15.35

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrter Herr Außen­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ich möchte zu Beginn im Namen meiner Fraktion dem neuen Bundeskanzler sowie dem neuen Außenminister viel Erfolg für ihre neuen Aufgaben wünschen! (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Die sozialdemokratische Fraktion ist an einer respektvollen Zusammenarbeit und an einem regelmäßigen Austausch sehr interessiert. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass wir dafür zur Verfügung stehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Ich darf mich als außenpolitische Sprecherin meiner Fraktion aber besonders an Sie, sehr geehrter Herr Außenminister, wenden. Laut Ihrer Aussage in der „ZIB 2“ ist es Ihr Ziel, die Kontinuität der österreichischen Außenpolitik auch nach der jüngsten Regie­rungskrise zu gewährleisten. Weiters sagten Sie, dass Österreich ein „tief europäisch verwurzeltes Land“ sei. – Da stimme ich Ihnen zu. Deswegen ist es essenziell, unseren Ruf als neutrales Land, als Partner, als Vermittler und als Garant für proeuropäische Politik zu wahren.

Sie wollen gemeinsam mit dem neuen Bundeskanzler Mag. Alexander Schallenberg das aktuelle Regierungsprogramm vertrauensvoll weiter umsetzen. Das wird angesichts der veränderten Personen in der Regierung und insbesondere an der Regierungsspitze mit Sicherheit ein Drahtseilakt für Sie werden. Immerhin sind Ihnen die großen Linien damit vorgegeben.

Ihre Loyalität gegenüber dem nunmehrigen Vorsitzenden Ihrer Partei gehört parteiintern mit Sicherheit zum guten Ton, haben Sie doch seinem Rücktritt den wohl unvorher­sehbarsten Karriereschritt Ihrer diplomatischen Laufbahn zu verdanken. Es darf aber auch von Ihnen nicht ignoriert werden, dass dem ÖVP-Klubobmann Anstiftung zur Un­treue und Korruption vorgeworfen werden und dass auch gegen andere Mitglieder der ÖVP Ermittlungen laufen. Das sind Vorgänge, die in zahlreichen Staaten Europas zu umgehenden Rücktritten geführt hätten. Umso wichtiger und für Sie schwieriger wird es sein, unser Bild in Europa und der Welt wieder geradezurücken – und darum ersuche ich Sie hiermit ganz herzlich.

Die Entwicklungen der letzten Wochen haben auch ein großes gegenseitiges Misstrauen in der Bundesregierung deutlich gemacht. Dieses Misstrauen birgt die Gefahr der gegen­seitigen Blockade und des Stillstands. Dabei kann es sich Österreich gerade jetzt nicht leisten, dass sich Türkis und Grün gegenseitig im Wege stehen.

Sehr geehrte Regierungsmitglieder, ich appelliere deswegen an Sie alle, das „dünne Eis“, wie Sie, Herr Bundeskanzler, es nannten, bald zu verlassen und das Vertrauen wieder aufzubauen, denn dafür wurden Sie auch gewählt.

Ich möchte einen Punkt ansprechen, der mir für die künftige Gestaltung der öster­reichi­schen Außenpolitik sehr wesentlich erscheint: Es sollte gerade auch in Fragen der Außen­politik einen regelmäßigen Dialog zwischen den Fraktionen geben, um in wichti­gen außenpolitischen Fragen einen möglichst breiten Konsens zu erzielen. Das Bemü­hen um einen solchen Konsens wurde aus meiner Sicht in den letzten Jahren bedauer­licherweise vernachlässigt. Immer wieder waren Brüche mit traditionellen Positionen der österreichischen Außenpolitik und Positionierungen, die gerade auch im Kreis der EU einiges an Irritation und Verwirrung erzeugt haben, feststellbar.

Ich denke dabei etwa an das Naheverhältnis unseres ehemaligen Bundeskanzlers zu US-Präsident Trump, aber auch an die totale Kehrtwende in der langjährigen Vermittlung im israelisch-palästinensischen Konflikt, in dem Österreich bislang stets aktiv die Zwei­staa­tenlösung unterstützt hat. Ich habe zudem mit Sorge beobachtet, dass sich Österreich in der EU in den letzten Jahren mit manchen Positionen zunehmend isoliert hat – teils deshalb, weil es die innenpolitische Agenda und das Schielen auf Wahlergebnisse für die ÖVP erfordert haben, teils deshalb, weil das außenpolitische Agieren Österreichs schlichtweg vernachlässigt wurde.

Das setzt sich bislang leider auch mit Ihnen fort. Man denke an Ihren Auftritt in der „ZIB 2“, wo Sie auf die Fragen nach Ihrer Sichtweise auf die Afghanistanpolitik sinn­gemäß gemeint haben, es gebe einen Kriterienkatalog für den Umgang mit den Taliban und 20 Millionen Euro seien ein ausreichendes humanitäres Programm, das von dieser Regierung geschnürt worden sei. Zugleich haben Sie sich aber nicht dafür ausge­sprochen, Frauen aufzunehmen. Frauenrechtlerinnen, Richterinnen, Frauen, die um ihre Rechte gekämpft haben, haben Sie wie Ihre Vorgänger Mag. Schallenberg und Kurz im Stich gelassen. (Beifall bei der SPÖ.) Sie haben sich vielmehr auf unsere historische Verantwortung, auf das, was wir bereits getan haben sollen, zurückgezogen, und das, obwohl der Bundespräsident eine rechtliche, moralische und politische Verpflichtung gesehen hätte, Menschen aus Afghanistan zu helfen.

Herr Außenminister, da erfüllen Sie meine und unsere Erwartungen bislang nicht, das möchte ich Ihnen schon deutlich sagen. Sie haben angekündigt, auf eine seriöse Außen­politik setzen zu wollen. – Das beruhigt mich sehr, das wird Österreich guttun. Ich hoffe sehr, dass das Bemühen um einen außenpolitischen Konsens nun wieder in den Vorder­grund rücken wird. „Ein Land wie Österreich, mittlere Größe, braucht in einer globali­sierten Welt umso mehr Außenpolitik. Es muss im Ausland präsent sein“, haben Sie in einem Interview mit der Zeitung „Kurier“ gesagt. In diesem Punkt stimme ich Ihnen zu.

Meine Fraktion und ich treten für eine aktive, global orientierte österreichische Außen­politik und auch für eine aktivere internationale Rolle der EU ein. Ein gemeinsames Ziel sollte es sein, Österreich und insbesondere Wien als Drehscheibe des internationalen Dialoges zu stärken. Wie das gelingen kann, darüber sollten wir intensiver diskutieren, denn da ist der internationale Wettbewerb groß. Österreich sollte sein außenpolitisches Engagement künftig jedenfalls darauf ausrichten, wieder verstärkt als echter, neutraler Vermittler tätig zu sein. Nur in enger Abstimmung mit unseren Nachbarn in Europa und der Welt können wir die Herausforderungen von heute und morgen bewältigen.

Meine Fraktion erwartet sich daher von Ihnen, Herr Außenminister, bei der Ausübung Ihres Amtes einen offenen Blick abseits von Parteigehorsam, einen regelmäßigen Aus­tausch mit dem Parlament und eine erfolgreiche Arbeit im Sinne des internationalen Ansehens unseres Staates Österreich. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Abschluss meiner Rede möchte ich mich persönlich noch einmal von Wolfgang verabschieden. In der Fraktion war ich mit ihm am längsten beisammen. Wolfgang, wir vergessen dich nicht! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ.)

15.45

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile dieses.