13.22

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Herr Vorsitzender! Herr Bundeskanzler! Herr Außenminister! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Hohes Haus! Heute erleben wir hier – Sie wahrscheinlich noch mehr als ich –, wie Freude und Leid beieinander liegen können. Ich habe mich am Vormittag noch einmal über das Wirken Ihres Kollegen Beer kundig gemacht und kann feststellen, dass der Bundesrat mit ihm nicht nur ein lang gedientes, sondern durchaus auch wichtiges und umfänglich engagiertes Mitglied verliert. Wenn ich jetzt noch mehr Worte verlieren würde, wäre es nicht glaubwürdig, weil ich ihn ja nicht so genau kannte. Ich wollte das aber nicht unerwähnt lassen, weil ich glaube, dass die Arbeit vieler Bundesrätinnen und Bundesräte individuell durchaus oft auch gerne unter­schätzt wird. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Umgekehrt gibt es auch einen Grund, zu gratulieren, und zwar einerseits zur Wahl, aber vor allem – wie wir gerade miterlebt haben – zur Angelobung der neuen und der wie­dergewählten Bundesrätinnen und Bundesräte. – Auch dazu noch einmal Gratulation von uns!

Der nächste Dank geht in Richtung Regierungsbank – das möchte ich nicht unerwähnt lassen –, zunächst vor allem an Bundeskanzler Schallenberg. Ich möchte überhaupt nicht verhehlen, dass die Situation für einige Beteiligte in diesen Tagen und Stunden gar nicht so leicht war. Ich finde, er und wir haben das dann gemessen an der Situation gut hingekriegt.

Die Österreichische Volkspartei hat Alexander Schallenberg vorgeschlagen, die Kanzler­schaft zu übernehmen – und auch dafür im Übrigen Respekt. Sebastian Kurz hat einen, wie er es formuliert, Schritt zur Seite gemacht, jedenfalls ist er von diesem Amt einmal zurückgetreten. Auch das verdient Anerkennung und Respekt, weil das wahrscheinlich weder für die Volkspartei noch für den ehemaligen Bundeskanzler leicht ist. Ich möchte das nicht unerwähnt lassen. Jedenfalls: Es hat von Anfang an gut funktioniert. Wir haben sofort unsere Gespräche aufgenommen, einen Arbeitsmodus vereinbart, und ich darf Ihnen versichern, die Bundesregierung war in diesem Sinne zu jedem Zeitpunkt – zu jedem Zeitpunkt! – handlungsfähig. Das ist ja auch für Sie als föderales Mitbestimmungs- und an manchen Stellen auch Kontrollorgan nicht ganz unerheblich, glaube ich.

Kollege Schallenberg war ja immer schon dabei – an dieser Stelle darf ich dem neuen Außenminister gratulieren –, möglicherweise ist das aber im Kanzleramt eine andere Perspektive, und so betrachtet: Herzlich willkommen im Maschinenraum!, wie wir immer gesagt haben. Zu tun, wir haben es schon gehört, das muss ich nicht alles wiederholen, gibt es ja in der Tat genug. Und ja, unsere Hand ist ausgestreckt. Ich finde, jeder Wechsel bringt, genau betrachtet, auch neue Möglichkeiten. Ich unterstütze das sehr.

Im Stress der letzten eineinhalb, zwei Jahre haben wir es nicht immer gleich geschafft, jetzt soll wieder verstärkt die Zusammenarbeit forciert und der Kontakt zu den Sozial­partnern, zu den Landeshauptleuten – das wird für Sie vielleicht sehr relevant sein –, aber auch zu den zivilgesellschaftlichen Organisationen im Sozialbereich, im ökologi­schen Bereich und zu den Religionsgemeinschaften gesucht werden. (Bundesrat Steiner: Zu den Abgeordneten vielleicht! – Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) All das ist gut angegangen worden, und ich glaube, dafür ist auch Respekt auszusprechen.

Jetzt ist es so, dass mehrere Institutionen und auch Personen, die Verantwortung über­nommen haben, die kurze, aber durchaus heftige Bewährungsprobe ganz gut bestanden haben. Ich möchte noch einmal das Parlament erwähnen, die Klubobleute aller Fraktionen – im Übrigen auch der ÖVP. Es war ja tatsächlich so, dass wir Tage gehabt haben, an denen sich alle mit allen gesprächsweise getroffen haben, aber im Sinne des Bundespräsidenten in gewisser Weise auch ein formalisierter Prozess stattgefunden hat, im Rahmen dessen die Gespräche öffentlich annonciert wurden und ein Resümee ge­zogen wurde. Deshalb möchte ich ausdrücklich Dank an August Wöginger, an Pa­mela Rendi‑Wagner, an Herbert Kickl, an Sigi Maurer und an Beate Meinl‑Reisinger aus­sprechen.

Das hat nämlich dazu gedient, dass wir auch Gespräche geführt haben, was die Natio­nalratsmehrheiten betrifft. Das ist natürlich eine Frage der politischen Bewertung, aber viele Fraktionen haben ja schon die Meinung gehabt, dass zumindest Teile der Steuerreform – wenn schon nicht alle völlig übereingestimmt haben – für alle ein gangbarer Weg sind. Teilweise, an manchen Stellen wurden sie ja mit der Freiheitlichen Partei verhandelt. Gegen die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer in bestimmten Tarifstufen, so wie wir das dann gelöst haben und wie es ja schon einmal im Raum stand, wird auch niemand etwas gehabt haben. Es wäre ja völlig verkehrt gewesen, wäre das perdu gegangen, wenn sich die parlamentarischen Mehrheiten aufgrund von Regie­rungskonstellationen verändert hätten. Ich finde, das ist ein Reifeausweis und deshalb noch einmal mein Dank an alle.

Es hätte genauso die Chance gegeben, ein Budget zu beschließen, auch wenn es nicht überall hundertprozentige Übereinstimmung gegeben hätte, aber man findet auch über fünf Fraktionen hinweg einen Mindestkonsens, und das wäre sicher viel besser als ein Budgetprovisorium – manche von Ihnen werden das kennen –, bei dem man dann ab März, spätestens Mai die Situation hat, dass wir in so etwas Ähnliches wie einen Shutdown kommen und die Ausgabenobergrenzen keine Handlungsspielräume für die Ministerien zulassen.

Wir hatten mithin – so viel politische Bewertung schon – nicht den Eindruck, dass größere Mehrheiten im österreichischen Parlament oder auch in der Bevölkerung an sofortigen Neuwahlen interessiert wären, und deshalb diese Kaskade betreffend Verant­wortungsübernahme. Alle, ich habe da niemanden auszunehmen, haben, denke ich, diese Bewährungsprobe bestanden, und das war durchaus auch im Sinn des Bundes­präsidenten. Es hat ja laufend Gespräche gegeben. Ich wollte Sie darüber nur noch einmal unterrichten, weil ja aufgrund der terminlichen Abfolge diese Regierungs­erklä­rung anlässlich der Regierungsumbildung im Bundesrat nicht so rasch stattfinden konnte wie im Nationalrat; aber gut, dass sie jetzt stattfindet.

Dann wollte ich noch ein Wort darüber verlieren – weil das immer so ein heikles Thema ist –, dass auch andere Institutionen ihre Bewährungsproben bestehen, so auch die Justiz. Ich möchte versuchen, das möglichst neutral zu formulieren: Wir erleben ja immer wieder, auch jetzt aktuell – ich gehe es von umgekehrter Seite an –, dass Ermittlungen auch eingestellt werden. – Ja, gut so. Wenn aufgrund von gesetzlichen Vorgaben, Verantwortung und Aufgabenstellung vonseiten der Staatsanwaltschaften ermittelt werden muss, dann soll es geschehen. Es ist aber alles einzubeziehen: das Entlastende, das Belastende et cetera. Es kommt hoffentlich immer in der vertretbaren Zeit – das ist ja noch am ehesten der Engpass betreffend Entscheidungen.

Wir wollen schon in Erinnerung rufen, dass wir sowohl von der einen als auch von der anderen Seite den Respekt gegenüber der unabhängigen Justiz walten lassen sollen, denn wir sehen ja, dass sie insoweit funktioniert, als doch – ja, so könnte man sagen – relativ auffällige, resche Ermittlungsschritte gemacht werden, aber umgekehrt auch Ermittlungen eingestellt werden. Ich finde, das ist ja das beste Zeugnis dafür, dass es eine gewisse Balance gibt, an der wir alle gemeinsam interessiert sein sollten.

Man muss aber beides respektieren: Es muss auch die Unschuldsvermutung im straf­rechtlichen Sinn gelten. Es sind alle eingeladen, auch diese zu berücksichtigen. Be­züglich der politischen Bewertungen ist jeder für sich selbst verantwortlich, hinsichtlich dessen, wie er das formuliert, einschätzt und wie er sich da verhält. Das ist eine zweite Sache. – So ist das jedenfalls einzuordnen.

In einer reifen Demokratie funktionieren Checks and Balances. Das heißt, die unab­hängige Justiz ist eine wichtige Säule. Sie darf insgesamt nicht infrage gestellt sein, aber einzelne Maßnahmen und Schritte können natürlich kritisiert werden. Das muss zulässig sein. Ich werbe wirklich dafür, diesen aufgeklärten Zugang zu wählen, weil uns das alle wieder mehr zusammenführen könnte. So gesehen haben meistens beide Seiten im Ergebnis ein bisschen recht. Es gibt ja da oder dort dann natürlich auch Rechtsmittel gegen Entscheidungen, die ja auch ergriffen werden. Man wird dann sehen, wie darüber entschieden werden wird. Wenn es bis zur letzten Instanz geht, geht es bis zur letzten Instanz, aber die Entscheidung ist dann zu respektieren – so ist es nun einmal. Ich finde, auch das bewährt sich gerade eben in Österreich.

Die Regierung selber hat natürlich jetzt schon – ich beziehe mich auf die Zeit seit der Umbildung – einiges auf den Weg gebracht. Das möchte ich nur unterstreichen. Es ist vor allem gelungen, das Budget in trockene Tücher zu bringen. Die Steuerreform ist jetzt einmal in sehr breiter Version auf dem Weg, mit den Ökologisierungsmaßnahmen, die in ihrem Dreischritt einmalig sind. Ich bin für diese Aussage schon einmal kritisiert wor­den, daher bitte zuhören: Warum ist das so einmalig? – Weil wir nicht nur einen CO2-Preis bringen – das hat ja bald jemand, vielleicht über Steuern oder sonst etwas –, sondern eben auch ein sofort konvertierbares Handelssystem. Man kann also so wie in der Bundesrepublik in ein fortschrittliches Handelssystem shiften, wenn dann die Union das hat oder auch wenn wir das nur in Österreich haben wollen. Das sind schon einmal zwei Sachen: Bepreisung, modernes System, und nicht irgendeine Hollodaroabgabe, sodass es dann nur in der Statistik, wer auf der ganzen Welt einen CO2-Preis hat, steht. Wenn Sie aber genau hinschauen, sehen Sie dann, dass irgendjemand irgendwo 1995 eine Abgabe von ein paar Groschen für irgendetwas eingeführt hat – das ist jedenfalls keine CO2-Bepreisung, sorry.

Das Allerwichtigste ist aber, dass alles, was eingehoben wird – der Preis wird ja stei­gen –, auch in Form von Klimabonus plus Mobilitätsbonus für jene Leute, die vom Ver­kehrssystem her nicht die Möglichkeit haben, so schnell auszuweichen, zurückgegeben wird. Genau die Einnahmen, die reinkommen, werden also auch zurückgegeben – das ist überhaupt einmalig. Der deutsche Klimarat und dessen Mitglieder haben die wohl im Werden begriffene deutsche Bundesregierung eingeladen, sich das österreichische Modell genauer anzuschauen.

Ich glaube, da geht also etwas weiter. Deshalb sind wir ja so interessiert daran, das alles nicht stecken bleiben zu lassen, sondern vorwärtszubringen – detto das Budget. Es gibt für alle Ressorts gute Möglichkeiten. Das ist drittens wiederum deshalb möglich, weil die wirtschaftliche Entwicklung relativ gut verläuft. Wir haben uns voriges Jahr jedenfalls nicht gedacht, dass wir so aus der Pandemie herauskommen.

Die Pandemie bleibt ein Problem. Ich sehe zwei Ansätze – sie wurden genannt –: Ers­tens wird österreichweit natürlich danach zu trachten sein, dass die Maßnahmen doch eine gewisse Wirkung erzielen. Das bezieht sich vor allem darauf, was die Verordnungen hergeben, aber die Maßnahmen müssen dann auch kontrolliert werden. Das wird leider so sein müssen, weil wir ansonsten – das steht zu befürchten – sofort wieder mit Ein­stufungen als Hochinzidenzgebiete vulgo Reisewarnungen et cetera konfrontiert sein werden, und das kann niemand wollen, gerade eben für die österreichische Wirtschaft.

Österreich hat in der Wertschöpfung eben einen sehr hohen Anteil aus Tourismus, Hotellerie, Gastronomie. Auch die Kulturbetriebe sind damit verbunden. Das muss man einfach einmal sehen. Deshalb haben wir voriges Jahr ja so überproportionale Ein­schnitte in der Wertschöpfung gehabt. Die haben wir aber wieder schneller als andere aufgeholt – der Herr Bundeskanzler hat es angedeutet –, und so sind Wertschöpfung und Arbeitslosigkeit mindestens ein Jahr früher als erwartet wieder auf Vorkrisenniveau. Viele haben daran ihren Anteil, ich will das gar nicht für die Bundesregierung allein reklamieren. Man sollte schon auch sehen, dass gerade im wirtschaftlichen und sozialen Bereich sehr, sehr viel gelungen ist, womit wir uns über diese Krise drübergehoben haben. Insofern sollten wir alles daransetzen, dass die Auswirkungen dieses wirklich giftigen Virus, dieser Heimsuchung, wenn man so will, uns nicht noch einmal voll treffen, denn das hat auch soziale und ökonomische Konsequenzen; von den gesundheitlichen rede ich ja gar nicht.

Das alles passiert in sehr guter – auch wenn es da oder dort Differenzen gibt – Zusam­menarbeit mit den Landeshauptleuten. Das betone ich natürlich im Bundesrat immer wieder. Es gibt regional völlig unterschiedliche Entwicklungen, daher bleiben wir grund­sätzlich schon dabei, dass wir, wie es jetzt immer heißt, die Unterkante der Maßnahmen vorgeben. Regelmäßig geschieht es als Verordnung des Gesundheitsministers in enger Abstimmung mit dem Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts. Das machen wir natürlich durchgehend und möglichst gemeinsam. Das sei auch hier gesagt.

Aus meiner Sicht hat bei aller Kritik an Einzelmaßnahmen – wir haben ja auch immer wieder einmal Fehler eingestanden, und dass es sie gibt, kann ja gar nicht anders sein bei, weiß ich nicht, Hunderten Erlässen und Verordnungen, die es da gibt –, denke ich, grosso modo alles ganz gut funktioniert. Das wollen wir natürlich weiter beibehalten.

Insgesamt haben wir eben versucht, weiter Stabilität, Verlässlichkeit, Orientierung zu bieten. Aus dieser Verantwortung, aus der Verantwortung dem Regierungsprogramm gegenüber und aus der Verantwortung dem Bundespräsidenten gegenüber, der uns ja auch damals schon auf Basis dessen angelobt hat, haben wir diese Schritte gesetzt.

Es gibt natürlich noch eine Reihe von Zukunftsprojekten, die, glaube ich, auch aus föderaler Sicht wieder sehr interessant sind. Das betrifft vor allem Kinderbetreuung, Bildung – es wurde alles genannt –, es betrifft die Pflegereform, bezüglich derer jetzt dann erste Schritte gesetzt werden; erste Budgetmittel sind ja vorgehalten. Das werden große Aufgaben werden; das ist uns völlig bewusst.

Ich glaube, es ist da einiges erreicht worden und darauf sollte man durchaus stolz sein. Vieles kann kritisiert werden – das ist ja mit Ihre Aufgabe hier im Parlament –, aber eines sollten wir uns schon gemeinsam vornehmen: Die Zeiten sind immer noch außerordent­lich schwierig, und wir sollten versuchen, diese außerordentlichen Schwierigkeiten auf einer gewissen Mindestbasis gemeinsam zu meistern. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.37

Präsident Dr. Peter Raggl: Ich danke dem Herrn Vizekanzler für seine Ausführungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile ihr das Wort.