14.59

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Alle Vorredner haben bestätigt, dass die­ses Reformpaket schon längst fällig war. Was sehen wir, wenn wir das Rad der Zeit zwei Jahre zurückdrehen, welche Stationen hat das Pflegepersonal durchgemacht? – Zuerst beklatscht, dann bedroht und jetzt mehr als überlastet. Es ist positiv, dass etwas passiert und das betroffene Personal auch eine finanzielle Entschädigung für den großen Auf­wand, den es tagtäglich für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger leistet, bekommt. Es ist ein Ausdruck der Wertschätzung der Pflege und ein positives Zeichen, wie ich bereits gesagt habe. Eines aber muss uns klar sein: Damit ist der Pflegenotstand nicht beseitigt, sondern besteht weiterhin.

Ich muss Kollegen Kornhäusl bei seiner euphorischen Verkündigung ein bisschen ein­bremsen, denn man sollte die ganze Sache von zwei Seiten betrachten, denke ich. Ich hoffe, dass ich Ihnen, Herr Bundesminister, zu dem, was Sie in den 20 Punkten, die sicher sehr gut angesetzt sind, etwas kritisch gesehen haben, noch ein bisschen mit auf den Weg geben kann, wie man da in Zukunft noch nachschärfen und weitere Problemfel­der erfassen sollte.

Es ist sehr schön, dass die Beschäftigten jetzt in diesen zwei Jahren mehr Geld für die Pflege erhalten. Wie schaut es aber nach diesen zwei Jahren aus? Verdienen sie dann wieder weniger oder wird dieser Bonus dann auf den Dienstgeber abgewälzt und somit eine massive Mehrbelastung für die Dienstgeber entstehen?

Es ist super und sicherlich angebracht, dass für den aufwendigen Dienst auch eine zu­sätzliche Entlastungswoche zur Erholung der Bediensteten eingeführt wird. Das unter­stützen wir voll und ganz. Im Pflegeheim meiner Gemeinde gibt es 100 Bedienstete. Das bedeutet 100 Wochen Pflegearbeit zusätzlich. Was machen wir mit den 100 Wochen? Um den Pflegeschlüssel einzuhalten, wird es notwendig sein, dafür Ersatzkräfte anzu­stellen. Für 100 Wochen sind das jetzt einmal ungeschaut zwei Vollzeitarbeitskräfte. Die kosten den Verband wieder sehr viel Geld. Bekommen wir das auch vom Bund, wenn er jetzt diese Woche einführt, als Entlastung der Sozialhilfeverbände und sämtlicher Heim­betreiber? (Beifall bei der SPÖ.)

Das Gleiche: Wir stehen ebenfalls voll hinter der Entlastung für die Nacht- und Schwer­arbeit. Bei zwei Stunden Zeitguthaben erhebt sich für mich die gleiche Frage wie bei der zusätzlichen Erholungswoche: Wie wird das für den Arbeitgeber ausgeglichen? Ich denke nicht, dass es im Sinne des Erfinders wäre, dass man diese Zeitguthaben dann wieder auf das bestehende Personal verteilt und es so wieder mehr belastet, denn dann ginge der Schuss nach hinten los und brächte wieder nichts.

Ich hoffe, dass für die 24-Stunden-Betreuung im Herbst ein gutes Paket geschnürt und dabei auch die mobile Pflege nicht vergessen werden wird, die beide in unserer Gesell­schaft eine sehr wertvolle Arbeit erbringen.

Und jetzt noch ein bisschen aus der Praxis. Ich habe bereits den Sozialhilfeverband in meiner Gemeinde erwähnt. Wie schaut es derzeit aus? Wir sind in den Sozialhilfever­bänden am Limit. Wir sind auch bei den Pflegeheimen am Limit, die von Privaten betrie­ben werden. Wir haben zu wenig Betten, wir haben zu wenig Personal und wir haben zu wenig Geld.

Am Kärntner Beispiel: Wir haben mit fast 50 Prozent die höchste Sozialhilfeumlage in Österreich. Wir haben im vergangenen Jahr im Bezirk die Sozialhilfeumlage für die Ge­meinden um 50 Prozent erhöhen müssen, damit wir das aufgrund von Corona, wech­selndem Personal und Teuerung nötige Budget wenigstens notdürftig haben stemmen können. Wir stehen jetzt vor der Aufgabe, rückwirkend für 2022 die Umlage für die Ge­meinden noch einmal um 100 Prozent zu erhöhen. Für manche Gemeinden wird das nicht mehr finanzierbar sein. Damit wurden wir in den Gemeinden und Ländern leider alleingelassen.

Ich könnte jetzt problemlos zur nächsten Thematik, zu den Preissteigerungen überleiten. Die Lebensmittel für den Heimbetrieb wurden um 20 Prozent teurer. Die Energiekosten im Heimbereich – Heime müssen 12 Monate im Jahr beheizt werden, damit die Tempe­ratur in den Heimen passt – sind exorbitant gestiegen. Bei Umbauarbeiten gibt es zurzeit mit 30 Prozent maximale Erhöhungen. Das ist von den Verbänden nicht mehr finan­zierbar.

Ich habe bereits gesagt, dass der Pflegenotstand mit der Entschädigung noch nicht zu Ende ist. Auch in der Ausbildung haben wir Alarmstufe Rot, und es ist höchste Eisen­bahn, da etwas zu tun. Ich habe das schon Ihren Vorgängern gesagt, und das ist Ihnen ja auch nicht unbekannt: Bis 2030 sind 80 000 zusätzliche Pflegekräfte erforderlich. Es bleibt zu hoffen, dass Menschen durch diesen ersten Schritt der Pflegereform dazu ani­miert werden können, sich künftig diesem Beruf zu widmen.

Geld ist aber nicht alles. Was wünschen sich die zu Pflegenden eigentlich? – Eine wert­schätzende und liebevolle Pflege. Die ist aber nur dann möglich, wenn dafür genügend Zeit vorhanden ist, und das ist zurzeit, bei diesem Personalstand, leider nicht der Fall. Vonseiten des Personals wird gewünscht, mehr Zeit für die Pflege aufbringen zu können, um die Wertschätzung der zu Pflegenden auch spüren zu können. Aber auch die zu Pflegenden haben es sich verdient, nicht am Fließband abgefertigt zu werden.

Daher, Herr Bundesminister, ist diese Reform ein erster guter Schritt, es müssen aber weitere folgen, um den Herausforderungen in den nächsten Jahre gerecht werden zu können. Pflege darf nicht gewinnorientiert betrieben werden, und die Spielregeln sollten für alle gleich gelten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.07

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, wollte ich sagen.

Frau Kollegin Steiner-Wieser. – Bitte. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Nein, ich wollte nur auf die Kollegin aufmerksam machen!) – Ach so. (Bundesrätin Schartel tritt ans Redner­pult.)