20.30

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor allem auch: Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Herr Kollege Spannring, Sie haben es abermals geschafft, mit Ihrer Rede den absoluten Tiefpunkt des Niveaus in einer Debatte zu erreichen. (Bei­fall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.) Ganz ehrlich: Eigentlich hätte ich ja auf ein Dementi gehofft. Leider war es das völlige Gegenteil.

Ich darf auch berichten, und zwar aus meinem Bezirk – wir haben die Geschichte heute schon gehört –: Auch da gab es Menschen, die Kickls abstrusen und gemeingefährlichen Ratschlägen folgten, Entwurmungsmittel oder auch überdosierte Vitaminpräparate ein­nahmen und sich dabei ganz sicher – das sage ich jetzt in Richtung FPÖ – vergifteten und sich im schlimmsten Fall – um das richtigzustellen – zumindest indirekt das Leben genommen haben, weil sie auf klassische Humanmedizin verzichtet haben. Das war der Grund dieser beiden Todesfälle, was übrigens dann auch recherchiert und bestätigt wur­de. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Bundesrat Spanring: So ein Blödsinn! Also so ein Schwachsinn!)

Wenn Sie, liebe FPÖ, weiteren verheerenden Schaden an der Gesundheit von Men­schen in diesem Land vermeiden wollen und wenn Sie noch einen Funken an Anstand und Verantwortungsbewusstsein haben, distanzieren Sie sich von diesen Aussagen des Herrn Kickl! Alles andere macht Sie nämlich mitschuldig daran. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Bundesrat Spanring: Ich distanziere mich von dieser Regierungspolitik! Das mache ich!)

Jetzt zur eigentlichen Debatte: Ja, die Coronapandemie ist abermals das bestimmende Thema in diesen letzten Wochen, in diesen letzten Tagen. Die vierte Welle hat uns voll im Griff und schlägt mit ihren dramatischen Wirkungen auf alle Bereiche durch, auf den Gesundheitsbereich, auf den Arbeitsmarkt, auf die Wirtschaft, auf die Unternehmen und auch – das habe ich heute von keinem gehört – auf die finanzielle Situation der Gemein­den und Städte. (Beifall bei der SPÖ.)

Alle, auch die Medien, nicht nur die Menschen, fragen sich: Wie konnte das passieren? Bei allem Verständnis für das Problem der Unberechenbarkeit – das gab es bei der ersten und von mir aus auch noch bei der zweiten Welle – und bei allem Verständnis für die große Herausforderung dieser Krisenbewältigung muss man eines feststellen: Die Tragweite und Zuspitzung, die wir in den letzten Tagen erleben müssen, sind hausge­macht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein fatales Krisenmanagement der Bundesregierung und auch der Landesregierungen in Oberösterreich und Salzburg ist dafür verantwortlich. Während im Frühherbst Exper­ten aus Wissenschaft und Medizin unisono vor dieser Entwicklung gewarnt haben und auch Maßnahmen einforderten, haben die politisch Verantwortlichen in der türkis-grünen Bundesregierung und auch in der schwarz-blauen oberösterreichischen Landesregie­rung weggeschaut. Das war beispiellos. Sie alle miteinander haben da versagt.

Anstatt gemeinsam gegen die Krise zu kämpfen, hat man sich aus parteipolitischem Kalkül in interne Querelen verstrickt. Die ÖVP konnte ja unter keinen Umständen die vom angeblichen Krisenmanager Kurz ausgegebene Linie verlassen, der unverdrossen noch den ganzen Sommer lang in ganz Österreich plakatieren ließ – wir haben das heute schon gehört –: „Die Pandemie gemeistert, die Krise bekämpft“.

Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihre Ministerkollegen Köstinger und Blümel, nahmen diese Diktion nahtlos auf und verkündeten ebenfalls mehrmals das Ende der Krise. Gleichzeitig wurde von Altkanzler Kurz noch die Impfkampagne heruntergefahren und so getan, als würde man das alles nicht mehr brauchen.

Wir wissen ganz genau, welche Auswirkungen das auf die Menschen hat. Damit haben Sie ganz klar die Menschen getäuscht und ihnen eine heile Welt vorgegaukelt. Das war ein fataler Fehler, wie wir heute wissen. Es war auch grob fahrlässig und trug alles an­dere als dazu bei, die Menschen von der absoluten Notwendigkeit der Impfung zu über­zeugen. So kann man keine Menschen überzeugen, die unsicher sind, die Fragen haben oder die vielleicht auch Angst vor der Impfung haben.

Schauen wir nach Oberösterreich, in mein Bundesland! Da ist es ja um keinen Deut besser. In Oberösterreich hat man seitens der ÖVP die Krisenbekämpfung den ganzen Sommer hinweg überhaupt einem völlig unangebrachten Wohlfühlwahlkampf und der Anbahnung einer Koalition mit der FPÖ geopfert. Die Wörter Pandemie und Corona wurden ganz einfach aus dem Wortschatz gestrichen. Es wurden Kampagnen einge­stellt, Impfstraßen geschlossen und der Ausbau des Testangebotes verschlafen. Bis heute gibt es in weiten Teilen Oberösterreichs noch keine Gurgeltests.

Landeshauptmann Stelzer wollte ein friedliches – das sind seine Worte –, ein sicheres und krisenfestes Oberösterreich ausrufen. Dieses Oberösterreich hat letztendlich im Chaos und in der Katastrophe geendet. Fatale Aussagen Stelzers – wie etwa, in Ober­österreich habe man ja „Gott sei Dank viele Intensivbetten“ – und eine insgesamt völlig vermurkste Außenkommunikation am Höhepunkt der Krise trugen das ihre dazu bei.

Die Landeshauptleute Stelzer und Haslauer waren später auch noch sichtlich stolz da­rauf, sich beim Bundesminister für Gesundheit durchgesetzt zu haben. Gegipfelt hat das alles darin, dass sich Haslauer auch noch mit einem Lächeln in einer Pressekonferenz über die ernste Meinung und die spezifischen Vorschläge der Mediziner und der Wissen­schaft lustig gemacht hat. Alles in allem waren das Vorgänge, von hochrangigen ÖVP-Politikern produziert, die einen auf der einen Seite ratlos und zornig und auf der anderen Seite beschämt zurücklassen.

Die schlimme Realität sieht leider anders aus. Das gesamte Pflege- und Gesundheits­personal ist am Ende seiner Kräfte und fühlt sich angesichts dieser Ignoranz der ver­antwortlichen Politik hilflos. In Krankenhäusern kommt es längst zu Triagen. In einem oberösterreichischen Krankenhaus mussten Leichen auf dem Gang abgestellt werden, weil in einer Nacht so viele Menschen starben, dass die Prosektur überfüllt war. Ein Arzt aus Wels – das ist keine Erfindung; mir liegt auch der Name vor – bringt es auf den Punkt: In Oberösterreich ist es ganz einfach politisches Versagen. – Zitatende.

Vor dem totalen Kollaps in unseren Krankenhäusern musste man sich dann doch die Fehler eingestehen, täglich von den eigenen Ankündigungen des Vortages zurückrudern und schließlich die Notbremse ziehen. Deshalb lautet unser Fazit: Es regiert auf Bundes­ebene wie in Oberösterreich das Chaos. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines steht fest: Der Lockdown wäre vermeidbar gewesen, war aber aufgrund der ab­soluten Notlage das letzte probate Mittel. Das sieht die Wissenschaft so, genauso wie Teile der Gewerbe-, der Gastronomie- und auch der Tourismusbranche.

Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Was Sie in dieser Situation sicher nicht tun können, ist, mit dem Finger auf Oberösterreich oder Salzburg zu zeigen. Das ist auch umgekehrt nicht möglich. Ich sage Ihnen auch, warum: weil Sie es gemeinsam verbockt haben, weil es hauptverantwortlich Ihre türkise Familie war, aber auch die Grünen in der Regierung waren, die da an allen Ecken und Enden versagt haben. Was Kurz mit seiner Schmähpolitik so unrühmlich angefangen hat, das führen Sie, Herr Bundeskanzler, lei­der fort. Das ist es, was man Ihnen vorwerfen muss. Dieser Lockdown trägt Ihren Namen.

Jetzt heißt es einmal mehr  und das ist jetzt meine Botschaft nach draußen : Lassen wir uns in dieser aufgeheizten Diskussion in der Gesellschaft nicht weiter auseinanderdi­vidieren! Halten wir zusammen! (Zwischenruf bei der ÖVP.) Lassen wir uns, lassen Sie sich impfen! Vertrauen wir – und das ist wahrscheinlich die wichtigste Botschaft – auf Wissenschaft und Medizin, und halten wir zusammen!

Abschließen möchte ich mit einem herzlichen Danke an alle Pflege- und Gesundheits­kräfte da draußen, die rund um die Uhr für die Gesundheit und das Leben vieler Men­schen kämpfen. Bitte halten Sie durch! – Danke für die Aufmerksamkeit und bleiben Sie gesund! (Anhaltender, stehend dargebrachter Beifall bei der SPÖ.)

20.40

Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Elisabeth Grossmann. Ich erteile es ihr.