13.14
Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär! Bevor ich loslege, nur ein Satz zu Herrn Bernard: Wenn ich Ihnen zum Thema Klimaschutz zuhöre, bin ich wirklich froh, dass wir hier Klimaschutz machen und nicht die FPÖ. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Spanring: Da sind nicht einmal die Eigenen davon überzeugt!)
Zum EZG – ich möchte mit etwas Persönlichem beginnen –: Ich kann mich noch gut an den frühen Abend des 12. Dezember 2015 erinnern – das war praktisch vor genau fünf Jahren –: Stundenlang habe ich in einer Liveübertragung die Endphase der Verhandlungen und vor allem die Schlusssitzung in Paris verfolgt. Das war schon beeindruckend: die Welt versammelt in einem Saal, ringend um ein so dringend notwendiges Klimaschutzabkommen, ringend um eine Vereinbarung, die es ermöglichen soll, dass unsere Kinder und Enkel und deren Kinder und Enkel noch einen Planeten vorfinden, auf dem man gut leben kann, auf dem man seine Träume verwirklichen kann.
Dann war es endlich so weit: Kurz vor halb sieben Uhr fällt der Hammer, das Abkommen war da. Alle Leute im Saal klatschten stehend, sichtlich emotional berührt. Mir ist es auch so ergangen. Mit Tränen in den Augen habe ich mich gefreut, dass dieses wichtige Abkommen gelungen war.
Die Kernaussage des Abkommen ist, dass – ich zitiere – die globale Temperaturerhöhung „deutlich unter 2 °C“ gehalten wird und weitere „Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C [...] zu begrenzen.“ – Dieses Ziel ist nichts weniger als eine Überlebensbedingung – und es ist ein Meilenstein.
Der Satz ist inzwischen der entscheidende Bezugspunkt jedweder Klimapolitik. Jetzt kann man das Pariser Abkommen ob seiner Schwächen rauf und runter kritisieren – ich habe das persönlich oft genug gemacht –, es ist trotzdem ein Meilenstein. Endlich wurde eine weltumspannende Marke gesetzt. Die USA, deren Austritt übrigens vor einigen Monaten wirksam geworden ist, werden mit Präsident Biden Anfang kommenden Jahres wieder eintreten.
Europa nimmt in der Klimaschutzpolitik insgesamt eine erfreuliche Haltung ein, auch wenn man das leider nicht für alle Mitgliedstaaten sagen kann, vor allem nicht für Polen, Ungarn, Tschechien. Trotzdem: Europa hat ebenfalls vor fast genau einem Jahr – es war am 11. Dezember – in Person der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Europäischen Green Deal aus der Taufe gehoben, eine in ihrer Ambition in der Geschichte der EU definitiv einmalige Sache. Auch daran kann man Kritik üben, aber es ist ein großer Schritt. Im Rahmenbudget der EU zum Beispiel sollen bis 2026 mindestens 30 Prozent aller Mittel in den Klimaschutz fließen. Das sind, weil das auch für den Recoveryfund gilt, immerhin 500 Milliarden Euro.
Österreich, lange Jahre Nachzügler im Klimaschutz, ist dabei, seine Rolle grundlegend zu verändern. Vor auch bald einem Jahr ist es gelungen, ein umfassendes Klimaschutzprogramm im Regierungsübereinkommen zu verankern. Es ist gelungen, das Ziel zu verankern, bis 2040, also in 20 Jahren, klimaneutral zu sein. Ambitionierter kann man ein Ziel jedenfalls nicht mehr setzen, und es sucht weltweit seinesgleichen.
Jetzt laufen mit hoher Intensität die Arbeiten an den dafür notwendigen Rahmenbedingungen – das sind sehr viele. Viele Pakete werden derzeit gleichzeitig entwickelt. Da wird vieles gelingen und es ist schon mehr gelungen, als Österreich auf jeden Fall jemals an Klimaschutz gesehen hat. Auch daran kann man Kritik üben, ja, das gebe ich zu, es stimmt, es reicht trotzdem immer noch nicht für 1,5 Grad. Es reicht aber vor allem deswegen noch nicht, weil politisch und gesellschaftlich derzeit nicht mehr drinnen ist; das wissen Sie auch, die Sie das im Detail mitverfolgen.
Wir arbeiten sehr daran, dass sich die Intensität der Klimaschutzmaßnahmen deutlich erhöht. Warum? – Weil es eilt. Es ist ja nicht einmal so sehr eine Frage des Ob – die Entwicklungen gehen in die Richtung –, sondern wir haben vor allem ein Zeitproblem, ein Geschwindigkeitsproblem.
Ich möchte das wirklich ganz kurz sehr plastisch am sogenannten CO2-Budget erläutern. Wir kennen die Mechanismen zwischen CO2-Emissionen und Temperaturerhöhung. Das CO2-Budget ist also jene Menge, die wir noch zur Verfügung haben, die noch emittiert werden darf, um das 1,5-Grad-Celsius-Ziel einzuhalten. Das ist das CO2-Budget. Das kann man global berechnen, man kann es aber auch auf Staaten herunterbrechen.
Das ist natürlich gemacht worden, in Österreich unter anderem vom Climate Change Centre Austria, einem Zusammenschluss von österreichischen Klimawissenschaftern aller möglichen Sparten.
Ergebnis ist, dass wir noch rund 700 Millionen Tonnen emittieren dürfen. So, diese Zahl sagt zunächst einmal nichts, aber das hieße, beim gegenwärtigen Emissionsniveau wäre unser Budget in acht Jahren aufgebraucht – in acht Jahren, das ist morgen! Das verlangt eine grundlegende Neuorientierung der Klimaschutzpolitik, eine grundlegende Priorisierung von Klimaschutzmaßnahmen und einen grundlegenden Transformationsprozess in allen Bereichen, der dafür notwendig ist.
Daran knüpft der Emissionshandel direkt an. Der Emissionshandel ist eines der wichtigsten Instrumente, um Klimaziele zu erreichen. Der Emissionshandel zielt auf große Emittenten ab, auf große Energieverbraucher, auf Kraftwerke, beispielsweise, sofern sie fossile Energieträger nutzen, auf große Industriebetriebe und so weiter, und er ist ein Instrument, das marktwirtschaftlich organisiert und europaweit geregelt ist.
Europaweit sind etwa 11 000 Anlagen im Emissionshandel. Diese verursachen zusammen 40 Prozent der gesamten Emissionen; das ist wirklich sehr viel. Deswegen ist das ein wichtiges, mächtiges Instrument. In Österreich sind es um die 200 Anlagen, die da integriert sind.
Der Emissionshandel funktioniert nach dem Prinzip Cap and Trade. Was heißt das, einfach erklärt? – Es gibt jedes Jahr eine gewisse Menge an Emissionszertifikaten, an Emissionsberechtigungen, die zur Verfügung stehen. Diese werden nach einem geregelten System verteilt. Die Idee ist klarerweise, dass sie knapp sind. Es entwickelt sich dadurch einfach auch ein Preis. Die Unternehmen können selber entscheiden, ob sie Zertifikate zukaufen oder selber Maßnahmen setzen. Jahr für Jahr wird dann die Menge reduziert, eben das Cap.
Zum „Hausverstand“ der FPÖ: Also ich kann das nicht nachvollziehen. Es hat für mich nichts mit Hausverstand zu tun, wenn man emissionsintensive Betriebe einfach irgendwie mit Geldern unterstützt, damit sie weiter emittieren. So funktioniert das nicht.
Das Gegenteil ist der Fall. Man sieht ganz klar, dass jene Betriebe in Europa im Emissionshandel profitieren, die innovativ sind. Das gilt für viele Betriebe in Österreich, für die Voest beispielsweise. Es gibt nämlich umfängliche Gratiszuteilungen, und man bekommt umso mehr Gratiszertifikate, umso innovativer man ist, umso effizienter man ist. Man erspart sich damit eine Menge Geld. Das ist also ein grundrichtiger Mechanismus.
Die Novelle selber setzt – das haben wir gehört – ausführlich die europäische Richtlinie um. Da sind die Spielräume gering. Das ist auch gut so, denn die europäische Wirtschaft ist eng miteinander verwoben.
Eine Bemerkung noch zur Arbeitsplatzgefährdung: Emissionshandel – das stimmt; das wissen Sie natürlich – kennt explizit den Begriff des Carbon Leakage. Das heißt, Betriebe, die abwanderungsgefährdet sind, die global unter besonders starkem Wettbewerbsdruck stehen, bekommen besonders viele Zertifikate gratis zugeteilt.
Es geht somit in der vorliegenden Novelle um den formalen Rahmen des Emissionshandels, um für die nächste Handelsperiode fit zu sein. Das ist ein sehr, sehr wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Stimmen Sie mit Hausverstand zu! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
13.24
Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.