16.38

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es war durchaus zu erwarten, dass diese Debatte einigermaßen kontroversiell über die Bühne gehen wird, und es ist auch absolut verständlich, weil das Thema Teuerung natürlich schon eines ist, das sehr viele Menschen belastet und das für sehr viele Menschen ganz, ganz wichtig ist. Ich darf aber gerade angesichts der intensiven Diskussion einige Dinge klarstellen.

Erstens: Man könnte bei manchen Debattenbeiträgen schon den Eindruck gewinnen, dass die Inflation ein österreichisches Phänomen wäre. (Bundesrätin Schartel: Ja!) Herr Kollege Ofner hat es ja gerade wieder gesagt: Seiner Meinung nach sind die Corona­maßnahmen schuld an der Inflation. (Bundesrat Ofner: Schau dir mal die Nachbarländer an!) – Herr Kollege, wenn man es weltweit betrachtet – und, Entschuldigung, dafür braucht es nicht viel, es braucht dafür kein großes Interesse, ein Blick auf die Statistiken genügt –, dann sieht man, dass die Inflation ein globales Phänomen ist. (Bundesrat Steiner: Schweden! Bundesminister Brunner: ... plus 13 Prozent! – Bundesrat Steiner: Schweiz! – Bundesminister Brunner: Die Schweiz ist aber nicht in der EU! – Ruf bei der FPÖ: Also ist es ein EU-Problem?! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Österreich hatte im April eine Inflation von 7,2 Prozent, Deutschland hat 7,4 Prozent, die Europäische Union hat im Schnitt 7,5 Prozent, in den USA liegt sie derzeit bei 8,2 Pro­zent, in Griechenland bei über 10 Prozent. Von Ländern wie der Türkei – da liegt sie bei 60, 70 Prozent – rede ich nicht. (Bundesrat Spanring: Toller Vergleich, Herr Kollege! Toller Vergleich mit der Türkei! Vielleicht vergleicht ihr uns nächste Woche mit Ruanda!) Wenn Sie behaupten, dass das ein österreichisches Phänomen ist und die österreichi­schen Coronamaßnahmen schuld an der Inflation sind, dann erklären Sie mir, wie diese Zahl mit Ihrer Theorie zusammengeht! Nämlich gar nicht, aber gut. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Die Inflation ist hoch, sie macht den Menschen zu schaffen, das ist klar, aber das ist eben eine weltweite Herausforderung, der sich alle Länder zu stellen haben und die allen Ländern Sorgen bereitet. (Ruf bei der SPÖ: Na dann sind ja alle beruhigt! – Bundesrat Schennach: Und deshalb ist es nicht so schlimm! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Dann ist es nicht so schlimm, genau!)

Zweitens: Es kommt der ständige, aber vor allem ständig falsche Vorwurf, dass die Re­gierung die Menschen nicht entlasten würde. (Bundesrätin Schumann: Ah geh!) Das ist einfach unwahr.

Sehen wir uns die Entlastungspakete an: Das erste Entlastungspaket wurde innerhalb weniger Wochen auf den Weg gebracht, es hat ein Volumen von 1,7 Milliarden Euro und beinhaltet Maßnahmen wie das Streichen der Ökostrompauschale und des Ökostromför­derbeitrages – in Summe macht das 900 Millionen Euro aus –, den 300-Euro-Teue­rungsausgleich, vor allem für Gruppen, die es wirklich brauchen, wie Mindestsicherungs­bezieher und Arbeitslose, und den Energiekostenausgleich mit 150 Euro pro Haushalt. Dieses Paket hat ein Volumen von 1,7 Milliarden Euro. Und weil Kollege Kovacs ja im­mer das Burgenland als Referenz für alles hernimmt: 1,7 Milliarden Euro sind fast das Jahresbudget des Burgenlandes. Dazu dann zu sagen, das sei alles nichts, finde ich einfach vermessen und es ist einfach falsch. (Beifall bei der ÖVP.)

Das zweite Entlastungspaket, das man gleich nachgelegt hat, weil man natürlich gese­hen hat, dass es da oder dort noch Nachbesserungsbedarf gibt, hat dann 2,3 Milliarden Euro umfasst, in Summe sind es also ungefähr 4 Milliarden Euro. In diesem zweiten Entlastungspaket sind Maßnahmen wie die Erhöhung der Pendlerpauschale um 50 Pro­zent und die Vervierfachung des Pendlereuros drinnen. Und weil immer so getan wird, als wäre das nur ein Tropfen auf den heißen Stein, habe ich es durchgerechnet: Wenn jemand 50 Kilometer zu seinem Arbeitsplatz fährt, also in die Kategorie zwischen 40 und 60 Kilometer fällt und die große Pendlerpauschale bezieht, und 3 000 Euro brutto ver­dient, dann bringt ihm diese Maßnahme in den 14 Monaten, für die sie beschlossen wor­den ist – also 1. Mai 2022 bis 30. Juni 2023 – insgesamt 821 Euro zusätzlich. Verglei­chen wir das jetzt mit einer Maßnahme, die auch schon des Öfteren gefordert wurde, beispielsweise die Halbierung der MÖSt beim Diesel von 40 auf 20 Cent: Wir nehmen jetzt wieder diesen Arbeitnehmer her, der 50 Kilometer zu seiner Arbeitsstelle hin- und 50 Kilometer zurückfährt, also insgesamt 100 Kilometer am Tag. Bei einer Fünftagewo­che sind es 500 Kilometer. Der durchschnittliche Verbrauch eines Dieselfahrzeugs in Österreich beträgt 7 Liter pro 100 Kilometer, er braucht also 35 Liter Diesel pro Woche, um zu seinem Arbeitsplatz hin- und wieder zurückzugelangen. Durch die Halbierung der MÖSt von 40 auf 20 Cent spart er sich pro Woche 7 Euro und wenn man das auf die 14 Monate aufrechnet, sind das in Summe 425 Euro, also fast um 400 Euro weniger als durch die Maßnahme, die von der österreichischen Bundesregierung beschlossen wor­den ist. Tun wir also nicht so, als wäre das alles nichts, geschätzte Kolleginnen und Kol­legen!

Tatsache ist nämlich: Vergleicht man die Entlastungspakete mit anderen Ländern, vor allem jenen der Europäischen Union, dann sieht man, dass, bezogen auf die Bevölke­rung, fast kein anderes Land so viel gegen die Teuerung investiert wie Österreich das tut – Italien nicht, Frankreich nicht, Spanien nicht und auch Deutschland nicht. Aber – und da gehe ich durchaus mit dem einen oder anderen Vorredner konform – die Teue­rung wird uns weiter beschäftigen und angesichts der anhaltenden Belastungen wird es noch weitere Maßnahmen brauchen, mit denen wir den Österreicherinnen und Österrei­chern helfen müssen.

Herr Finanzminister, ich bin deshalb sehr dankbar und froh, dass du dich in den letzten Tagen hinsichtlich der Abschaffung der kalten Progression sehr klar positioniert hast. Ich denke, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um dieses Projekt anzugehen und auch durchzuziehen.

Noch ein zweiter Punkt: Ich denke schon, dass es angesichts der Teuerung auch erlaubt sein muss, Dinge zu diskutieren, die vielleicht auf den ersten Blick ein bisschen unortho­dox wirken mögen. Ich rede vom Vorschlag des Bundeskanzlers bezüglich der Gewinn­abschöpfung bei Unternehmen, die massiv von der Teuerung profitieren. Ich habe mich schon ein wenig gewundert, wie reflexartig manche diesen Vorschlag kritisiert haben. Auch von der Freiheitlichen Partei ist Kritik gekommen, Herr Kickl hat von Beschädigung von Staatseigentum gesprochen. (Bundesrat Steiner: 2,4 Milliarden Euro sind die Bör­sen runtergegangen!) – An Buchwert, ja. Das tangiert mich wesentlich weniger als die Belastung, die die Menschen haben, muss ich ganz ehrlich sagen, aber gut. (Bundesrat Spanring: Dass euch Milliardenverluste egal sind, wissen wir eh! Ihr kriegt ja Inseraten­schaltungen! – Bundesrätin Schumann: Das ist ein schlechtes Argument, Herr Kollege, da sind Sie jetzt danebengelegen! Das war schwach, sehr schwach!)

Man muss sich nämlich vor Augen halten, worum es dabei geht: Wir reden von Konzer­nen, die den Strom zu fast 100 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern produzieren, die also bei den Produktionskosten keine wesentlichen Steigerungen haben, aber durch die Strompreiskoppelung an den Gaspreis derzeit immense Gewinne schreiben. (Bun­desrätin Schumann: Na, was macht ihr jetzt da?) Ich persönlich finde, dass das nicht logisch und nicht fair ist, deshalb gehört es geändert und deshalb bin ich auch froh, dass der Bundeskanzler diese Debatte gestartet hat. (Bundesrätin Schumann: He, voll der Sozialdemokrat, super!) – Ja, dazu stehe ich! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schu­mann: Freundschaft, Genosse!)

Abschließend: Österreich investiert massiv gegen die Teuerung, stärker als viele, viele andere Länder das machen, und Österreich wird das auch weiterhin tun, aber auch wei­terhin eben nicht mit der Gießkanne, sondern zielgerichtet dort, wo es notwendig ist und wo die Menschen am meisten Unterstützung brauchen. Das ist auch richtig so. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl.)

16.45

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Andrea Kahofer. Ich erteile ihr das Wort.