Unmittelbarkeit ist sehr wichtig, denn in einem Verfahren sollen alle Beteiligten die Chance haben – vom Richter bis zu den Geschworenen, Schöffen, wer bei solch einem Verfahren halt dabei sein kann, bis natürlich auch zur Rechtsvertretung –, direkt zu agieren, aber auch zu reagieren und hier einen ungefilterten Eindruck von Mimik und Gestik zu gewinnen.

Das geht dann so weit, dass man im Strafrecht – mit Ausnahme von ganz besonders gefährlichen Straftätern – auch die Handfesseln im Gerichtssaal abnehmen muss, damit eben der Beschuldigte entsprechend gestikulieren kann. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass viele von der ÖVP das mit den Masken hier so zelebrieren. Kurz gesagt, vielleicht will die ÖVP da etwas verbergen, und die Mimik könnte sie ja verraten. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

Die Möglichkeit, Verfahren generell über Video abzuwickeln, kann im Zivilrecht, wie wir bereits gehört haben, durchaus sinnvoll sein. Allerdings besteht auch da die Gefahr, dass aus taktischen Gründen eine Partei eben nicht zustimmt und dadurch die Ver­handlung bis zum nächsten Jahr verzögert, um sich dadurch irgendeinen Vorteil zu verschaffen.

Abgesehen davon sage ich Ihnen ganz ehrlich: Ich hoffe doch, dass möglichst rasch wieder alles seinen halbwegs normalen Gang gehen wird. Somit sehen wir das eher als Sparmaßnahme in der Justiz denn als Maßnahme aus Gründen des Gesund­heits­schutzes, denn, seien wir ehrlich, in den allermeisten Gerichtssälen ist genug Platz.

Natürlich haben die Covid-19-Maßnahmen bei Verfahren einen Rückstau an Verhand­lungen produziert, aber wir haben ja gesagt und es wurde auch heute schon mehrmals von unserer Seite betont: Der Shutdown, der Lockdown, wie auch immer das genannt wird, war das richtige Mittel. Das Problem ist, dass es diese Regierung ganz einfach verschlafen hat. Leider ist es erst mit wochenlanger Verspätung gekommen, wahr­scheinlich weil ein Zuruf aus Israel stattgefunden hat, so wie Herr Kurz es ja selbst in einem Interview gesagt hat.

Dass die jetzige Entwicklung eine sehr positive ist, darüber freuen wir uns alle, aber, meine Damen und Herren von der Regierungsbank, Sie verschlafen es schon wieder. Es ist schon lange an der Zeit, die Maßnahmen zurückzunehmen, dass die Regierung endlich wieder alles nach oben fährt. Vielleicht wartet Kurz ja wieder auf einen Anruf aus Israel, ich weiß es nicht.

Zurück zum Rückstau bei den Verfahren: Es gab ja auch vorher schon einen gewissen Rückstau an Verhandlungen. Warum? – Weil unsere staatserhaltenden Einrichtungen die letzten Jahrzehnte personell wie auch materiell in Wahrheit zu Tode gespart wurden, und dazu zählen leider auch die Justiz und die Justizwache.

Ich denke, wir alle hier wissen, wer die Hauptverantwortung für dieses Zu-Tode-Sparen trägt, denn es gibt nur eine einzige Partei, die durchgehend in Regierungs­verantwor­tung war, die seit 2008 die Justizminister gestellt hat und noch viel länger jene Minister, die in Wahrheit die Hauptverantwortung für das Zu-Tode-Sparen des Staatsapparates tragen, nämlich die Finanzminister, allesamt von der ÖVP – und da kann ich nur sagen, meine Damen und Herren: Schämen Sie sich, liebe ÖVP! Das ist einzig und allein Ihr Versagen, und ich hoffe, es war nur Versagen und nicht mit Vorsatz. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich will die heutige Sitzung auch als Gelegenheit nutzen, ein paar Worte zur Arbeit meiner Kollegen in den Justizanstalten zu sagen. Dort haben nämlich alle Mitarbeiter in den vergangenen Wochen unter schwierigsten Bedingungen gearbeitet, noch schwie­riger als sie sonst schon sind. Und ja, sie waren es, die die Insassen dazu gebracht haben, eben auch alle Maßnahmen mitzutragen. Liebe Kollegen, ich bedanke mich für euren Einsatz und ich bedanke mich für eure Leistung! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Ich weiß, von meinem Dank habt ihr nicht viel, aber es geht letztendlich um die Wert­schätzung – wir wissen, was ihr leistet. Gerade darum sehe ich es auch ehrlich gesagt immer kritisch, wenn sich die ÖVP hierher ans Rednerpult stellt und zu verschiedenen Berufsgruppen Danke sagt, insbesondere eben auch zur Justizwache, denn die ÖVP hat es ja in der Hand. Die ÖVP könnte den Personalmangel abstellen, der nicht nur ein Personalmangel ist, sondern gleichzeitig auch einen massiven Sicherheitsmangel in erster Linie für die Kollegenschaft darstellt, aber die ÖVP tut es einfach nicht. Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, stellen sich dann mit Krokodilstränen ans Rednerpult und sagen: Danke, was ihr nicht alles Tolles leistet! Ihr wisst ganz genau, wie es in den Justizanstalten zugeht, denn auch ihr habt da Verbindungen hinein, aber ihr macht nichts dagegen.

Meine Damen und Herren, das ist ein Fakedanke, und man muss es schon als Fakedanke bezeichnen, denn die Exekutivbeamten müssen hinnehmen, dass sie jetzt im Pensionssystem die größten Verlierer sind. Das ist auch vor wenigen Tagen auf­getaucht – also bekannt ist es schon länger, aber jetzt ist es natürlich aktuell –, durch den Entfall der Durchrechnungsdeckelung bei der Exekutive sind diejenigen, die jahrelang Überstunden geleistet und dafür natürlich auch Pensionsbeiträge bezahlt haben, die größten Verlierer in der Pension, weil diese Deckelung der Durchrech­nungs­verluste bereits im Jahr 1997 eingeführt wurde – unter SPÖ und ÖVP be­schlos­sen –, eben um die damals nicht absehbaren Verluste einzugrenzen. Gleichzeitig wurde damals aber auch festgelegt, dass dieser Deckel im Jahr 2020 für alle ab dem Jahr 1959 geborenen Kollegen entfällt. Da reden wir von monatlich bis zu 300, 400 Euro, die die Kollegen in der Pension verlieren. Um diese Ungerechtigkeit zu reparieren, hat die FPÖ voriges Jahr bereits im September einen Antrag eingebracht, und dieser Antrag wurde ganz einfach im Verfassungsausschuss von der ÖVP schub­ladiert. Die Justizwachebeamten stehen dabei sogar noch schlechter da als ihre schon schlecht gestellten Kollegen von der Polizei, denn die Justizwachebeamten haben nicht einmal die Möglichkeit einer Schwerarbeiterregelung.

Darum, liebe ÖVP, sage ich Ihnen eines: Sparen Sie sich ihr geheucheltes Fakedanke, auch in vielen anderen Bereichen! Seien Sie einmal ehrlich und reparieren Sie diese Ungerechtigkeiten. (Beifall bei der FPÖ.)

23.33

Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr.in Doris Berger-Grabner. Ich erteile ihr dieses.