18.15

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Der Schienenverkehr ist das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs. Historisch hat der Schienenverkehr inklusive der gesamten Bahnhofsinfrastruktur beeindruckende Hochblüten erlebt. Er war über viele, viele Jahrzehnte der Motor der Modernisierung und natürlich auch der Industrialisierung. Sie alle kennen die beeindruckenden Bauwerke, seien es die Strecken, seien es die Bahnhöfe – praktisch aus vergangenen Zeiten.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist der Schienenverkehr allerdings durch die rasend schnelle Zunahme des Autobesitzes massiv unter Druck geraten. Mit aller Kraft wurden – teilweise durchaus brachial – Autobahnen und Schnellstraßen gebaut. Das Bahnnetz geriet ins Hintertreffen, das Image litt sehr stark. Seit Jahren jedoch – das ist sehr erfreulich – hat ein Umdenken eingesetzt und setzt ein: Die Bahn rückt wieder ins Zentrum, Bahnhöfe werden zu Knotenpunkten und Haltestellen wieder zu sehr hoch­wertigen und leider auch zum Teil teuren Gegenden, in denen es wieder beliebt ist, zu wohnen.

Dennoch gibt es eine Reihe von Herausforderungen, noch mehr Menschen und Güter auf und in die Bahn zu bringen. Auch unter den Bahnbetreibern selbst nimmt der Kon­kurrenzkampf zu, besonders intensiv ist das im Güterverkehr, da werden in Österreich bereits rund 30 Prozent des gesamten Güterverkehrs von anderen Unternehmen als der ÖBB abgewickelt.

Der Bericht zeigt insgesamt eine durchwachsene Bilanz im Schienenverkehr – da muss man auch ehrlich sein. Im Güterverkehr kam es sowohl bei den beförderten Tonnen als auch bei den Transportkilometern – also der sogenannten Verkehrsleistung – zu einem zwar nicht großen, aber doch zu einem Rückgang. Das war leider auch im vorvorigen Jahr so, wiewohl das Transportvolumen gegenüber 2015 um 3,5 Prozent gestiegen ist. Allerdings war in der gleichen Zeit der Zuwachs auf der Straße wesentlich größer.

Um ein bisschen ein Bild zu geben: Von welchen Verhältnissen sprechen wir? – Wenn man alle Tonnen, die in Österreich auf der Schiene und auf der Straße transportiert werden, zusammenzählt, sieht man, dass drei Viertel aller Tonnen auf der Straße und nur ein Viertel auf der Schiene transportiert werden. Das ist natürlich nicht befriedigend, wiewohl Österreich und die ÖBB im europäischen Vergleich gar nicht schlecht dastehen – aber trotzdem. Warum ist das so? – Fakt ist, dass es die Kostenstruktur im Bahnsystem erschwert, gegenüber dem Lkw-Verkehr konkurrenzfähig anzubieten – es ist also eine teure Infrastruktur. Um diese Lücke etwas zu schließen beziehungsweise die Konkurrenzfähigkeit des Bahngüterverkehrs zu verbessern, werden im Rahmen der gemeinwirtschaftlichen Leistungserbringung Unterstützungen bezahlt. Es gibt ganz aktuell auch eine Notmaßnahme – Sie werden es gehört haben –: Die Ministerin hat Güterverkehr und Personenverkehr von der Schienenmaut befreit, zunächst mal befristet. 2018 wurden 111 Millionen Euro bezahlt, um den Güterverkehr auf der Schiene zu unterstützen – das ist wichtig, aber nicht ausreichend.

Was heißt das nun politisch? – Ich gehe davon aus, dass es – auch wenn wir in der Verkehrspolitik sehr unterschiedliche Auffassungen haben – zumindest Einigkeit darüber gibt, dass der Anteil der Schiene am Güterverkehr erhöht werden muss. (Zwi­schenruf des Bundesrates Schennach.) Man denke nur an die massiven Belastungen von Anrainern – Tirol kann ein Lied davon singen, wenn auch ein trauriges –, denken wir an die fatalen Auswirkungen der Verkehrsemissionen auf die Klimaerhitzung!

Die spezifischen Emissionen im Lkw-Güterverkehr, also pro Tonnenkilometer, sind auf der Straße um den Faktor 20 höher als auf der Bahn. Absolut gesehen haben die CO2-Emissionen im Güterverkehr seit 1990 um sage und schreibe 112 Prozent zuge­nom­men, sie haben sich also verdoppelt; eine Entwicklung, die wirklich mit aller Kraft ge­stoppt werden muss, nicht nur gestoppt: Sie muss zugunsten des Güterverkehrs auf der Bahn umgedreht werden, und das ist mit den erwähnten Unterstützungsbeiträgen nicht zu bewerkstelligen, auch wenn man die in die Höhe fährt.

Das geht nur, wenn wir endlich beginnen, dem motorisierten Personen- und Güter­verkehr die Kosten anzurechnen, die er auch verursacht. Das ist eigentlich ein simples Prinzip, denn die Wettbewerbsverzerrung entsteht nicht dadurch, dass die Bahn teurer ist, wie manche annehmen, sondern dadurch, dass der Lkw-Verkehr massiv subven­tioniert wird, durch eine Verlagerung von verursachten Kosten auf die Allgemeinheit. Das ist viel Geld – dazu gibt es Studien –: In Österreich sind das jährlich 7 bis 10 Milliarden Euro; jedes Jahr 7 bis 10 Milliarden Euro! Das zahlen alle, das zahlen auch die, die es nicht verursachen, das zahlt die Allgemeinheit. Das ist übrigens sozialpolitisch be­sonders ungerecht: Menschen mit wenig Einkommen verursachen auch weniger Güterverkehr und haben in sehr vielen Fällen nicht einmal ein Auto, weil sie es sich nicht leisten können, zahlen aber mit.

Eine Sofortmaßnahme wäre, endlich mit dem nicht argumentierbaren Dieselprivileg aufzuhören. Ich sage das in aller Deutlichkeit: Dafür gibt es einfach überhaupt keine Rechtfertigung mehr. Ein weiterer ergänzender Schritt muss sein, im Rahmen einer ökologischen Steuerreform Kostenwahrheit herzustellen, genauso, wie es im Regie­rungsprogramm steht, und ich hoffe sehr, dass unser Koalitionspartner und der Herr Staatssekretär uns bei diesem Vorhaben unterstützen, damit wir mit der Verlagerung von der Straße auf die Schiene endlich weiterkommen, denn das wollen wir alle, nehme ich an.

Es wurde heute der ökosoziale Zugang genannt; ja, den unterstütze ich hundert­prozentig. Es war ja sogar ein ÖVPler, Herr Riegler, der in den Neunzigerjahren diese Grundidee einer ökosozialen Marktwirtschaft gut weiterentwickelt hat. Bei der öko­sozialen Marktwirtschaft geht es genau darum, das zu besteuern, zu belasten, was wir nicht wollen, was uns kaputt macht, und das zu entlasten, was wir wollen, nämlich Arbeit und den Haushalten aus der Armut heraushelfen.

Also ich hoffe, diese Transformation gelingt, und zwar in einem Ausmaß, dass sie wirk­sam wird, und ich appelliere an den Koalitionspartner, auch mit seinen Teilorgani­sa­tionen Kontakt aufzunehmen und diese dazu zu bewegen, dieses Vorhaben, das natürlich kontrovers, aber auch so wichtig ist, nicht zu behindern.

Ich möchte kurz einen Blick auf den Personenverkehr werfen. Da sieht es, was die Entwicklung der Bahn betrifft, viel erfreulicher aus. Sowohl die Anzahl der zurück­geleg­ten Kilometer als auch die der Reisenden ist gewachsen. Das hat mit dem erweiterten Angebot im Nahverkehr zu tun. Die meisten Erweiterungen in jüngster Vergangenheit gab es in der Ostregion, da sieht man auch die Zuwächse: Es gibt gegenüber 2015 immerhin 12 Prozent mehr Reisende. Das zeigt – und das finde ich auch noch wichtig – ein wichtiges Grundprinzip in der Verkehrspolitik, nämlich eine Angebotsorientierung. Es zeigt sich überall: Wenn man das Angebot spürbar ausweitet, wachsen – mit Zeitver­zöge­rung, aber doch – die Passagierzahlen. Da muss man budgetär in die Vorlage gehen, keine Frage, allerdings steigen in Folge die Erlöse.

Ein Beispiel: Vorarlberg ist ein Bundesland, das den öffentlichen Verkehr in den letzten 15 Jahren wirklich gut ausgebaut hat. Sie können heute in jeden Ort, in jedes Tal fahren, im schlechtesten Fall im Stundentakt. Das hat Geld gekostet, es kostet nach wie vor Geld, auch den Gemeinden; die Erlöse aus Fahrscheinverkäufen sind aber in diesen 15 Jahren um mehr als das Doppelte gestiegen.

Ein Meilenstein im Angebot wird das 1-2-3-Ticket sein, mit der dritten Stufe, also ganz Österreich mit einer Karte. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Die Erfahrungen aus Wien, Vorarlberg und Tirol zeigen, dass das der richtige Weg ist.

Oder schauen Sie in die Schweiz, da gehört das Generalabonnement, wie es dort heißt, zum guten Ton! 500 000 Abonnenten gibt es dort, obwohl es in der Schweiz 3 600 Euro kostet; das ist ein Batzen Geld. Bei uns wird es 1 095 Euro kosten. Ich denke, das ist eine wirklich coole Sache – um höflich zu untertreiben.

Die Entwicklung des Personenverkehrs werden und wollen wir weiter vorantreiben. Dazu gehört die Ausweitung des Angebotes. Ein paar Sätze zu den Nachtzügen als Alternative zum Flugzeug: 27 Nightjet-Linien betreibt die ÖBB bereits, teilweise mit Partnern. Ein kräftiger Ausbau ist geplant. Bereits heute sind die ÖBB in Europa spitze in dieser Geschichte. Es gibt jetzt auch – ganz frisch – aktuelle Vereinbarungen mit der SBB, der Schweizer Bahn, in nächster Zeit Verbindungen von Zürich nach Amsterdam, nach Berlin, nach Hamburg, nach Rom, nach Barcelona zu installieren. Da muss man schon ein Lob aussprechen: Während andere Gesellschaften die Nachtzüge verschlafen haben, sind die ÖBB auch in der Nacht hellwach – ein Dank dafür.

Sehr interessant ist auch der europäische Vergleich. Da sieht man, dass Österreich in den meisten Kategorien gut positioniert ist: auf Platz eins im Personenverkehr, was die Personenkilometer betrifft, und auch die Pünktlichkeit ist sehr erfreulich, 95 Prozent der Züge sind pünktlich; da gibt es einen Rahmen, in dem sich das bewegen kann.

Zusammenfassend, wenn man aufs Angebot des Personenverkehrs auf der Schiene sieht: Lassen Sie das Auto zu Hause! Umsteigen und einsteigen! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.26

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ing.in Judith Ringer. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.