19.31

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Heute nehmen wir hier im Bundesrat Stellung zu dem im Frühjahr vorgelegten Bericht des BMI betreffend das Legislativ- und Arbeitspro­gramm der Europäischen Kommission. Nachdem dieser Bericht im Ausschuss des Nationalrates enderledigt worden ist, besteht nur heute hier im Bundesratsplenum die Möglichkeit, diesen noch einmal genauer vorzustellen. Im Kontext der europäischen Zu­sammenarbeit halte ich diesen Bericht und das Arbeitsprogramm für eine sehr wichtige Angelegenheit für Österreich. Kollegin Mattersberger und Kollege Schennach sind ja schon auf wesentliche inhaltliche Punkte zu sprechen gekommen und nicht wie meine Vorrednerin abgewichen.

Das Programm beinhaltet die wichtigsten Initiativen für 2020 und informiert darüber, wie die politischen Prioritäten realisiert werden sollen. Zudem trägt das Arbeitsprogramm aber auch den Hauptprioritäten des Europäischen Parlamentes Rechnung. Ebenso sind die Kernziele der strategischen Agenda des Europäischen Rates für den Zeitraum von 2019 bis 2024 enthalten, nämlich – um das noch einmal zu wiederholen – ein „europäi­scher Green Deal“, ein „Europa für das digitale Zeitalter“, eine „Wirtschaft im Dienste des Menschen“, ein „stärkeres Europa in der Welt“, die „Förderung unserer europäischen Lebensweise“ und „neuer Schwung für die Demokratie in Europa“.

Die prioritären Bereiche des Achtzehnmonatsprogramms sind die folgenden – ich zähle sie jetzt alle auf, weil nur Teilbereiche erwähnt worden sind –: die „verstärkte Kontrolle der EU-Außengrenze“, die „Einführung des Einreise- und Ausreisesystems [...] und des Europäischen Reiseinformations- und –genehmigungssystems“, eine „Strategie für ein integriertes europäisches Grenzmanagement“, die „Verbesserung der Rückführungen“, ein „Rahmen für sichere und legale Zugangswege“ – da möchte ich das Stichwort Re­settlement nennen –, die „Beobachtung der zentralen, der westlichen und der östlichen Mittelmeerroute“, die „Zusammenarbeit mit Partnern in Afrika, der Region des Westbal­kans und der Türkei“, die Bekämpfung des organisierten Verbrechens und des Drogen- und Menschenhandels, die „Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“ in­klusive der Dublin-Verordnung – zu der ich später noch einmal genauer komme –, die Bekämpfung des Terrorismus, der Radikalisierung und des Extremismus, die „Inter­operabilität von Informationssystemen“, die „Stärkung des Schengenraums“ und ge­meinsame Katastrophenschutzmaßnahmen.

Für die folgenden Initiativen ist das BMI zuständig:

„Eine neue Strategie für die Sicherheitsunion“ mit dem Ziel, den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu stärken: Die neue Sicherheitsstrategie der EU wurde in diesem Jahr veröffentlicht. Diese Strategie ist begrüßenswert, und eine regelmäßige Be­richterstattung wird als sinnvoll erachtet.

Die „Stärkung des Mandats von Europol“ mit dem Ziel, die operative und politische Zu­sammenarbeit zu verstärken: Die diesbezügliche Überarbeitung der Europolverordnung zur Stärkung des Mandats von Europol wird von Österreich unterstützt. Und ja, ich kann Kollegen Schennach durchaus beipflichten, dass es natürlich auch immer wieder zu Schwierigkeiten in dem System kommt, wie berichtet – ich hatte auch schon solche Fälle –, aber die österreichische Justiz ist sehr wohl und sehr gut in der Lage, auch Aus­lieferungsansuchen sehr gut zu überprüfen; da kann ich nur zustimmen. (Bundesrat Schennach: Es kostet viel Nerven und Energie!) – Das stimmt auch, das kostet viel Nerven, da gebe ich Ihnen auch recht.

Der „Vorschlag für zusätzliche Maßnahmen zum Schutz kritischer Infrastrukturen“ wird von Österreich begrüßt und unterstützt, und das ist jetzt nicht so ganz am Thema, aber wir haben gerade jetzt in Zeiten der Pandemie gesehen, dass es ganz wichtig ist, kriti­sche Infrastrukturen aufrechterhalten zu können.

Die „EU-Strategie für eine wirksamere Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kin­dern“ ist maximal unterstützenswert.

Das „Katastrophenschutzverfahren der Union“ mit dem Ziel, die Finanzausstattung des Katastrophenschutzverfahrens zu ändern, damit kontinuierliche Finanzierung gewährleistet werden kann, wird von Österreich begrüßt. Auch das hat Kollege Schennach schon ge­sagt.

„Ein neuer Migrations- und Asylpakt sowie begleitende Legislativvorschläge“ haben das Ziel eines Gesamtkonzeptes, das der Tatsache Rechnung trägt, „dass interne und exter­ne Aspekte der Migration untrennbar verbunden sind“. Dieser Migrations- und Asylpakt wurde Ende September, am 23. September, seitens der EU vorgestellt, und nun gilt es, die österreichische Position festzuhalten, auszuarbeiten. Dabei ist es Österreich ein zen­trales Anliegen, dass die Asylfrage tatsächlich auf europäischer Ebene bearbeitet und gelöst wird, denn nur als ein gemeinschaftlich handelndes und solidarisches Europa werden wir in Zukunft in der Lage sein, in diesem Bereich Fortschritte zu machen und vor allen Dingen auch endlich Verbesserungen zu erzielen. Es soll ein Ziel sein, eine den Erfordernissen entsprechende Migrationspolitik zu gestalten und eine auch den Menschenrechtsnormen und der derzeitigen EU-Richtlinie folgende Asylpolitik zu be­treiben.

Dabei gilt es in den Vordergrund zu stellen, dass Systeme wie Dublin III schon längst beziehungsweise meiner Meinung nach von Beginn an zum Scheitern verurteilt waren. Da brauchen wir etwas anderes. Eine Strategie, die in erster Linie Länder an den EU-Außengrenzen belastet und an ihre Kapazitätsgrenzen bringt, kann nicht das Ziel eines menschenwürdigen Handelns sein. Es gibt durchaus Zugänge und Lösungen, die Ent­schärfungen von Hotspots wie Moria bringen und gleichzeitig im Sinne aller beteiligten Länder sind – ich bin davon überzeugt, dass es solche Lösungen gibt – und nicht bedeu­ten, dass wir die Asylgewährung nach Afrika verlagern, denn das kann es auch nicht sein.

Wir dürfen eines nicht vergessen: Natürlich geht es darum, den Schutzsuchenden Hilfe zu gewähren, aber wie sich in der Vergangenheit gezeigt hat, profitieren auch die Auf­nahmeländer von den Menschen, die hier ein neues Zuhause finden.

Ich bin nicht so blauäugig zu glauben, dass es nicht auch Hürden gibt. Natürlich müssen wir Missbrauchsversuchen etwas entgegenhalten und Wege und Möglichkeiten schaf­fen, um Schlepperei und vor allen Dingen Menschenhandel konsequent zu bekämpfen. Alles in allem wird es sehr wichtig sein, gerade in diesem Bereich in Europa gut zusam­menzuarbeiten, und Österreich sollte dabei einen konstruktiven Beitrag leisten. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

19.39

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.