9.03

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuhörer zu Hause! Gestern, am 8. März, war Internationaler Frauentag, ein Tag, an dem auf Gleichberechtigung und Frauenrechte aufmerksam gemacht wurde; ein Tag, der heuer zum 111. Mal inszeniert wurde und in Berlin beispielsweise auch ein Feiertag ist. Und heuer ist er wichtiger denn je, weil er uns aufzeigen soll, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben. Es ist ein Tag, der uns aufzeigt, dass uns die Coronapan­demie wieder ein Stück weit zurückgeworfen hat.

Es ist aber auch ein Tag, der zeigt, wie nichtig manche Probleme werden, wenn man das Leid und die Sorgen der Menschen in der Ukraine sieht, insbesondere der Frauen und Kinder, die flüchten müssen, um zu überleben, Mütter, die Angst um ihre Söhne haben und hoffen, sie lebend wiederzusehen. Tun wir unser Möglichstes, um diesen Menschen zu helfen, nutzen wir diesen Moment, um unsere Solidarität mit den Menschen, mit den Frauen und Kindern in der Ukraine zu zeigen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Das Thema der Aktuellen Stunde heute lautet Stärkung von Mädchen und Frauen in Österreich, und darauf möchte ich jetzt auch wieder zurückkommen.

Meine Tochter hat mich gestern gefragt: Weshalb braucht es eigentlich einen Weltfrau­entag? Ich habe ihr dann zur Antwort gegeben: Weil wir im 21. Jahrhundert noch immer nicht dort sind, wo wir sein sollten. Und wir werden diesen Tag tatsächlich auch so lange brauchen, bis wir nicht mehr von Gleichberechtigung sprechen müssen, sondern Gleich­berechtigung eine Selbstverständlichkeit darstellt.

Sie hat mich auch gefragt, ob es einen Internationalen Männertag gibt. Ja, den gibt es; viele von uns wissen das vielleicht gar nicht. Er findet am 19. November statt. Ich finde diesen genauso wichtig, weil ich generell kein Fan von Stereotypen bin und es wichtig ist, auch das soziale Engagement von Männern zu fördern und wertzuschätzen, denn Frauenpolitik braucht auch Männer; und ohne diese miteinzubeziehen, wird das mit ge­lebter Gleichberechtigung nicht funktionieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrä­tInnen der Grünen.)

Ich möchte Ihnen dazu ein Beispiel aus meiner Familie erzählen: Wir sind gemeinsam bei einem gemütlichen Familienessen beisammen gesessen und als wir mit dem Essen fertig waren, standen automatisch alle Frauen auf und begannen, den Tisch abzuräu­men, während aber die Männer sitzen blieben und weiter plauderten. Meine Tochter stand schließlich auch auf und meinte: Wieso stehen jetzt eigentlich alle Frauen auf, und die Männer bleiben sitzen? Das ist ja unfair. Wenn wir alle zusammenhelfen, dann sind wir auch schneller fertig.

Sie hat vollkommen recht, hier fängt für mich auch schon Empowerment an. Traditionelle Rollenbilder, die vielleicht für viele von uns mittlerweile zur Selbstverständlichkeit gewor­den sind, müssen aufgebrochen und verändert werden. Und dazu braucht es Vorbilder, dazu braucht es Rolemodels, die anderen Frauen und Mädchen Mut machen und als Vorbild dienen.

Genau deshalb wurde auch von unserer Bundesministerin ein Fonds ins Leben gerufen, um die Gleichstellung von Frauen und Mädchen mit Männern in Österreich zu verbes­sern und aktuellen Herausforderungen in der Frauenpolitik wie beispielsweise dem Genderpaygap, dem Genderpensiongap und dem niedrigen Frauenanteil in Mint-Beru­fen entgegenzuwirken: LEA – Let’s Empower Austria mit Brigitte Bierlein als Ehrenpräsi­dentin und vielen weiteren erfolgreichen Frauen, die jungen Frauen und Mädchen ein stärkendes, ermutigendes Frauenbild vermitteln, das vor allem auf ökonomische Unab­hängigkeit, ein selbstbestimmtes Leben und Wahlfreiheit setzt.

Wie wichtig das den Österreichern und Österreicherinnen ist, zeigt eine ganz aktuelle repräsentative Umfrage von Marketagent: Jeder/jede Zweite denkt, dass Frauen in Ös­terreich benachteiligt sind. Die Mehrheit der Österreicher und Österreicherinnen ver­bindet mit dem Begriff etwas Positives und findet, dass es notwendig ist, sich für Gleichberechtigung einzusetzen. Frauen weisen diesem Thema einen höheren Stellen­wert zu. Acht von zehn Befragten sehen die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern als wichtig an. Sechs von zehn Österreichern und Österreicherinnen sind der Auffas­sung, dass Frauen hierzulande nicht gleichberechtigt sind.

Was sind also Maßnahmen? Auch diese Maßnahmen sind abgefragt worden, und auf diese möchte ich kurz hinweisen: An erster Stelle wurde eine bessere finanzielle Absi­cherung in der Pension genannt. An zweiter Stelle wurde der Ausbau von Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen genannt. Dann wurden der Ausbau der Kinderbetreuung, fle­xiblere Arbeitszeiten für Vereinbarkeit von Kind und Beruf und die Gehaltstransparenz als Mittel gegen Einkommensunterschiede genannt.

Genau das sind auch die Punkte, bei denen wir ansetzen müssen, damit jede Frau die Chancen vorfindet, wie sie auch Männer haben, um das Lebensmodell zu wählen, wel­ches ihr persönlich wichtig ist.

Das fängt auch schon im privaten Umfeld an, wenn Mütter mit Kindern unter zwölf Jahren während der Coronapandemie ihre Arbeitszeit von durchschnittlich 31 auf 26 Stunden reduzieren mussten, was sich natürlich auch einmal auf ihre Pensionen auswirken wird. Die Gesamtarbeitszeit von diesen Frauen ist aber aufgrund unbezahlter Caretätigkeiten gestiegen, und zwar um 8 Stunden pro Woche.

Das geht aber auch über Führungs- und Entscheidungspositionen, wo Frauen nach wie vor unterrepräsentiert sind. Im Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen und Männern ist es aber wichtig, dass auch Frauen genauso wie Männer in entscheidenden Positionen und Gremien vertreten sind und gleichberechtigt mitgestalten können – vor allem auch im technischen und im naturwissenschaftlichen Bereich, wo noch sehr viel ungenutztes Potenzial ist.

Erfreulich ist, dass die Bundesfrauenquote im Vorjahr mittlerweile über die 50-Prozent-Marke geklettert ist: 50,5 Prozent – das waren plus 5,2 Prozentpunkte – der vom Bund entsandten 239 Aufsichtsräte in den 55 staatsnahen Betrieben waren im Vorjahr weib­lich.

Empowerment hat für mich auch etwas mit Bildung zu tun, aber auch mit Information und Wissensvorsprung. In diesem Zusammenhang möchte ich auf zwei neue Online­plattformen hinweisen, die Informationen rund um finanzielle Unterstützungsleistungen und Serviceangebote für Familien und Frauen liefern. Das ist einerseits das Frauen­serviceportal und auf der anderen Seite das Familienportal. Kostenlos und vertraulich können diese genutzt werden, wie beispielsweise eine Frauenhelpline. Es gibt Infor­mationen zum Thema Kinderbetreuungsgeld, Familienbonus Plus, der ab Juli von 1 500 auf 2 000 Euro erhöht wird; auch der Kindermehrbetrag wird auf 450 Euro erhöht. Das ist Geld, welches direkt dort ankommt, wo es gebraucht wird, nämlich bei den Familien.

Frauen zu einer höheren Pension zu verhelfen, soll auch erreicht werden, und zwar durch das automatische Pensionssplitting. Es gibt bereits seit 2005 ein freiwilliges Pen­sionssplitting, doch dieses ist anscheinend viel zu wenig bekannt und wurde daher über die Jahre kaum in Anspruch genommen. Daran müssen wir noch dringend arbeiten, weil es auch ein ganz wichtiges Mittel gegen Altersarmut bei Frauen ist.

Meine geschätzten Damen und Herren, ich komme schon zum Schluss, auch wenn es zu diesem Thema ganz viel zu sagen gäbe. Wir sehen, wir haben noch viel zu tun, damit es irgendwann diesen Weltfrauentag vielleicht nicht mehr braucht, wenn wir hier stehen und sagen können: Wir haben unser Ziel erreicht, nämlich gleiche Chancen, gleiche Löhne, gewaltfreie Beziehungen, gerechte Strafen für Täter, faire Arbeitsbedingungen und vor allem ein selbstbestimmtes Leben.

Unser Tun macht einen Unterschied – und wir müssen entscheiden, welche Art von Un­terschied wir machen wollen. Gehen wir also mit gutem Beispiel voran, seien wir für andere Vorbilder. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.13

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr das Wort.