15.04

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! (In Richtung Galerie:) Geschätzte Zuseherinnen und Zuse­her! Es ist ja auch schön, Zuseherinnen und Zuseher im Bundesrat zu haben. Sie kom­men auch zu einem sehr spannenden Thema, denn es geht um die Jahresvorschau: einen Überblick der Europäischen Kommission, eben der Triopräsidentschaft Frank­reich, Tschechien und Schweden, für das Jahr 2022. In dieser Jahresvorschau soll vor­gestellt werden, welche Projekte und welche legislativen Aktivitäten auf europäischer Ebene bis Ende des Jahres umgesetzt beziehungsweise vorangetrieben werden sollen.

Die Kommission hat das Arbeitsprogramm letztes Jahr vorgelegt, und es zeigt eine sehr hohe Ambition. Insbesondere, finde ich, leistet dieser Bericht auch einen wichtigen Bei­trag, um die justizpolitischen Herausforderungen tatsächlich auch zu bewältigen. Alles in allem orientiert sich das Gesamte an sechs politischen Zielvorgaben der Kommis­sionspräsidentin von der Leyen, die so wichtige Themen wie die weitere Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratien in Europa, der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Digitalisierung und – nicht zu vergessen, ganz wichtig! – den Euro­pean Green Deal ansprechen möchte.

Daher möchte ich auch die Gelegenheit nutzen, auf ein paar Initiativen besonders auf­merksam zu machen: zum einen natürlich auf die zunehmende Hasskriminalität im In­ternet, aber auch sonst. Daher begrüße ich sehr, dass es eine fast einstimmige Annahme eines Ratsbeschlusses zur Aufnahme von Hetze und Hasskriminalität in die Liste der EU-Straftatbestände gegeben hat. Nur ein Land, nämlich Polen, hat sich dagegen aus­gesprochen, aber ich bin zuversichtlich, dass wir bei der nächsten Ratssitzung einen einstimmigen Beschluss erzielen werden, denn Ziel ist es und muss es auch sein, den effektiven Schutz vor Hass und Hetze in ganz Europa für alle Menschen zu gewähr­leisten.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch den Digital-Services-Act erwähnen, denn dieser fokussiert sich ja auch darauf, dass wir Hatespeech online effektiv und grenzüberschreitend bekämpfen können; denn letzten Endes: Ja, wir können national die besten Gesetze erlassen, aber wenn wir wirklich Hatespeech im Netz effizient und effektiv bekämpfen wollen, dann brauchen wir einheitliche Regelungen – und das Ganze europaweit; denn da geht es auch um einen besseren Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern, und es geht auch darum, dass die Grundrechte auch im Internet gewahrt bleiben – mit klaren Transparenzregeln und Rechenschaftsrahmen und klaren Verpflich­tungen auch für die Onlineplattformen. Das Ziel ist es, Potenziale der Digitalisierung zu nützen, aber gleichzeitig auch, die Gefahren rechtzeitig zu erkennen und gegen diese Gefahren effizient aufzutreten.

Einen hohen Stellenwert in diesem Arbeitsprogramm hat für mich natürlich der Schutz der Umwelt. Ich möchte auf ein Phänomen aufmerksam machen, und das ist die Umwelt­kriminalität. Es ist ein wachsendes Problem, dass der Umwelt und der menschlichen Gesundheit erheblicher Schaden zugefügt wird, und daher braucht es wirksamen, straf­rechtlichen Schutz, um eben die Umweltkriminalität bekämpfen zu können. Zig Evaluie­rungen haben bereits gezeigt, dass der derzeitige EU-Rechtsrahmen absolut nicht aus­reicht, um der Umweltkriminalität den Kampf anzusagen. Die Zahl der erfolgreich aufge­deckten, untersuchten, verfolgten und letzten Endes bestraften Fälle ist nach wie vor sehr niedrig. Man darf nicht vergessen: Die Umweltverbrechen, und damit zusammen­hängend auch andere Verbrechen – und ich möchte in diesem Zusammenhang auch die Korruption erwähnen, weil Umweltverbrechen und Korruption sehr eng miteinander verknüpft sind –, sind mittlerweile fast schon so lukrativ wie der Drogenhandel. Deswe­gen müssen wir wirksame Mittel und wirksame Gesetze europaweit auf den Weg brin­gen, um der Umweltkriminalität den Kampf anzusagen.

Daher geht es auf europäischer Ebene letzten Endes auch darum, diese Strafbarkeits­lücken, die wir auch erkannt haben, zu schließen, und deswegen wird auch in dieser Ratspräsidentschaft die EU-Richtlinie zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt evaluiert und geändert.

Ein weiteres zentrales Anliegen, das ich unbedingt ansprechen möchte, das einige von Ihnen auch bereits angesprochen haben, ist das EU-Lieferkettengesetz. Am 23. Februar hat es einen ersten Vorschlag der EU-Kommission gegeben, und man sieht, dass das auch ein ambitionierter Vorschlag ist. Es geht letzten Endes darum, dass wir verpflich­tende Maßnahmen brauchen, um die Unternehmerinnen und Unternehmer zu zwingen, auch wirklich europäische Menschenrechtsstandards in der gesamten Lieferkette umzu­setzen. Wir dürfen auch nicht zulassen, dass Unternehmerinnen und Unternehmer in Ös­terreich, die nachhaltig produzieren, die sich dafür einsetzen, dass in ihrer Lieferkette keine Menschenrechtsverletzungen vorkommen, dass in ihren Lieferketten nicht die Umwelt zer­stört wird, Wettbewerbsverzerrungen oder Wettbewerbsnachteile in Kauf nehmen müssen.

Es geht in erster Linie auch darum, unsere Unternehmerinnen und Unternehmer, die nachhaltig produzieren, zu schützen, und deswegen braucht es Verpflichtungen. Es braucht Verpflichtungen, um die Unternehmer/Unternehmerinnen, die billigste Produkte anbieten, weil sie auf dem Rücken der Menschen produziert werden, weil sie auf dem Rücken unserer Umwelt produziert werden, tatsächlich in die Verantwortung zu nehmen. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Einen letzten Punkt möchte ich noch hervorheben, und das ist der umfassende Vor­schlag für eine Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt. Schätzungen zufolge ist jede dritte Frau in der EU von Gewalt betroffen und jede zweite hat sexuelle Belästigung erfahren. Derzeit gibt es auf EU-Ebene noch kein spe­zielles Rechtsinstrument, und daher besteht auch Handlungsbedarf. (Bundesrätin Schu­mann: Ratifizierts die ILO-Konvention 190, bitte!) Für mich ist ganz klar: Die EU muss allen Frauen und Mädchen in Europa mit Schutz und Unterstützung zur Seite stehen. Gerade bei der Bekämpfung von Onlinegewalt hat Österreich eine Vorreiterrolle einge­nommen, und diese Expertise werden wir auch auf EU-Ebene einbringen, das tue ich auch in jedem JustizministerInnenrat. (Bundesrätin Schumann: Ratifizieren Sie die ILO-Konvention! – Bundesrätin Grimling: Und zwar rasch ...!)

Wie Sie sehen, ist es ein ambitioniertes Programm, auch ein ambitionierter Bericht der EU-Kommission, und ich freue mich, dass das eine oder andere in diesem Jahr vorange­trieben werden kann. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.11

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Steiner, bitte sehr.