10.38.09

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg)|: Frau Präsidentin! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Verehrte ZuseherInnen! Ehrlich gesagt halte ich den Begriff Impfstoffdiplomatie für zumindest sehr heikel, denn immerhin geht es um die Gesundheit von Menschen und gerade auch um die Gesundheit von Menschen, die in Ländern leben, in denen der Zugang zu Impfstoff nicht so einfach ist oder die schlicht ein finanzielles Problem haben, Impfstoff im nötigen Ausmaß um viele Hunderte Millionen Euro oder gar Milliarden Euro zu kaufen.

Es kommt also sehr darauf an, wie das im Detail aussieht, denn Diplomatie signalisiert ja grundsätzlich, dass man mit Impfstofflieferungen politische Ziele verknüpft. Was wir vielmehr bräuchten, wäre eine Impfstoffsolidarität. Das heißt, wir helfen einfach nur, weil Hilfe notwendig ist, das heißt, wir teilen den Impfstoff einfach nur, damit alle eine Chance auf einen Zugang zum Impfstoff haben. Leider ist diese Frage des internationalen beziehungsweise globalen Impfstoffzugangs immer noch stark von nationalen Inter­essen überlagert. Aus meiner Sicht sind das missverstandene nationale Interessen, da eben diesen längerfristig oft damit am besten gedient ist, wenn man in der Krise solidarisch hilft, denn das stärkt dann die Beziehungen und das stärkt das Vertrauen untereinander, auch für später. Das gilt besonders für Europa, das gilt für Europa mit seiner Geschichte, mit seinen Beziehungen zu afrikanischen Ländern, zu asiatischen Ländern.

Immerhin ist es schön zu sehen, dass es der Europäischen Kommission in der Covid-Krise zunehmend gelungen ist, die Impfstoffverteilung innerhalb von Europa zu orga­nisieren und auch aktiv viele Millionen Impfdosen an andere Staaten weiterzugeben. Ich möchte da auch ausdrücklich die Aktion der Bundesregierung begrüßen, am West­bal­kan übrigens auch im Rahmen der Europäischen Union  sehr aktiv zu werden. Soweit ich das wahrnehmen kann, sind diese Impfstofflieferungen an keine Gegenleistungen gebunden, sondern sie sind ein Zeichen der Freundschaft mit dem Westbalkan.

Ein wichtiger Schritt, um Impfstoffe schnell und vor allem kostengünstig verbreiten zu können, wäre eine zumindest vorübergehende Aussetzung des Patentschutzes. Wir haben es gehört, es ist vielleicht weniger an die Oberfläche gekommen: Das Euro­pä­ische Parlament hat vor wenigen Tagen einen wichtigen Schritt gesetzt, indem es mehrheitlich einen Beschluss gefasst hat, den Patentschutz auszusetzen, beziehungs­weise gefordert hat, die Verhandlungen mit der WTO, die da zuständig ist, entsprechend aufzunehmen. Grundsätzlich wäre das ja im Rahmen des betreffenden Abkommens zum Schutz des geistigen Eigentums wohl auch möglich. Das ist nicht zuletzt auch eine Forderung von Ärzte ohne Grenzen, eben genau mit der Zielsetzung, rasch eine flächen­deckende, leistbare Versorgung für alle Staaten zu unterstützen. Übrigens haben über hundert Staaten genau diese Forderung bereits unterschrieben.

Abschließend möchte ich noch meinen Respekt bekunden. Das erschließt sich im ersten Moment vielleicht nicht unmittelbar; es hängt mit einer Megakrise zusammen, die uns noch lange und intensiv beschäftigen wird. Bereits im April dieses Jahres sagte Greta Thunberg, dass sie angesichts der extremen Ungleichverteilung des Impfstoffs – da war es noch krasser als jetzt – an der nächsten Klimakonferenz nicht teilnehmen wird. (Bun­desrat Steiner: Gott sei Dank!) Da spricht sie, finde ich, einen sehr entscheidenden Aspekt an, nämlich, dass Krisen und Herausforderungen diesen Ausmaßes, dass glo­bale Fragestellungen, die sich durch eine unmittelbare Vernetztheit  wie das bei beiden Krisen der Fall ist  auszeichnen, nur solidarisch gelöst werden können. Wir können nur erfolgreich sein, wenn wir sie umspannend als gemeinsame Aufgabe mit einem gemein­samen Ziel verstehen, denn wenn Einzelne nicht mitmachen oder mitmachen können, kann das für die Gesamtheit fatal sein. Aus meiner Sicht ist das eine wichtige Erkenntnis, die jedweder Außenpolitik zumindest in der Krisenbewältigung – eigen sein sollte.

Ich habe zum Schluss noch eine direkte Bitte an Sie, Herr Außenminister: Setzen Sie sich bitte für den Wiener Studenten Ahmed Samir ein – ich glaube, dass Sie das tun werden –, der dieser Tage in Ägypten zu vier Jahren Haft verurteilt wurde, einfach nur deshalb, weil er Missstände in Gefängnissen aufgezeigt und sich damit für Menschen­rechte eingesetzt hat. Ich denke, das ist etwas – mit Blick auf Ungarn, mit Blick auf Ägypten –, das gar nicht geht. Wir müssen alles tun, um ihn wieder nach Hause zu be­kommen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

10.43

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.