20.00

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Frau Präsidentin, was ich jetzt sage, ist nicht despektier­lich: Ich bin dagesessen, habe Ihnen (in Richtung Bundesministerin Köstinger) zuge­hört – ich höre Ihnen immer zu, aber diesmal speziell –, und dann ist mir ein Bild gekom­men. Die Haarfarbe stimmt nicht und die Länge stimmt nicht, aber ich habe das Gefühl gehabt, Sie leben ein bisschen Pippi Langstrumpf aus: Ich habe die Kraft, ich male mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt. – Das war heute durchgehend mein Eindruck.

Kollege Schreuder war ja da und hat gemeint, er ärgere sich so, weil er die Unterstellung fühle, dass alles geplant sei. Das wäre ja eine enorme Leistung, Kollege Schreuder. Es ist umgekehrt! Ich glaube, dass wir im Krisenmanagement eine enorme Planlosigkeit haben. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Diese Planlosigkeit ist auch noch mit einer Herzlosigkeit verknüpft. Einer der großen Fehler, Frau Bundesministerin, ist, dass man Beherbergungsbetriebe von Anfang an un­ter einen Generalverdacht gestellt hat. Das wäre nicht notwendig. (Beifall bei Bundes­rätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Ich frage immer meine Kolleginnen und Kollegen, die, wenn sie an einer Bundesratssit­zung teilnehmen wollen, ja in einem Hotel schlafen müssen – das ist ja notwendige Infrastruktur für Geschäfte, für Business und so weiter. Die sagen und erzählen mir im­mer von fantastischen Konzepten und dass es in den Hotels funktioniert. Ich selber war beruflich mitten in der Pandemie als Leiter der internationalen Wahlbeobachtungskom­mission in Warschau. Jedes Mal, wenn ich dort ins Hotel gegangen bin, hat das penibelst funktioniert. Der Generalverdacht für alle war also ein schwerer Fehler, und man muss das Schritt für Schritt und mit Hirn angehen. Ja, liebe FPÖ, eine Pandemie ist eine Pandemie. Liebe Frau Bundesministerin, das ist so, wie wenn man sich die Welt, die man gerne hätte, zeichnet. Sie haben das Wort gesagt: Wir wollen zurück in die „alte Normalität“. Diese alte Normalität wird es nicht mehr geben. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Die gibt es genauso wenig, wie Ihre Ankündigung, ab dem 7. Jänner würden wir wieder aufsperren, real wurde. (Bundesrat Ofner: Ja! – Bundesrat Steiner: Danke, danke, dass das jemand sagt!) Das eine hat es nicht gegeben und die alte Normalität wird es nicht mehr geben. Wir werden damit leben müssen. Es ist eine weltweite Pandemie. Das heißt, sehr wohl macht es die Europäische Union – und Sie waren ja auch lange in Brüs­sel – richtig, indem sie feststellt, dass der industrialisierte Norden dermaßen viele Impf­kapazitäten aufgekauft hat, dass eine Verpflichtung da ist, diese auch an ärmere Staaten und Gesellschaften zu verteilen. Sonst kommen wir in der Bekämpfung dieser weltweiten Pandemie überhaupt nicht weiter. Sie wird immer bleiben und es werden, wie Experten und Expertinnen sagen, in der nächsten Zeit neuere, andere solcher Pandemien kom­men, weil das auch mit dem Leben zusammenhängt. Deshalb müssen wir lernen – da lernt die Regierung, da lernen wir als Opposition, und es lernen die Menschen –, wie man damit umgeht, damit man schneller ist.

Zum Beispiel war der Kardinalfehler in der gesamten Bekämpfung überhaupt, dass die Regierung ein erprobtes, ein gutes Epidemiegesetz einfach aufgekündigt hat. Das war erprobt – einerseits durch die Spanische Grippe, andererseits durch die Kinderlähmung und so weiter – und wird einfach gestrichen. Dann setzen wir uns ununterbrochen zu­sammen, um Covid‑Gesetze, Anlassgesetze zu erlassen, weil die Basis weggebrochen ist. Das war einer der großen Fehler. Mittlerweile muss man ja schon ziemlich gut sein, um durch all diese Covid‑Gesetze überhaupt noch den roten Faden zu finden. (Beifall des Bundesrates Dim.)

Schauen wir zum Beispiel allein den heutigen Tag an! Ich habe deshalb die Herzlosigkeit angesprochen, die oft auch mit Hirnlosigkeit verbunden ist, aber ich sage jetzt Herz­losigkeit. Wenn man das nicht versteht: Wenn wir jetzt, da die Geschäfte offen sind, da auch der Handel wieder anspringt, das Arbeitslosengeld nicht erhöhen, dann bekommen wir keine Kaufkraft. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Wissen Sie, was mich am meisten erschreckt, wenn wir die Arbeitslosenzahlen anschau­en? Dass wir Langzeitarbeitslose im Alter zwischen 18 und 21 Jahren haben. Das ist alarmierend. Deshalb brauchen wir die Aktion 40 000. Sie haben diese heute im treuen Schulterschluss abgelehnt. Das war ein Fehler. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesminister, wir können einen kurzen Schulterschluss machen. Was wir brau­chen – es wurde ja heute hier abgelehnt –: einen wirkungsvollen Mutterschutz.

Weiters, was wir heute durch Horst Schachner in einer sehr emotionalen Rede präsen­tiert bekommen haben: Wir brauchen nach 45 Jahren endlich bitte eine abschlagsfreie Pension. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Ja, wenn wir das mitziehen, dann halten wir die Arbeitslosenzahlen künstlich hoch – aber wir wollen ja weg davon.

Zwei, drei Monate lang haben wir gesagt: Bitte, bitte testen, testen! Nach zwei, drei Mo­naten hat die Bundesregierung gesagt: Na ja, was Frau Rendi-Wagner sagt, ist gar nicht so blöd, also das werden wir jetzt machen. Dann kommen sie wieder: Mah, Elga oder nicht? Dann kommt das endlich über die Apotheken, und zack, nach nicht einmal 24 Stun­den gab es keine Tests mehr. Wie wollt ihr, dass euch die Bevölkerung wieder vertraut? Wie wollen wir die Gastronomie und die Beherbergungsbetriebe wieder in Schwung bekommen?

Selbst das, was Sie heute so toll dargestellt haben: Ich meine, es wundert mich ja bei einer Tourismusministerin, dass sie nicht genau weiß, dass derzeit die supergefragten Fachkräfte im Tourismus abwandern. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Sie gehen entweder in die Pflege oder ganz woanders hin – und das trotz des Köche- und Köchinnenmangels, den wir in der gesamten Branche haben. Das ist fatal. Sie er­höhen jetzt den Trinkgeldersatz um 175 Euro, aber die Wirte bekommen 825 Euro. Spürt ihr nicht, dass das eine Disharmonie sondergleichen ist?

Weiter: Steuerstundungen und Kredithilfen – das kommt ja irgendwann zurück, gestun­dete Steuer ist irgendwann einmal zu zahlen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Bitte?

Was wir jetzt brauchen, ist eine spartenweise Öffnung oder ein sehr kluges Öffnungskon­zept mit natürlich allen notwendigen Vorsichtsmaßnahmen. In Wien hat nicht jeder Gast­ronomiebetrieb einen Gastgarten. Daraufhin hat der Bürgermeister entschieden: Man macht zuerst 23 und dann 46 Gastroinseln. Die sind oben gedeckt, und jene Wirte, die es sonst nicht schaffen würden, haben jetzt die Möglichkeit, in diesen Gastroinseln auf­zusperren. (Beifall bei der SPÖ.) Das Wichtige daran: Wir machen es nicht so wie eure Gastgartenförderung – für die einen 20 und für die anderen zehn; schon wieder ganz komplizierte Sachen –, nein, sondern das gesamte Equipment stellt die Stadt Wien den Wirten und Wirtinnen zur Verfügung. (Rufe bei der SPÖ: Genau!) Wir brauchen da nicht mit Quadratmetern herumzutun. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein ganz klares Zeichen der Unterstützung ist, dass auch die Infrastruktur für dieses Projekt von der Stadt Wien gesponsert wird. Ich denke, das ist etwas Schnelles, das ist etwas Klares.

Ich weiß nicht, was die Vorarlberger dazu sagen, aber heute wurde ja ganz Vorarlberg als gallisches Dorf bezeichnet. Sagen wir: eine gallische Region – verstehen wir uns da auch? Die Frage ist, ob das Kleinwalsertal über Deutschland davon profitiert? Das wird der bayerische Ministerpräsident nicht wertschätzen, weil er ja im deutschen Fernsehen fast nur kritische Worte über die österreichische Bundesregierung findet. Ich kann mich erinnern, in einer Pressekonferenz hat er gesagt: Kann denn irgendjemand der Wiener Regierung ein bisschen Hirn einflößen? – Also das ist schon eine starke Aussage.

Was ist aber denn das jetzt wieder mit Handy und QR-Code? Wir sagen: Akzeptieren wir den Wohnzimmertest! Warum schicken wir jetzt unsere alten Leute wieder auf neue technische Abenteuer, weshalb viele nicht teilnehmen können? Das ist so wie die Inter­netanmeldung für die Impfungen, die dann ganz schön zu Problemen geführt hat.

Nun kommen wir aber dorthin zurück, wo die Regierung beim Geldausgeben allerdings absolute Superklasse ist. Alleine wenn wir uns das anschauen: Die Regierung Kern/Mit­terlehnerhat 25 Millionen Euro für Werbung ausgegeben, die Regierung Kurz/Strache hat da ein bisschen etwas draufgesetzt und auf 31,3 Millionen Euro erhöht, aber jetzt geht die Regierung Kurz/Kogler über zu 32,7 Millionen Euro! Das bedeutet am Tag 90 000 Euro für Werbung, aber es gibt keine Erhöhung für irgendjemanden, der in der Arbeitslosigkeit ist, keine für Menschen, die 45 Jahre geschuftet haben und endlich das Recht auf eine Pension haben sollten. Nein, da wird das Geld verbraten. Jetzt kommt noch dazu: Wo wird denn das verbraten? Wir sind ja alle schon von Regierungsspots im ORF abgefüllt. Nur: Da steht immer, dass die kostenlos sind. Also: Wo gibt man 90 000 Eu­ro aus? Das würde ich gerne einmal sehen! 90 000 Euro am Tag, die man nicht für Fern­sehwerbung im ORF ausgibt – da lade ich alle ein, kreativ mitzudenken.

Zum Schluss an Herrn Präsident Buchmann: Wir sind hier irgendwie kein Jungmädchen­pensionat. Wenn jemand größenwahnsinniger Bundeskanzler sagt, dann sagt er ja nicht größenwahnsinniger Seeber oder größenwahnsinnige Schumann, sondern er nimmt einen Titel und stellt größenwahnsinnig davor. Was daran hat die Qualität für einen Ord­nungsruf? Meiner Meinung nach nichts, null. (Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Irgendjemand hat danach gesagt, irgendetwas ist infam. Das ist meiner Meinung nach in einem Streitgespräch auch richtig. Ich glaube, du versteht etwas intellektuell nicht. (Bundesrat Steiner: Seeber zu mir!) Ja, das ist eine harte Diskussion. Lieber Kollege Buchmann! Vielleicht sollten sich alle Fraktionsvorsitzenden und das Präsidium einfach einmal einen Tag lang die Debatte im Deutschen Bundestag anschauen, die ist auf Deutsch und verständlich. Ich denke, wir lernen einfach (Bundesrat Steiner: Manche!), dass die Würze in der politischen Suppe eine klare und deutliche Sprache ist, aber sie darf nicht persönlich diffamierend sein. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Also: Niemand hat der größenwahnsinnige Seeber oder die größenwahnsin­nige Frau Schumann gesagt, sondern er hat das zu dem Titel gesagt. Ich kann auch sagen: der größenwahnsinnige Jäger auf dem Forsthof. (Zwischenruf des Bundesrates Himmer.) Auch das kann sein.

So, und jetzt zum Abschluss: Ich bekenne mich sehr dazu, dass wir schrittweise vor­sichtig öffnen. Eines darf aber nicht passieren: Wir dürfen nicht so konzeptlos und unvor­sichtig, wie wir in den letzten Sommer gestürzt sind, vorgehen, als wir gedacht haben: Wir kommen da schon durch! Das darf es nicht sein.

Ich gratuliere Kärnten, ich gratuliere der Steiermark und dem Burgenland, die ein Plus in den Tourismuszahlen hatten. Die anderen haben ein bisschen weniger gute Zahlen. Die Seen helfen auch mit. Man hat sich aber einfach planlos und konzeptlos in etwas ge­stürzt und am Ende nur gehofft: Augen zu und wir kommen schon durch. – Darauf hoffe ich nicht! Darauf hoffe ich auch nicht für die Zeit um Ostern herum. Ich hoffe aber, dass wir mit guten Konzepten der Gesellschaft ein bisschen etwas davon zurückgeben, nach dem sie sich sehnt und das wir auch für die Betriebe und für die Beschäftigten in den Betrieben brauchen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.15