21.22

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Liebe Kollegen! Keine Aufregung, aber man kann eine solche Debatte nicht mit den Worten von Kollegen Steiner enden lassen. (Bundesrat Steiner: Wieso nicht?) In diesem Sinne:

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Gesundheitsmi­nister! Wieso nicht? – Weil das hier keine Probebühne für die nächste Verweigererde­monstration ist – und etwas anderes war das nicht. (Bundesrat Steiner: Was?) Sie haben aus der Sitzung hier eine Art Probebühne gemacht, Herr Kollege, und, sorry, das ist sie nicht. (Bundesrat Steiner: „Sorry“!)

Das einzig Interessante sind Ihre Ausführungen zum Nikolaus. Ich habe selten gehört, dass sich die FPÖ mit solcher Leidenschaft auf jemanden aus der Türkei beruft (Heiter­keit und Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP – Bundesrat Steiner: Aus Myra!), denn der heilige Nikolaus heißt Nikolaus von Myra (Bundesrat Steiner: Richtig!), ist in Patara geboren, und das alles liegt in der heutigen Türkei. (Bundesrat Steiner: Er war Grieche!) – Ja, ja, natürlich, aber er kommt aus der heutigen Türkei. (Bundesrat Steiner: Was ist daran schlecht?) – Nein, das ist ja alles in Ordnung. Es ist alles in Ord­nung. (Bundesrat Spanring: Das ist aber sehr ausländerfeindlich von Ihnen!) – Nein, ich habe nur ein bisschen darauf hinweisen wollen. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Aber der eigentliche Grund – jetzt schaue ich Frau Zwazl an –: Wir haben einander ja in den vielen Jahren, die wir hier sind, durchaus schätzen gelernt, und ich mache immer die Ohren weit auf, wenn Frau Zwazl hier spricht. (Bundesrat Spanring: Außer wenn Sie schlafen, und das passiert relativ oft!) Was mir auffällt: Immer wenn etwas schiefgeht, kommt der Wunsch: Jetzt machen wir es gemeinsam und schauen nach vorne! (Bundes­rätin Schumann: Ja, genau!) – Davor kommt aber immer noch ein Satz: Ich bin Unter­nehmerin!

So – du bist Unternehmerin. Jede Firma, jedes Unternehmen weiß: Wenn etwas schief­geht, muss man eine Analyse des Schadens machen. (Bundesrätin Zwazl: Das hab ich ja gesagt!) Nur wenn man weiß, was man falsch gemacht hat, kann man auch den nächsten Schritt - - (Ruf bei der ÖVP: Das hat sie ja gesagt!) – Nein, das hat sie nicht gesagt. (Bundesrat Schreuder: Oja!) – Nein, das hat sie nicht gesagt. (Bundesrat Schreuder: Dann hast du nicht zugehört!) – Ich höre sehr gut zu. Ich frage, ob du gut zugehört hast, ich habe das sogar mitgeschrieben. (Bundesrat Schreuder: Sie hat ge­sagt ...!) Und sie hat weiters gesagt: Wir müssen den Menschen die Angst nehmen.

Also: Wir haben überhaupt kein Problem, nach vorne zu blicken. Zwar ist das ein biss­chen in Misskredit gekommen, weil der Chef der ÖVP ja gesagt hat: Gemeinsam nach vorne schauen, die Pandemie ist gemeistert und die Krise ist bekämpft, und dann nach vorne schauen! – Wir haben jetzt eine andere Situation, nämlich dass wir nach vorne schauen müssen, gemeinsam nach vorne schauen, und nicht das, was uns der Partei­chef der ÖVP seinerzeit mit einer Plakatwelle suggeriert hat.

Wenn wir aber Angst nehmen – und ich nehme das ernst, du hast gesagt, wir müssen den Menschen die Angst nehmen (Bundesrätin Zwazl: Ja!) –, dann müssen wir den Menschen die existenzielle Angst nehmen, und das Thema existenzielle Angst können wir gleich gemeinsam anpacken und endlich – verdammt noch einmal, wir sagen das seit Beginn dieser Pandemie! – das Arbeitslosengeld erhöhen (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Zwazl: ... müssen wir schauen, dass die Leute eine Arbeit haben!), nämlich angesichts der derzeitigen Teuerungswelle. Es sind ja verschiedene, multiple Ängste, die derzeit zusammenkommen, und eine der schlimmsten Ängste ist die Angst, in eine Armutsfalle abzurutschen, die Angst, für sich selbst und die Familie das Leben nicht mehr finanzieren zu können.

Da müssen wir rein! Wir müssen etwas gegen diese Teuerung tun, wir müssen auf ver­schiedenen Ebenen absichern. Da können wir gerne gemeinsam einen Kuschelkurs ma­chen (Bundesrätin Zwazl: Vor allem ist es ..., dass die Leute eine Arbeit haben!), aber ihr seht das immer nur von eurer Seite. Wenn man miteinander kuschelt, muss man aber beide Seiten anschauen. Deshalb lade ich die ehemalige Wirtschaftskammerpräsidentin von Niederösterreich ein, da einen gemeinsamen Weg einzuschlagen, im Sinne der Menschen und zur Bewältigung von deren Ängsten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe nicht gewusst, was für einen ÖVP-Chef so richtig cool ist. – So richtig cool ist: derzeit über 500 Menschen auf den Intensivstationen – das hat er ja plakatiert: Es kommt eine coole Zeit –, 12 000 Tote allein bisher in Österreich, heute 15 000 Neuinfektionen. – He, Leute, das ist dramatisch, das ist alles andere als cool! Und das haben Sie, Herr Bundeskanzler, genau seit Ihrer Amtsübernahme gedeckt. Sie haben die Hände runter­fallen lassen und nicht erkannt, dass wir im höchsten Maße Handlungsbedarf haben. (Ruf bei der SPÖ: Warum? Die Pandemie ist ja vorbei!) Mit Ihrer Rede, die Sie heute hier gehalten haben – schauen Sie sich die vielleicht am Video an! –, werden Sie die Menschen nicht überzeugen. Das ist eine Rede, die oben beginnt und weit über die Menschen hinweggeht. Das kann man so nicht machen.

Wissen Sie, dass einer der berühmtesten und bekanntesten Virologen, Dr. Christian Drosten von der Charité in Berlin, im Jänner – und ich nehme an, sowohl im Bundeskanz­leramt als auch im Gesundheitsministerium liest man den „Spiegel“ – gezeichnet hat, was derzeit in Österreich, in Deutschland und anderswo passiert?

Zweitens, zwei Monate später: Ein anderer berühmter Virologe, Dr. Hendrik Streeck, hat dasselbe noch einmal weiter präzisiert. Spätestens im Juni war bekannt, was los ist. Was hat die Regierung gemacht? – Nichts! Eine verdummende Plakatkampagne und den Menschen gesagt: Ihr müsst nicht mehr aufpassen, alles ist erledigt, es wird supercool!

Und nun, Herr Gesundheitsminister: Ihre Untätigkeit oder Ihr Sichnichtdurchsetzen in­nerhalb der Regierung grenzt schon an eine verfassungsmäßige Verweigerung Ihres Amtes, denn das Pandemiegesetz gibt Ihnen alles in die Hand. Sie sind der Krisenma­nager, Sie können sich gegenüber Landeshauptleuten – und wenn sie noch so jenseits agieren wie der Salzburger Landeshauptmann Haslauer, der, glaube ich, bis heute nichts von alledem begriffen hat, was in seinem Bundesland los ist (Ruf bei der ÖVP: Aber Entschuldigung ...!) – durchsetzen, Sie haben eine Kompetenz, und wenn Sie diese Kompetenz nicht einsetzen und wenn Sie mit dieser Kompetenz keinen Erfolg haben, dann müssen Sie sagen – und das ist der richtige Schritt –: Dann geht es eben nicht.

Ich kann mich erinnern, nach Ihrer Angelobung haben Sie groß im Fernsehen gesagt: Von mir werden Sie unangenehme Töne zu hören bekommen! – Das haben wir die letz­ten zwei Monate nicht gehört. Herr Gesundheitsminister, entweder Sie nehmen jetzt die Kompetenz, die Sie haben, die Ihnen das Gesetz gibt – und das Gesetz, das Ihnen diese Möglichkeit gibt, ist verdammt alt –, in die Hand, oder Sie müssen überlegen, ob Sie für diese Aufgabe, zu der Sie berufen sind, der Richtige sind.

Nun, es geht jetzt eigentlich darum, mit jenen Menschen, die das alles verweigern, in einen Dialog zu kommen. Alle von uns haben Hunderte E-Mails betreffend 3G am Ar­beitsplatz bekommen. Ich habe eine kleine sportliche Sonderleistung vollbracht und allen bis auf 50 – es waren 550 – zurückgeschrieben, mittlerweile schreibe ich 20 Prozent von ihnen bereits in der zweiten, dritten und fünften Welle, weil wir zuhören müssen. Seit 20.30 Uhr kann jeder, der vor einer Impfung Angst hat, der irgendetwas befürchtet, Herrn Stadtrat Hacker in Wien anrufen; Herr Stadtrat Hacker beantwortet gemeinsam mit ei­nem Team seit 20.30 Uhr jede Frage. (Bundesrat Spanring: Ja, er hat ja auch genug Geld gekriegt ...! Die sind mit einem Kofferl einmarschiert, und schon haben wir getes­tet!) Das heißt, wir müssen da eine andere Sprache finden, diese Botschaften werden so nicht funktionieren.

Jetzt zu Herrn Spanring – Sie waren es nicht, ich glaube, es war Herr Ofner. Herr Ofner hat ja den Gottseibeiuns dieser sogenannten Wissenschaftler gegen die Pandemie und gegen die Impfung zitiert, Herrn Professor Ioannidis. Ich bekomme irrsinnig viel Post von Extremimpfgegnern, und sie beziehen sich immer auf ihn. Wissen Sie, was er sagt? (Bundesrat Spanring: Ja, er ist ein Impfbefürworter!) – Laden Sie ihn einmal ein, auf eine Intensivstation zu gehen! Er sagt, Corona ist nur Science-Fiction, und das - - (Bun­desrat Steiner: Was? – Bundesrat Spanring: Na, geh bitte!) – Ja, er sagt, es ist nur Science-Fiction (Bundesrat Spanring: So ein Blödsinn! Der Ioannidis spricht sich für die Impfung aus!), und das können Sie nachlesen, Sie wissen auch, dass Sie das nachlesen können. Das ist sozusagen Ihre zentrale Referenz, die Sie hier zurate ziehen. Es tut mir leid.

Ich glaube, es war Herr Kollaritsch, der einmal gesagt hat: Wenn Sie nicht an das Impfen denken, dann probieren Sie es halt einmal mit der Infektion! – Das können wir so nicht mehr sagen, unsere Spitäler sind voll. Ich habe vor ein paar Minuten gehört, dass die ersten Patienten aus Salzburg nach Wien geflogen wurden. (Rufe bei der SPÖ: Ja!) – Seien wir froh, dass Wien noch Kapazitäten hat!

Herr Bundeskanzler, Herr Gesundheitsminister! In den letzten Tagen ist etwas passiert, was ich – darf ich das sagen, Herr Präsident, lassen Sie das Wort zu? – ein bisschen als eine Schmierenkomödie empfinde. Alle fangen an, sich zu entschuldigen. (Bundesrat Steiner: Ein paar haben andere ... werden abgedreht! Weil der Herr Filzmaier gesagt hat ...!) Irgendein Kommunikationsberater hat gesagt, das komme gut an. Mittlerweile, muss ich sagen, kann ich diese Entschuldigungen nicht mehr hören. Egal ob es der Kanzler ist, der Gesundheitsminister, Frau Edtstadler, alle fangen an, sich zu entschuldi­gen. Frau Grossmann hat gesagt, der Master of Desaster – er ist immerhin ÖVP-Ob­mann, das muss man auch wissen – hat sich noch nicht entschuldigt.

Eine Person – im Augenblick die inferiorste in der Regierungsriege – sollte sich entschul­digen, und das ist Frau Köstinger. (Beifall bei der SPÖ.) Sie hat nämlich die strengen Maßnahmen in Wien lächerlich gemacht, und nur aufgrund dieser strengen Maßnah­men – obwohl die coole Zeit und all das wieder begonnen hat –, die Wien durchgezogen hat und für die es lächerlich gemacht wurde, haben wir noch Kapazitäten. Wir machen das gerne, dass wir Patienten von Salzburg und wahrscheinlich auch noch aus anderen Teilen Österreichs hier aufnehmen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

21.34

Präsident Dr. Peter Raggl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Kollege Bundesrat Bernard, bitte.