10.11

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Und vor allem sehr geehrter Herr Bundesminister! Wie meine Vorred­nerinnen und Vorredner bin auch ich tief betroffen vom Doppelmord an zwei Frauen letzte Nacht in Salzburg. Die bisherige Ankündigungspolitik der Regierung reicht auch beim alarmierenden Problem der Femizide nicht aus, und mit einem weiteren runden Tisch ist es beileibe nicht getan. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Jetzt zum eigentlichen Thema: Der Rücktritt von Bundesminister Anschober ist uns eine Mahnung, respektvoll miteinander umzugehen und die Person hinter dem Amt zu sehen. Es ist wesentlich, sich untereinander diesen Respekt zu erweisen. Trotzdem will ich klarmachen, dass wir NEOS vielem, was in der Regierung passiert ist und was Rudi Anschober gemacht hat, sehr kritisch gegenübergestanden sind. Jetzt starten wir sozu­sagen mit einem neuen Gesundheitsminister neu. Natürlich ist das auch eine Gelegen­heit für einen Neustart in der Pandemiepolitik, denn da ist vieles falsch gelaufen.

Österreich ist nicht besonders gut durch die Krise gekommen, auch wenn uns und den Menschen in Österreich die millionenteuren Regierungsinserate und dieses Regieren per Rhetorik, per Pressekonferenz und Selbstlob immer wieder das Gegenteil weis­machen wollen.

Österreich ist weder gesundheitlich noch wirtschaftlich gut durch die Krise gekommen, im Gegenteil, wir stehen im europäischen Vergleich mit unserer Bilanz schlecht da. Daher ist es jetzt umso wichtiger, in die Zukunft zu schauen und darauf zu achten, dass aus Ihrem Comebackplan nicht tatsächlich nur ein Comeback – zurück zum alten Hinwursteln –, sondern ein wirklicher Neustart wird, im Zuge dessen diesen Ankündi­gungen auch Taten folgen, denn Ankündigungen und Pressekonferenzen haben wir in den vergangenen Monaten genug gehabt.

Ich möchte drei Grundsätze ansprechen, die ich dem Herrn Gesundheitsminister in Bezug auf seine Arbeit mitgeben möchte.

Der erste Punkt ist die Achtung des Parlaments. Wir NEOS haben oft den Eindruck, dass die Regierungsparteien das gerne wegwischen – da es mühsam ist, da es im Parlament nur Streit gibt –, wobei aber, ganz im Gegenteil, das Parlament die gewählte Volks­ver­tretung ist.

Der erste Aspekt davon ist, dass wir es leider schon viel zu lange gewohnt sind, dass nicht nur das Regieren, sondern vor allem die Rechtsetzung per Verordnung passiert. Mit einer ungleichen Machtfülle ausgestattet agieren und regieren die Minister, vor allem der Gesundheitsminister, per Verordnungen außerhalb des Parlaments, was dazu führt, dass ganz wesentliche Debatten hier herinnen nicht geführt werden.

Insbesondere die weitgehenden Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte der Men­schen werden hier nicht so debattiert, wie es sein sollte, sondern sie werden per Verord­nung gemacht, und das ist ein krasser Gegensatz dazu, da eine Achtung des Parlaments gerade in Krisenzeiten eine lebendige Demokratie ausmacht.

Der zweite Aspekt dieses Punktes ist, dass Gesetzentwürfe, die insbesondere aus Ihrem Ressort kommen, Herr Gesundheitsminister, oft dem Prinzip folgen, dass zwar nach außen hin appelliert wird, dass ein Schulterschluss zwischen allen Parteien vorgenom­men werden möge, es in der Praxis dann aber so ausschaut, dass nach dem Prinzip: friss oder stirb!, ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, nicht mit den Oppositionsparteien verhandelt wird und versucht wird, etwas durchzuboxen, anstatt Mehrheiten zu suchen.

Wie wir ja wissen, haben die Regierungsparteien hier in dieser Kammer keine Mehrheit. Diese Mehrheit wäre in vielen Punkten möglich, sie wird aber nicht gesucht, und dann kommen die larmoyanten Kommentare, vor allem von Ihnen, Herr Bundeskanzler, wenn dann hier in dieser Kammer etwas abgelehnt wird – was unser gutes Recht ist. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Der zweite Grundsatz ist die Transparenz. Die Coronakrise hat eine katastrophale Datenlage im österreichischen Gesundheitswesen offengelegt. Am Anfang hat das Ministerium nicht einmal gewusst, wie viele Spitalsbetten es überhaupt gibt. Als dann der Impfstoff da war, hat man im Ministerium, das für die Pflege zuständig ist, nicht gewusst, wie viele Pflegeheime, wie viele Altersheime es gibt, wo diese überhaupt sind und wie groß sie sind. Man hat nicht gewusst, wie viele Beatmungsgeräte es gibt, und wir wissen erst seit Kurzem – nach über einem Jahr –, mit welchen Vorerkrankungen die Patienten, die aufgrund von Covid hospitalisiert werden, ins Spital kommen. Die PCR-Tests sind bis dato nicht in der Elga erfasst – wie soll da die Wissenschaft arbeiten? Die Mehrheit der Ärzte ist nicht ans Elga-System angeschlossen, die Kassenärzte bekannt­lich schon, aber Wahlärztinnen und -ärzte, Schulärztinnen und -ärzte, Militärärzte, Amtsärzte nicht, und die Labore, die die PCR-Tests machen, auch nicht.

Der dritte Grundsatz, der uns NEOS ganz besonders wichtig ist, ist die Rechtsstaat­lichkeit. Wir haben im letzten Jahr öfters gehört – auch von Ihnen, Herr Bundeskanzler –, dass die Verordnungen, die aus dem Hause Ihres Vorgängers, Herr Bundesminister, gekommen sind, sollte der Verfassungsgerichtshof zum Erkenntnis kommen, dass sie nicht gesetzeskonform sind, dann ja eh nicht mehr in Kraft sind. Der Verfassungs­gerichtshof hat leider im letzten Jahr oft einschreiten müssen, die Bilanz ist verheerend. Es waren insgesamt zehn Verordnungen, zehn zentrale Verordnungen Ihres Vorgän­gers, in denen Bestimmungen vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden muss­ten.

Die Hoffnung ist daher, dass Sie aus Respekt gegenüber der Verfassung, aus Respekt gegenüber unserer Demokratie und aus Respekt gegenüber den Menschen in Öster­reich den Rechtsstaat und die Verfassung mehr als Ihr Vorgänger achten werden.

Werte Kolleginnen und Kollegen, wir wollen versuchen, wir sollen versuchen, hier so etwas wie einen Neustart zu wagen. Neustart bedeutet aber auch, dass Schluss mit Ankündigungen sein muss und dass den Ankündigungen Taten folgen müssen.

In Ihrem Ressort gibt es drei weitere große Baustellen. Exemplarisch: Die erste große Baustelle sind die Pensionen, wo ein gewaltiges Loch aufgeht. Es ist prognostiziert, dass das Pensionsloch innerhalb der nächsten vier Jahre um 31 Prozent auf 26,7 Milliarden Euro im Jahr aufgeht. Die zweite große Baustelle ist die Pflege, es wurde bereits ange­sprochen. Ihr Vorgänger hat gesagt, die Pflegereform sei fertig – das glauben wir erst, wenn wir es sehen. Die dritte große Baustelle, auch das wurde schon angesprochen, ist die Sozialhilfe, bei der neun Bundesländer immer noch mit neun Systemen vor sich hin arbeiten und Sie als Gesundheitsminister zuschauen müssen.

Der Gesundheitsminister ist nur in der Pandemie eine wichtige Figur, und wenn die Pan­demie dann überwunden ist – und wir hoffen, dass das bald der Fall ist –, ist der Gesund­heitsminister wieder ein Titel ohne Mittel. Dann folgt der wirklich harte Job als Sozial­minister. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wir NEOS jedenfalls strecken Ihnen für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit unsere Hand entgegen. – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

10.20

Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu seiner ersten Erklärung im Bundesrat hat sich Herr Bundesminister Wolfgang Mückstein zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses. – Bitte, Herr Bundesminister.