17.20

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Bundesratskolleginnen und -kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Wie Kollege Ofner schon sagte, hatten wir gestern hier im Hohen Haus die Enquete des Bundesrates zum Thema „Postcorona – Neue Wertschätzung für den ländlichen Raum“. Wertschätzung im Titel, aber nicht in der Praxis.

Keine der beteiligten Ministerinnen fand es nötig, länger als bis zur Ablieferung ihres Redebeitrages dabei zu sein. Das ist nicht gut. (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.) Als Bürgermeisterin einer Kleinstgemeinde konnte ich mich im Verlauf der Enquete manchmal des Gefühls nicht erwehren, in einem Paralleluniver­sum zu sein, so unterschiedlich waren die Darstellungen von der Realität.

Vielfach wurde die Bedeutung der Gemeinden und der Städte, insbesondere die der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, angesprochen. Zweifelsohne spielt die lokale Daseinsvorsorge eine entscheidende Rolle für ein gutes Leben der Menschen in unse­rem Land.

Die Wertschätzung zeigt sich auch in der finanziellen Ausstattung der Gemeinden, und da treffen die Sonntagsreden auf die Realität und es ist aus mit der Beweihräucherung. Das vorliegende Budget 2022 beziehungsweise die türkis-grüne Steuerreform im Kon­kreten ist ein „Schlag ins Gesicht“ für die Gemeinden. – Ein Zitat von Johann Hingsamer, Chef des Oberösterreichischen Gemeindebundes.

Mindereinnahmen durch Steuersenkungen werden die Gemeinden hart treffen, Zusatz­einnahmen durch die neue CO2-Steuer gehen, so sieht es aus, alleine an den Bund. Fairness und Wertschätzung den Gemeinden gegenüber sieht anders aus, Herr Minister und werte Bundesregierung!

Wir Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die wir mit vollstem Einsatz für die Lebens­qualität der Menschen die Bildungs-, Gesundheits-, aber auch Wirtschaftsstandorte in unseren Regionen stützen und sichern, werden wieder einmal im Regen stehen gelas­sen.

Das Aufgabengebiet und die Leistungen der Gemeinden sind vielfältig. Ich möchte jetzt ein paar Beispiele anführen: Wir Gemeinden leisten für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einen wesentlichen Beitrag. Durch unsere öffentlichen Angebote – Krabbel­stuben, Kindergärten sowie Kostenbeiträge für Tagesmütter, -väter – schaffen wir erst die Wahlfreiheit für die Eltern. Erwerbsarbeit für Mütter und Väter wird so ermöglicht und wichtige Arbeitskräfte für unsere Standorte zur Verfügung gestellt. Der Bau zur Unter­bringung von Krabbelgruppen und Kindergärten nach vorgegebenen Standards sowie deren Betrieb kosten viel Geld – Geld, das wir sozialdemokratische Bürgermeister und Bürgermeisterinnen gerne in unsere Zukunft investieren.

Die Gemeinden sind die UmsetzerInnen, und dazu gehört eine gerechte Zuteilung von Finanzmitteln. In meiner Gemeinde wird zurzeit eine Krabbelstube eingerichtet. Dazu haben wir die KIP-Mittel verwendet. Das ist sich deshalb ausgegangen, weil meine Ge­meinde eine sehr strukturschwache Gemeinde ist und wir an und für sich immer die Probleme haben, unseren Eigenmittelanteil, der zur Durchführung oder Umsetzung ei­nes Projekts benötigt wird, überhaupt anzusparen, da unsere Grundausstattung derartig schlecht ist, dass wir nur schwer zu Ansparmitteln kommen.

Damit sind wir in unseren Handlungen sehr eingeschränkt, und das bedeutet für die Bür­gerinnen und Bürger meiner Gemeinde, dass sie gegenüber Nachbargemeinden Nach­teile haben, weil sie in einer finanzschwachen Gemeinde leben. Das kann man so nicht stehen lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Punkt ist die Teuerung der Bauvorhaben in den letzten eineinhalb Jahren. Selbst in meiner Gemeinde stockt zurzeit ein Bauvorhaben, da es zu einer Kosten­explosion gekommen ist. Gemeinsam mit der Pfarre und dem Musikverein wurde über langwierige Diskussionen und Genehmigungsverfahren ein Kooperationsprojekt entwi­ckelt. Es wurden Verträge abgeschlossen, und schließlich lag der Finanzierungsplan vor. Anfang 2021 kam der Polierplan, und 70 Prozent der Angebote für die Hauptgewerke wurden eingeholt, und siehe da: eine Kostenüberschreitung um fast 30 Prozent. Das Geld fehlt. Es geht nun in die nächste Runde, zur Erstellung eines neuen Finanzierungs­plans.

Bei mir steht jetzt die Gemeinde ohne Bauhof da, der Musikverein mit einem zu kleinen Proberaum und die Pfarre bald ohne Pfarrbüro. Herr Minister, wir sind nicht die Ein­zigen, denen die Baukosten davonlaufen. Was gedenken Sie da zu tun? – Wie wäre es aufgrund der enormen Teuerungsraten mit einem Bundesbeitrag für unterfinanzierte Projekte bei finanzschwachen Gemeinden?

Noch ein Beispiel, die freiwilligen Feuerwehren: In den oberösterreichischen Gemeinden arbeiten wir mit der GEP – Gefahrenabwehr- und Entwicklungsplanung –, einem Instru­ment für die Planungssicherheit der Gemeinden. Für Anschaffungen zur Einsatzbereit­schaft der freiwilligen Feuerwehren hat die Gemeinde Ansparmittel beiseitezulegen. Bei der miesen finanziellen Ausstattung der Gemeinden wird sich das wohl bald nicht mehr ausgehen. Herr Minister, wer zahlt dann den Gemeindeanteil?

Noch etwas, nämlich zur Pflege: Über 28 Prozent der Ertragsanteile meiner Gemeinde gehen direkt in den Sozialhilfeverband, hauptsächlich für die Pflege- und Altenheime. Für uns Sozialdemokraten sind das wichtige Ausgaben für die Sicherheit der Menschen im Alter, und wir stellen dies nicht infrage. Es braucht aber eine neue Aufgabenteilung bei der Pflege. Die bestehenden Finanzierungen durch die Gemeinden werden sich bald nicht mehr ausgehen. Die Mehrausgaben in diesem Bereich sind vorprogrammiert.

In Ihrer Finanzplanung findet sich davon aber nichts. Eine sukzessive Privatisierung der Pflege darf keine Lösung sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.28

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile ihr dieses. (Bundesrätin Gru­ber-Pruner – auf dem Weg vom Platz der Schriftführung am Präsidium zum Redner­pult –: Ich habe einen kleinen Umweg genommen!)