11.56

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsident! Frau Minister! Werte Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bild­schirmen! Natürlich muss es jedem von uns ein großes Anliegen sein, dass Menschen vor Beleidigungen, vor Herabwürdigungen, vor Mobbing, Drohungen, Gewaltaufrufen und Ähnlichem im richtigen Leben, auf der Straße, im Beruf, und natürlich auch im Inter­net geschützt werden. Im Internet ist es auch deshalb wichtig, weil dort oftmals Kinder und Jugendliche sehr schnell zu Opfern werden.

Es ist uns ein besonderes Anliegen, dass es diesen Schutz auf allen Ebenen gibt. Wir empfinden es auch als wichtig, dass diesen Opfern rasch geholfen wird. Ja, dieses Paket umfasst auch sehr positive Punkte, zum Beispiel das Verbot unbefugter Bildaufnahmen bis hin zum Stichwort Upskirting. Wir sind auch für die Ausweitung der Maßnahmen ge­gen Cybermobbing. So weit, so gut, da sind wir noch einer Meinung. Für uns zählt aber auch, dass es ein rechtsstaatliches Vorgehen und eine möglichst geringe Einschränkung der Meinungsfreiheit geben muss. Das, denke ich, unterscheidet uns leider sehr stark von dem, was Schwarz-Grün auf den Weg bringen will.

Das, was von dieser Regierung hier unter dem reißerischen Titel Hass im Netz vorgelegt wurde, geht in eine teils ganz andere Richtung; das ist bereits im Titel, in der Beschrei­bung spürbar. Hass, meine Damen und Herren, ist ein Gefühl, und Gefühle kommen in einer Rechtsordnung nun einmal nicht vor. Warum? Weil Gefühle unbestimmte Be­griffe sind, ergo nicht definierbar sind und es somit problematisch ist, um solch einen Begriff ein derartiges Gesetzespaket aufzubauen.

So wie wir Gefühle im Gesetz nicht wirklich definieren können, ist es ähnlich schwierig mit dem Begriff der Fakenews. Was sind Fakenews? Was sind Falschmeldungen? Und viel wichtiger: Wer, meine Damen und Herren, bestimmt, was Fakenews sind? Wer hat die Wahrheit gepachtet? Wie soll jemand wissen, wann die Schwelle der Strafbarkeit überschritten ist und wann eben nicht, denn es gibt keine absolute Wahrheit?

Ich verstehe natürlich den Zugang der ÖVP: Ihre Meinung ist von Gott gegeben und widerspruchslos hinzunehmen. (Heiterkeit des Bundesrates Seeber.) Ähnlich ergeht es den Grünen: Alles, was weit genug links ist, ist richtig und gut, und alles andere ist falsch und schlecht. (Beifall bei der FPÖ.) Ein Problem, meine Damen und Herren, das trotz­dem in beiden Fällen immer noch auftritt: Es sind Meinungen, und Meinungen sind eben nicht von Gott gegeben und niemals unfehlbar. Bitte, es sollte doch auszuhalten sein, wenn Menschen ihre Meinungen kundtun, die vielleicht tatsächlich für die meisten von uns falsch erscheinen oder vielleicht sogar tatsächlich falsch sind. (Vizepräsident Buch­mann übernimmt den Vorsitz.)

Wenn wir aber Meinungsfreiheit nicht mehr leben dürfen, meine Damen und Herren, was kommt dann als Nächstes? Wollen wir dann die Religionen verbieten? Viele behaupten ja, dass die Menschen von Adam und Eva abstammen, und stellen somit die Wissen­schaft infrage, weil diese etwas anderes behauptet, von wegen archaischer Homo sa­piens und Bindeglied zu Homo erectus und so. Gott schuf auch den Himmel und die Erde, und die Wissenschaft brabbelt da irgendetwas von einem Urknall. Die Frage ist: Was sollen wir als Fakenews abtun?

Verstehen Sie, worauf ich in Wahrheit hinaus will? (Bundesrätin Schumann: Nein!) – Wir leben in einem aufgeklärten Zeitalter, und es macht mich wirklich traurig, dass errun­gene Werte wie die Meinungsfreiheit, für die viele Menschen – viele Menschen! – ge­kämpft haben und auch gestorben sind, jetzt wieder in Gefahr sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Wohl irrtümlicherweise wird Voltaire ein wunderschönes Zitat zugeschrieben, auch Fakenews vielleicht, und zwar: „Ich lehne ab, was Sie sagen, aber ich werde bis auf den Tod Ihr Recht verteidigen, es zu sagen.“ Vor mehr als 200 Jahren, nämlich 1789, wurde im Artikel 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich die Meinungs­freiheit als eines der kostbarsten Rechte der Menschen bezeichnet.

Beim Recherchieren für diese Rede, meine Damen und Herren, ist mir etwas sehr Inter­essantes und eigentlich auch Unfassbares aufgefallen: Wissen Sie, wann bei uns vor 2020, also vor dieser jetzigen Einschränkung, das letzte Mal die Meinungsfreiheit einge­schränkt wurde? – Das ist alles nachzulesen: im Nationalsozialismus durch die Reichs­tagsbrandverordnung 1933 und das Heimtückegesetz 1934. Denken Sie einmal darüber nach, meine Damen und Herren, in welche Richtung wir da steuern! Da kann ich nur sagen: Wehret den Anfängen! (Beifall bei der FPÖ.)

Also noch einmal: Meine Damen und Herren! Wir leben doch Gott sei Dank in einem aufgeklärten Zeitalter, und wir müssen es doch bitte aushalten, wenn jemand eine ande­re Meinung hat oder auch eine andere Meinung äußert. Und ja, manche Meinungen können durchaus verstörend sein, manche Meinungen können vielleicht auch verletzend sein. Das ist so, weil Meinungen eben ein so breitgefächertes Spektrum umfassen. Manchmal verstehen wir ganz einfach die Meinung anderer Menschen nicht. Mir geht es immer so, wenn Kollege Schreuder hier am Pult steht, ich denke mir dann immer: Was redet der?, und ihm wird es vielleicht ähnlich gehen, wenn ich hier stehe, aber bitte, meine Damen und Herren, das müssen wir doch aushalten.

Wichtig: Die Grenze ist ganz klar im Strafrecht festgelegt. Die Grenze ist bei Gewalt, bei Beleidigungen, bei Mobbing, bei Drohungen und so weiter überschritten.

Neben der Einschränkung der Meinungsfreiheit sehen wir auch weitere Probleme in die­sem Kommunikationsplattformen-Gesetz. Es wird leider in vielen Fällen zu Overblocking kommen, denn wenn ein Dienstanbieter die Verpflichtung hat, etwas innerhalb von ein paar Stunden oder innerhalb einer Woche zu löschen, dann wird er auch Einträge lö­schen, die er nur vorsichtshalber löscht, damit er sich eben nicht der Gefahr aussetzt, eine Strafe zahlen zu müssen.

Meine Damen und Herren! Total inakzeptabel ist für uns, dass mit diesem Gesetz eine der grundsätzlichen Aufgaben des Staates, nämlich die Strafrechtspflege, an private Unternehmen ausgelagert werden soll. Google, Facebook, Twitter und Co bekommen jetzt die Kontrolle über die Meinungsfreiheit, und da nutzt es auch nichts, wenn in letzter Instanz vielleicht ein Gericht entscheidet. So kann Strafrecht sicher nicht funktionieren, das ist ein Auslagern von Zensur an private Unternehmer! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es gibt noch etwas, was völlig außer Acht gelassen wird: dass man mit diesem Gesetz nämlich die Büchse der Pandora öffnen kann. Dem priva­ten Unternehmer geht es logischerweise nicht darum, den Rechtsstaat oder die Mei­nungsfreiheit zu pflegen oder zu fördern, sondern es geht ihm um Gewinn – no na net. Nutzer können Postings melden, das auch anonym, egal ob diese jetzt tatsächlich be­denklich sind oder eben nicht. Und was passiert dann? – Es schließen sich da ein paar lustige Gesellen zusammen und melden immer wieder gezielt Posts mancher Nutzer. Und der Unternehmer, der ja Gewinn machen will und keine horrenden Strafen riskieren will, wird in vorauseilendem Gehorsam Postings von bestimmten Nutzern im Vorfeld lö­schen. Und da schließt sich dann auch wieder der Kreis, meine Damen und Herren. Damit kann man Menschen aus dem Internet verbannen, und zwar nur, weil sie eine andere Meinung haben als man selbst.

Wohin die Reise geht, das haben wir bereits in anderen Ländern gesehen. Oftmals geht es nur darum, Äußerungen zu eliminieren, die gegen den Mainstream sind. Islamkritik ist unerwünscht, Einwanderungskritik ist unerwünscht, traditionelle Familienbilder sind unerwünscht, Kritik an Maßnahmen von Regierenden ist unerwünscht, EU-Kritik ist uner­wünscht, und vielleicht ist überhaupt jegliche Form von selbstständigem Denken bei uns unerwünscht. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sind diese Woche noch mit Datenschützern zusammengesessen, die uns viele gute Inputs mitgegeben haben. Zwei Sätze aus dem Gespräch mit diesen Datenschützern haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt.

Der erste war: Es ist uns egal, welche Partei gerade in der Regierung ist, wir agieren unpolitisch und decken immer alles auf, was für uns datenschutzrechtlich bedenklich ist. – Zitatende. Das ist einmal eine sehr gute Einstellung.

Der zweite Satz war – der war dann wieder ganz bezeichnend für die ÖVP; einer der Anwesenden sagte das –: Wir waren schon bei jeder Partei einmal oder mehrmals ein­geladen, mit Ausnahme der ÖVP – denen sind ganz offensichtlich die Grundrechte der Menschen egal. – Zitatende. – Treffender hätte ich meinen Schlusssatz gar nicht formu­lieren können. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.06

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck. – Bitte, Frau Bundesrätin.