14.19

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Werte Frau Präsidentin, auch von mir Glückwunsch zu Ihrer Präsidentschaft, die gestern begonnen hat! Werter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen und vor allem auch liebe Zu­hörerInnen zu Hause! In der Sondersitzung vorige Woche haben wir in diesem Haus das Kommunalinvestitionspaket 2020 breit diskutiert, auch beschlossen und auf die vor allem durch die Coronakrise ausgelöste prekäre finanzielle Situation der Gemeinden und Städte hingewiesen. Wir haben im Zuge dieser Diskussion auch auf die Schwachpunkte Ihres Regierungskonzeptes hingewiesen und diese Schwachpunkte auch aufgezeigt. In unserer Kritik sehen wir uns inhaltlich von Experten bestätigt, unter anderem auch von höchsten Repräsentanten des Gemeindebundes als Interessenvertretung der Gemein­den. Die Präsidenten Riedl und Hingsamer schlagen in dieselbe Kerbe wie wir.

Kurzum, das Kommunalinvestitionsgesetz greift zu kurz, ist vom Umfang her zu klein und wäre eigentlich erst der zweite oder dritte Schritt, wenn man den Gemeinden und Städten den Einnahmenentfall abgegolten hat. Es fehlt also mindestens eine zweite Mil­liar­de für die Gemeinden, um die öffentlichen Leistungen – und die sind sehr vielfältig – nachhaltig absichern zu können.

Wir haben in den letzten Wochen und Tagen auch einen Gegenvorschlag gemacht. Übri­gens, dieser Vorschlag liegt noch immer auf dem Tisch. Wir laden Sie alle ein: Schnüren wir doch gemeinsam ein echtes Hilfspaket für unsere Gemeinden! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ofner.) Unser SPÖ-Modell sieht eine Direktzahlung an die Gemeinden vor, mit Auszahlung noch im August 2020. Dieses Modell ist unbürokratisch, es hilft den Gemeinden in dieser schwierigen Situation sehr schnell.

Was ist bis jetzt passiert? – Wir haben zwei Modelle diskutiert, von denen sich das der Regierenden durchgesetzt hat. Das ist Demokratie und gelebte parlamentarische Gesetzwerdung, das akzeptieren wir auch. Das heißt aber nicht, dass wir uns gleichzeitig sachpolitisch damit abfinden und in dieser Frage stillhalten müssen. Wir werden uns aufgrund unserer Überzeugung weiterhin für die finanzielle Absicherung der Gemeinden und für unseren unmittelbaren Lebensraum starkmachen und natürlich um Verbes­serungen kämpfen. Wir werden bei jeder Gelegenheit mit den Menschen in den Gemein­den reden, sie über die Situation aufklären und den Wettbewerb der besten Ideen mit Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von Türkis-Grün, täglich neu leben. Wenn der Druck in der Öffentlichkeit steigt – und glauben Sie mir, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, das wird er –, werden Sie letztendlich umdenken und auch aktiv werden müs­sen.

Weil es in dieser so wichtigen Thematik offene Fragen ohne Ende und nach wie vor berechtigte Sorgen gibt, wollten wir in einer schriftlichen Anfrage vom 30. April und in einer Dringlichen Anfrage vom 24. Juni – das war vorige Woche – an Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, konkrete Antworten für 2 095 Gemeinden erhalten. Was aber haben wir in Ihrer schriftlichen Beantwortung gelesen und in Ihrer mündlichen Beantwor­tung gehört? – Leider wenig bis gar nichts sowie zum Teil Antworten auf Fragen, die wir überhaupt nicht gestellt haben. (Bundesrat Schennach: Unerhört! – Heiterkeit des Bun­desrates Pisec.)

Wir hören von Ihnen Woche für Woche immer die gleichen Reden, man könnte auch sagen: Ausreden. Anhand der Protokolle lässt sich sehr gut nachvollziehen, dass egal, was wir von Ihnen wissen wollen, Sie immer dasselbe von sich geben: stereotype Floskeln ohne Inhalte. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ofner.)

Dafür kann es nur zwei Erklärungen geben: Entweder Sie können nicht oder Sie wollen nicht, Herr Bundesminister! (Bundesrat Schennach: Oder vergessen!) Wer aber bitte führt in dieser schwierigen Phase das Land? Wenn Sie nicht bereit sind, uns zu sagen, wohin sich die Finanzen der Gemeinden entwickeln und vor allem, was Sie dagegen tun werden, so kann das ja nur auf Ihre Unsicherheit, Ihre fehlende Expertise oder Ihr Desinteresse zurückzuführen sein.

Wir wollen endlich aktuelle Zahlen hören, und wenn Sie, sehr geehrter Herr Finanz­minister, zum wiederholten Male uns hier im Bundesrat negieren, so sind Sie zumindest den über 2 000 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, den vielen Gemeinderätinnen und Gemeinderäten und den Menschen, die in den Gemeinden wohnen, verpflichtet. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister, Sie haben alle Zahlen, die Sie brauchen, Sie wollen aber in dieser un­sicheren Zeit, wie Sie angekündigt haben, erst im Herbst eine neue Steuerabschätzung machen. Das ist nicht nur unseriös und unprofessionell, sondern obendrein auch grob fahrlässig. Ihnen sind die Steuerstundungen bekannt, Sie kennen auch die Zahlen der Steuerherabsetzungen – all das wissen Sie, all diese Zahlen kennen Sie, Sie können uns aber keine aktuellen Berechnungen vorlegen! Das kann es doch nicht sein!

Jeder Firmenchef in der Privatwirtschaft müsste bei dieser Performance den Hut neh­men. Gerade Sie als Finanzminister müssen ein laufendes Controlling über den Budget­plan sicherstellen. Nur so sind zeitnahe Abweichungen festzustellen und die daraus resultierenden Maßnahmen abzuleiten, und deshalb frage ich Sie noch einmal, Herr Bundesminister: Wer führt eigentlich das Land?

Herr Minister, Sie haben im Untersuchungsausschuss ein sehr merkwürdiges Bild abge­geben; wir kennen es alle aus den Medien. Sie können nicht ständig so tun, als wüssten Sie von nichts, und Sie können sich auch nicht ständig vor Ihrer Verantwortung weg­ducken. Deshalb stelle ich Ihnen hier und heute erneut einige Fragen aus unserer schriftlichen Anfrage vom 30. April 2020:

Von welcher Höhe an Einnahmenverlusten bei den Ertragsanteilen gehen Sie aus?

Von welcher Höhe gehen Sie bei den Kommunalsteuerentfällen aus?

Haben Sie Ihrem Ministerium den Auftrag gegeben, die Finanzsituation der Gemeinden in und nach der Coronakrise zu analysieren und zu bewerten? Diese Frage könnte man mit Ja oder Nein beantworten.

Planen Sie ein Hilfspaket, um die sinkenden Ertragsanteile und reduzierten Einnahmen aus der Kommunalsteuer abzugelten?

Welche Maßnahmen planen Sie, um eine Situation wie nach der Finanzkrise 2008 zu verhindern, als sich die Investitionen auf Gemeindeebene nur sehr langsam erholten und de facto zehn Jahre brauchten, um wieder an das Vorkrisenniveau anzuschließen?

Können Sie ausschließen, dass es zu Privatisierungen bei Gemeindedienstleistungen kommt, oder was würden Sie dagegen tun?

Gibt es schon Pläne, wie der Finanzausgleich gestaltet werden soll, und was halten Sie von einem aufgabenorientierten Finanzausgleich? Dieses Thema hat übrigens heute Landeshauptmann Haslauer angesprochen, und wir wissen, Sie sagen da gerne, es müssten natürlich Gespräche mit den Gebietskörperschaften, mit den Ländern und so weiter folgen – ja, das ist mir klar, die Frage aber lautet: Welche Pläne haben Sie jetzt und heute?

Zum Schluss: Wie hoch dotieren Sie die Einnahmenausfälle der Gemeinden aus Steuer­einnahmen auf Gemeinde- und Landesebene? Auch da sind wir auf Ihre Zahlen ange­wiesen.

Wie ich schon erwähnt habe, schlagen in Ihrem Ministerium alle Zahlen und Daten auf, die für diese Berechnungen und Schätzungen notwendig sind. Wir wollen keine Alibi­antworten mehr hören und erwarten uns von Ihnen, Herr Bundesminister, seriöses Zahlenmaterial, mit dem wir die Finanzsituation der Gemeinden ernsthaft bewerten können. Dieser Bewertung muss dann eine nachhaltige Hilfe für die Kommunen folgen. Herr Minister, Sie sind am Wort!

Zuvor aber stelle ich noch folgenden Antrag:

Antrag

gemäß § 60 Abs. 6 GO-BR

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen, eingebracht im Zuge der Besprechung der schriftlichen Anfrage am 2. Juli 2020

„Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen den

Antrag:

Die unterzeichnenden Bundesrätinnen und Bundesräte stellen den Antrag, die der Be­sprechung zu Grunde liegende Anfragebeantwortung 3486/AB-BR des Bundesministers für Finanzen gemäß § 60 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Bundesrates nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Kurze Begründung im Sinne des § 60 Abs. 6 GO-BR

Das verfassungsrechtlich vorgesehene Interpellationsrecht steht Nationalrat und Bun­desrat gleichermaßen zu. Es muss in der parlamentarischen Praxis aber leider fest­gestellt werden, dass die Mitglieder der Bundesregierung ihren verfassungsrechtlichen Verpflichtungen auf volle Beantwortung oder Begründung, warum eine Antwort nicht möglich ist, immer weniger entsprechen. Die der Anfragebeantwortung zu Grunde lie­gende Anfrage beinhaltet präzise Fragen, die auch die Auswirkungen auf die verschie­denen Bundesländer und die Kommunen berücksichtigen sollte. Die Beantwortung ent­spricht jedoch nur in ungenügender Art und Weise den verfassungsrechtlichen Vor­gaben, da auch nicht auf die Begründung für eine allfällige Nichtbeantwortung eingegan­gen wurde.“

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Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

14.30

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der Antrag der Bundesräte Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen auf Nichtkenntnisnahme der Anfragebeant­wor­tung 3486/AB-BR/2020 ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht damit mit in Verhandlung.

Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Mag. Gernot Blümel zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.