18.29
Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Ich bin auch schon ein bisschen müde. – Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Man sieht – um auch ein bisschen polemisch zu werden – ein weiteres Mal, dass der FPÖ-Hausverstand eine gefährliche Drohung für den Klimaschutz ist. (Bundesrätin Schartel: Das beurteilen Sie? Ja?)
Ich dachte ja eigentlich, dass die EU-Jahresvorschau das Thema ist, doch die haben Sie mit keinem Satz erwähnt. Und was, finde ich, einfach nicht geht, ist, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BMK zu diskreditieren. Die haben gestern einfach (Bundesrat Spanring: Nichts gewusst!) sachlich richtig berichtet, was Diskussionsthema war, unter anderem eben auch die Aspekte in der Jahresvorschau.
Ich komme jetzt zur Sache. Es ist sicher nicht übertrieben zu sagen, dass die EU-Jahresvorschau des BMK einigermaßen umfangreich ist. Dutzende von Einzelinitiativen sind in Arbeit. Allein das zeigt schon, dass vieles in Bewegung gekommen ist. Es ist nicht möglich, alles zu erwähnen, ich greife daher ein paar Sachen heraus, die mir besonders interessant und spannend vorkommen.
Ein Generalthema, vielleicht das Generalthema in dieser Vorschau ist eine ganz besondere Herausforderung, aber auch eine vornehme Aufgabe, nämlich das Ziel, dass Europa bis 2050 klimaneutral wird, der erste klimaneutrale Kontinent überhaupt wird. Das ist kein Selbstzweck, sondern erstens Notwendigkeit und zweitens aufgrund der bisher in Europa freigesetzten Emissionen auch eine historische Verantwortung gegenüber der Zukunft, vor allem auch gegenüber kommenden Generationen.
Mit dem Klimagesetz hat die Europäische Union – es ist eigentlich eine Verordnung – einen globalen Meilenstein gesetzt, ebenso mit dem Zwischenziel, bis 2030 – und das ist in acht Jahren – die Emissionen um mindestens 55 Prozent zu reduzieren. Das ist durchaus etwas, das man getrost als Challenge bezeichnen darf.
Eine wichtige Grundlage für die konkrete Umsetzung ist der Europäische Green Deal mit seinem Programm Fit for 55. Im Zuge dessen wurde bereits eine ganze Reihe von detaillierten Initiativen vorgeschlagen. Viele davon sind in der Vorschau zitiert.
Eine der vielen Maßnahmen im Verkehrsbereich ist der Vorschlag zur verpflichtenden Beimischung von alternativen Treibstoffen in der Luftfahrt. Bis zum Jahr 2025 sollen es verbindlich 2 Prozent sein, bis 2050 63 Prozent. Da gibt es allerdings noch einige Diskussionen. Das ist aus meiner Sicht ein wichtiger Ansatz, wiewohl wir bis 2050 weiter sein sollten. Die Herstellung dieser Treibstoffmengen wird keine leichte Aufgabe werden. Auch deshalb – und das gilt da wie in vielen anderen Bereichen – muss man gleichzeitig auf einen anderen Aspekt schauen und hinterfragen, wie es mit dem quantitativen CO2-Ausstoß des Flugverkehrs aussieht.
Mit anderen Worten: Es wird entschieden zu viel geflogen. Gegenmaßnahmen sind, Kostenwahrheit einzuführen und natürlich das Eisenbahnnetz auszubauen, denn ein großer Teil der Flüge – das zeigen die Statistiken – gehen über erstaunlich kurze Distanzen. So besteht ein besonders wichtiges Vorhaben darin, den Flugverkehr – auch das wird in der Vorschau erwähnt – endlich wirksam in das Emissionshandelssystem zu integrieren, weil grundsätzlich ja auch dort das genannte Reduktionsziel von 55 Prozent bis 2030 gilt.
Sehr viele Pakete gibt es im Energiebereich. So hat die Kommission eine Wasserstoffstrategie vorgelegt, eine Strategie für die Sektorintegration, eine zur Reduktion von Methanemissionen, eine zur Nutzung von Offshorewind und eine für eine Renovierungswelle. Ebenso gibt es eine ganze Reihe von Richtlinien- und Verordnungsvorschlägen, wie etwa die Neufassung der Europäischen Gebäuderichtlinie – darüber haben wir gestern im EU-Ausschuss diskutiert –, die Nullemissionsgebäude ab 2030 vorsieht, die Richtlinie für alternative Kraftstoffinfrastruktur – die ist jetzt angeschnitten worden – mit dem Ziel, auf hochrangigen Straßen alle 60 Kilometer eine leistungsfähige Ladestation für Elektroantriebe zu installieren.
Einen besonderen Fokus legen die EU-Vorschau und die Kommission auf das Thema Kreislaufwirtschaft. Das ist ein aus vielerlei Gründen berechtigter und richtiger Schwerpunkt, denn ohne ambitionierte Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft wird es nicht gelingen, den Energieverbrauch hinreichend zu reduzieren und den überbordenden Ressourcenverbrauch einzudämmen. Das ist gerade im Hinblick darauf relevant – und es wirkt fast erschreckend aktuell –, dass viele wichtige Rohstoffe, die wir für die Energiewende brauchen, knapper und teurer werden und in wenigen Ländern konzentriert sind.
Eine wirtschaftlich wichtige Begleitmaßnahme ist das Vorhaben, einen CO2-Grenzausgleichsmechanismus einzuführen. Dabei geht es im Wesentlichen darum, auf Importgüter nach Europa abhängig vom CO2-Fußabdruck Abgaben zu erheben. Das heißt, ineffiziente, mit hohen CO2-Emissionen behaftete Güter sollen teurer werden. Das Ziel ist, damit die heimische Industrie, die ambitionierte Emissionsreduktionserfordernisse zu erfüllen hat, zu schützen und eine Abwanderung zu verhindern. Gestartet werden soll damit 2026 nach einer Übergangsphase zunächst mit energieintensiven Produkten. Das betrifft beispielsweise Stahl-, Aluminium-, Zement- und Stromimporte.
Ein auch für Österreich wichtiger Prozess, der jetzt in der Europäischen Kommission läuft, ist das sogenannte Effortsharing. Da geht es um die Festlegung der nationalen CO2-Reduktionsziele bis 2030, um das Gesamtziel von minus 55 Prozent erreichen zu können. Da zeichnet sich ab, dass Österreich für den Teil, der nicht im Emissionshandel ist, ein Absenkziel im Bereich von 48 Prozent zugeteilt bekommen wird. Das ist im Übrigen auch eine wichtige verbindliche Rahmenbedingung, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen.
Es gäbe noch viele weitreichende, spannende Initiativen. Ich möchte abschließend aber noch den geplanten Klimasozialfonds herausgreifen. Dieser soll nach EU-Vorschlag mit 72 Milliarden Euro dotiert werden und dazu dienen, einen sozial verträglichen Übergang in eine klimaneutrale Gesellschaft zu unterstützen. Mit dem Geld sollen gezielt Investitionen, etwa für thermische Sanierung, gestützt werden und erneuerbare Heizsysteme gefördert werden. Es sollen aber auch direkte Einkommenshilfen für schutzbedürftige Haushalte ermöglicht werden. Da gibt es im Detail noch einiges an Diskussionen, aber jedenfalls ist der Klimasozialfonds ein unverzichtbarer Bestandteil einer Klimastrategie, die auf die notwendige Akzeptanz stoßen soll und dafür sozial gerecht und ausgleichend gestaltet sein muss. Das ist keine Frage.
Ich denke, diese Vorschau zeigt, dass es auf europäischer Ebene zu einer spürbaren Intensivierung der Bemühungen um eine ökologische und sozial nachhaltige Entwicklung gekommen ist. Wir werden auf jeden Fall systematisch an dieser schönen Zukunftsgestaltungsaufgabe im Verständnis eines gemeinsamen Europa arbeiten. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)
18.37
Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Wie bereits vorhin angekündigt gelangt jetzt Florian Krumböck zu Wort. – Bitte.