16.58

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Nie­mand spricht hier von eitler Wonne, ganz im Gegenteil: Es ist Krieg in Europa, der Krieg wird von einer leider wichtigen Wirtschaftspartnerin Österreichs als Angriffs- und Ver­nichtungskrieg geführt, und wir finanzieren indirekt diesen Krieg mit, denn unser tägli­ches Leben, Wohnen und Arbeiten ist von den Energielieferungen dieser Aggressorin abhängig – auch schon vor dem Krieg. (Vizepräsidentin Zwazl übernimmt den Vorsitz.)

Krieg bedeutet, dass wir alle nicht so weitermachen können wie zuvor. Das sage ich, weil Krieg immer Leid und auch Einschränkungen bedeutet. Niemand von uns will an der Stelle der UkrainerInnen sein, die das größte Leid und die unvorstellbarsten Einschrän­kungen durchmachen müssen. Wir wollen aber auch nicht, dass es genau jenen, denen es in Österreich schon vor dem Krieg schlecht ging, noch schlechter geht. Daher ist es uns wichtig, genau diesen Menschen die Teuerungen auszugleichen.

Wir anderen aber – es sind eben nicht alle, die es sich nicht leisten können –, eben genau die, die hier sitzen und viele andere, die wir kennen, können uns die Teuerungen leisten und wir können Einschränkungen hinnehmen. Das ist meiner Meinung nach ein viel zu wenig beleuchteter Punkt, denn wir, die wir weit weg vom Existenzminimum sind, können es uns auch leisten, zu sparen.

Wir können die Heizung um 2 bis 3 Grad herunter- oder die Klimaanlage um 2 bis 3 Grad hinaufdrehen. Wir können mit den Öffis, dem Rad oder dem E-Bike anstatt mit dem Auto fahren und wir können in erneuerbare Energien investieren. Wir alle können auch Fahr­gemeinschaften bilden oder langsamer und benzinsparender mit dem Auto fahren. Der VCÖ hat zum Beispiel errechnet, dass man auf 100 Kilometer 1 Liter spart, wenn man eben benzin- oder dieselsparender fährt. Das sind bei 10 000 Kilometern pro Jahr 170 Euro, bei 20 000 340 Euro. Alle, die Öffis in der Nähe haben, können das günstige Klimaticket oder ein noch günstigeres Regionalticket voll ausnützen und Unmengen an Benzin sparen. (Bundesrat Bernard: Natürlich, auf jeder Alm gibt’s ein Öffi!)

Das alles sind Einschränkungen – ja –, aber sie können uns helfen, aus der Ohnmacht herauszukommen und zumindest einen kleinen Beitrag gegen den Krieg und gegen die Kriegsfinanzierung zu leisten. Zudem sind das alles auch Maßnahmen, die dem Klima und auch unserem Geldbörserl guttun.

Natürlich braucht es trotzdem Entlastungsmaßnahmen, vor allem für die, die sich die Teuerungen nicht mehr leisten können. Ich wiederhole sie jetzt nochmals und partout, denn sie können nicht oft genug wiederholt werden, auch um Existenzängste vor allem dort zu nehmen, wo sie nicht angebracht sind, anstatt Angst zu schüren. – Liebe FPÖ, liebe SPÖ, reden Sie lieber auch über diese Unterstützungsmaßnahmen, denn das hilft den Menschen wirklich! (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bun­desrätin Schumann: ... wenn man drüber redet, hilft’s! Drüber reden hilft ...!)

Ich beginne mit der Maßnahme, die für uns Grüne am schmerzhaftesten ist, weil sie der Klimapolitik entgegenläuft und nur bedingt treffsicher ist – ja, da stimmen wir Ihnen zu –, sie bringt aber natürlich Entlastung: Das ist die 50-prozentige Erhöhung der PendlerIn­nenpauschale und die Vervierfachung des Pendlereuros für diejenigen, die mit dem Auto fahren müssen, aber auch für diejenigen, die es nicht müssen und trotzdem tun. Sie ist bis Sommer nächsten Jahres befristet. (Zwischenruf des Bundesrates Ofner.)

Schon treffsicherer ist der heuer automatisch ausbezahlte Entlastungsbetrag von 100 Eu­ro für die Menschen, die keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen und die so wenig verdienen, dass sie die PendlerInnenpauschale nicht in Anspruch nehmen können; auch sie bekommen einen Entlastungsbetrag von 100 Euro. Sehr viele Menschen – in Wien sind es etwa 75 Prozent – haben gar kein Auto oder können sich kein Auto leisten, und da geht es natürlich darum, die Öffis verstärkt auszubauen. Dafür kämpft die Verkehrs­ministerin jeden Tag, sie kann aber Versäumnisse im Ausbau der Öffis und auch den Rückbau der letzten Jahrzehnte nicht von einen Tag auf den anderen ausgleichen oder verbessern.

Gleichzeitig bedarf es auch des Ausbaus der Öffis vor Ort, für die Kleinstrecken in den Gemeinden, und daher richte ich meinen Appell an die hier sitzenden Bürgermeisterin­nen und Bürgermeister: Starten Sie Initiativen vor Ort wie Carsharing, Mobility Points, gemeinsames Fahren oder geförderte Ortstaxis! (Bundesrat Ofner: Ja, was glaubst du, was wir noch alles machen dürfen ...? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, einige tun es schon, das stimmt (Ruf bei der SPÖ: Alte Hüte! Wir sind Bürgermeister von mor­gen!), aber auch die Öffis muss man sich leisten können, und daher - - (Bundesrat Of­ner: Wir haben durch eure verfehlte Politik ... kein Geld mehr in den Gemeinden! – Zwi­schenruf der Bundesrätin Schumann.– Hören Sie den Unterstützungsmaßnahmen zu, denn dann können Sie das den Leuten sagen und nicht immer Ängste schüren! Das würde Ihnen guttun. (Bundesrätin Schumann: Ja ...! – Bundesrat Ofner: Na, na, a bissl Ahnung wäre gut!) Daher setzt der Bund da an – damit man sich Öffis eben leisten kann – und unterstützt die Verkehrsverbünde (Bundesrat Spanring: .. Auto net leisten kann, bauts ihm a U-Bahn hin ...!), damit diese eben auch die Preise für die öffentlichen Verkehrsmittel reduzieren können.

Ich wiederhole jetzt noch einmal: 300 Euro Teuerungsausgleich wurden und werden ge­rade an Personen mit Mindestsicherungs-, Sozialhilfe- oder Ausgleichszulagenbezug sowie an Studierende, die Studienbeihilfe oder ein Mobilitätsstipendium erhalten, ausbe­zahlt. 150 Euro Teuerungsausgleich erhalten Arbeitslose und NotstandshilfebezieherIn­nen sowie LangzeitbezieherInnen von Kranken- und Rehageld genauso wie Pensions­vorschussbezieherInnen. Dieses Geld geht direkt und automatisch an die Personen.

Auch für die höheren Energiekosten wurden und werden – dieses und letztes Jahr –Abgaben gesenkt: die Ökostrompauschale und der Ökostromförderbeitrag wurden auf null gesetzt, und bis Juni nächsten Jahres werden die Erdgasabgabe und die Elektrizi­tätsabgabe um 90 Prozent reduziert, also fast auf null gestellt.

Zusätzlich dazu kann – und ja, leider erst nächstes Jahr – bei der Jahresabrechnung von Strom und Gas ein Energiekostenbonus von 150 Euro pro Hauptwohnsitz abgezogen werden, und das ist nicht, wie kolportiert wurde, kompliziert, sondern es geht sehr ein­fach, und es ist nicht, wie hier auch schon oft gesagt wurde, die einzige Maßnahme, die gegen die Erhöhung der Energiekosten gesetzt wird.

Auch die Energieberatung wurde ausgebaut. Das ist zwar keine monetäre, aber eine enorm wichtige Maßnahme, um den Energieverbrauch zu senken. Es bedarf – wir haben es alle schon gesagt – Maßnahmen auf allen Ebenen: auf Bundesebene, Länder- und Gemeindeebene, und das ist dankenswerterweise auch schon oft passiert.

Zur CO2-Bepreisung  es wurde von Herrn Kollegen Gross schon gesagt –: Es wird im­mer, auch hier heute, vergessen, kein einziges Mal wird bei der CO2-Bepreisung der Klimabonus genannt. Die CO2-Bepreisung ist aber an den Klimabonus gekoppelt. Je höher die Energiepreise sind, desto geringer fällt die CO2-Bepreisung aus, auch das hat man mitgedacht. Es ist kontraproduktiv, genau jene Maßnahme zu kippen, bei der vor allem den Menschen in den untersten Einkommensbereichen – dank Klimabonus, der auch pro Person und auch für Kinder ausbezahlt wird – am Ende sogar mehr Geld übrig bleibt. (Bundesrätin Schartel: ... keinen Klimabonus ...!)

Immer wieder kommt der Vorwurf, der Bund oder gar der Finanzminister würden sich an der Teuerung bereichern (Bundesrätin Schartel: Ist ja wahr!), aber die Gewinne von Energielieferanten mit Bundesbeteiligung kommen keiner bestimmten Person zugute, sondern dem Staat. Österreich ist kein Sparverein, und die Bundesregierung eben keine Managerin, die sich Boni auszahlen lässt, wenn der Staat durch Steuern oder andere Einnahmen mehr einnimmt. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Wenn aber da­von geredet wird, dass der Finanzminister abcasht, dann ist das schlichtweg eine Ver­leumdung und eine populistische Verdrehung der Lage, die einen Schuldigen sucht. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Der Schuldige sitzt aber in Moskau, nirgendwo sonst! Darü­ber, liebe FPÖ, sprechen Sie nicht! Warum wohl? (Bundesrat Ofner: Da können wir wie­der ein paar aufzählen: Karmasin ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Was ich hingegen sehe, ist eine redlich bemühte Regierung, die hoch konzentriert daran arbeitet, die Teuerungen vor allem für jene Menschen auszugleichen, die dies existen­ziell brauchen. Die Ausgleichspakete, die ich vorhin vorgestellt habe, sind sicherlich nicht das Ende der Unterstützungsleistungen. (Bundesrätin Hahn: Wenn ich da auf alles so ewig warten muss, brauchen wir noch 30 Jahre für irgendeine realistische Unterstüt­zung!!) – Wenn ich zuerst ÖVP gesagt habe, dann tut es mir leid, ich meinte die FPÖ.

Ich möchte noch einmal bei den Unterstützungsleistungen ansetzen, die in Aussicht ge­stellt worden sind (Bundesrätin Hahn: Die Teuerung ist jetzt, nicht erst in drei Jahren! Jetzt!), wie zum Beispiel auch heute wieder vom Finanzminister, dass die Abschaffung der kalten Progression im Raum steht. Trotzdem braucht es aber – auch wenn diese abgeschafft wird – immer zusätzliche und zielgerichtete Maßnahmen, die daneben be­stehen bleiben müssen, denn die Abschaffung der kalten Progression hilft vor allem auch den höheren Einkommensklassen. Zur Finanzierung der Abschaffung der kalten Pro­gression sollten wir meiner Meinung nach auch wieder Vermögensteuern diskutieren, denn die Mehrheit der Bevölkerung will diese, und von einigen Milliardären in der Be­wegung Tax me now wird sie sogar gefordert. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Ein paar Worte zu den von SPÖ und FPÖ geforderten Mehrwertsteuersenkungen oder gar kompletten Streichungen der Mehrwertsteuer: Das wäre vielleicht rasch und einfach umsetzbar, sofern die Unternehmen mitspielen – aber ist das eine treffsichere und adä­quate Lösung? (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) – Nein, das ist sie nicht, denn die Menschen mit den geringsten Einkommen haben am wenigsten davon. (Bundesrätin Hahn: Da geht es um Grundnahrungsmittel! Grundnahrungsmittel!) Schauen Sie einmal auf die Einkaufszettel einer prekär angestellten Alleinerziehenden oder auf die eines Managers!

Und was passiert, wenn die Mehrwertsteuer wieder eingeführt wird? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Dann haben wir 10 bis 20 Prozent höhere Preise und die Inflation explodiert, und wahrscheinlich explodieren auch die SchuldnerInnenberatungen. (Bundesrat Ofner: Was haben wir denn jetzt?)

Daher ist – wie es auch der Kollege vor mir schon gesagt hat – die Unterstützung derer, die es brauchen, der richtige Weg. Es ist offensichtlich, dass die Regierung die Lage klar im Blick hat und permanent mit ExpertInnen an weiteren treffsicheren Teuerungsaus­gleichen arbeitet. Das Vertrauen in die Verantwortlichkeit der Regierung macht mich zu­versichtlich, dass ich hier im Bundesrat bald wieder über weitere Entlastungsmaßnah­men sprechen werde. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrätin Schartel: Ich vernehme die Botschaft, der Glaube fehlt mir!)

17.09

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte.