18.07
Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Jetzt habe ich mir all das angehört, was da von ÖVP und Grünen so gesagt wird, und ich bin schon sehr erstaunt und ich frage mich: Wenn ich morgen mit vielen Leuten rede – als Gewerkschafterin ist das mein Geschäft –, was sage ich diesen Leuten, die nicht wissen, wie sie ihre Miete zahlen sollen, die nicht wissen, wie sie ihre Stromrechnung zahlen sollen, die sich überlegen, ob sie überhaupt noch auf Urlaub fahren können, weil die Stromnachzahlung oder die Heizungsnachzahlung so hoch ist?
Was werde ich ihnen denn sagen? – Ich werde mit den Worten der Bundesrätinnen und Bundesräte der ÖVP und der Grünen sagen: Milliardenpakete habt ihr gekriegt, Milliardenpakete, die euch jetzt das Leben erleichtern! – Die werden mir sagen: Gute Frau, du wohnst auf dem Mond, so schaut es nicht aus! Wir wissen nicht, wie wir die Rechnungen zahlen können. Wir wissen nicht, wie wir die Mieten zahlen sollen. – 700 000 Menschen in diesem Land haben Angst, dass sie in den nächsten drei Monaten die Miete nicht mehr zahlen können. So schaut es aus! (Beifall bei der SPÖ.)
Es ist ja lächerlich, zu glauben, ich mache jetzt Pakete und die kommen an! Sie kommen nicht an, und die Menschen machen sich große Sorgen, und es ist eine Verhöhnung dieser Sorgen der Menschen, zu sagen: Wir haben Pakete gemacht, meine Herrschaften, bitte schaut euch die Pakete an! (Heiterkeit der Bundesrätin Hahn.) – Das allein wird nicht reichen. Die Leute brauchen jetzt wirklich Entlastung, und ich kann es schon nicht mehr hören, dass das Herabsetzen der Mehrwertsteuer auf lebensnotwendige Produkte sozusagen eine unmögliche Maßnahme wäre, Geld, das mit dem Gießkannensystem ausgeschüttet würde. Ja, ganz ehrlich, das ist die einzige Maßnahme, die jetzt schnell und direkt hilft – genauso wie beim Treibstoff. Wir können nicht mehr warten! Das ist vorbei! Das ist vorbei! (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Energiekosten!)
Natürlich ist es nicht so treffsicher, nein, aber ganz ehrlich: Bei den Wirtschaftshilfen hat man sich ja auch nicht gefragt, ob man da nicht Marke Wasserrohrbruch ausgeschüttet hat, um zu retten! Und jetzt brauchen es die Leute, und zwar ganz dringend und schnell!
Wir alle wissen, und die Menschen wissen das ganz genau: Wir gehen auf einen ganz schwierigen Herbst zu. Zur Teuerung wird noch die Frage kommen, wie sich Corona weiterentwickelt, dann wird es um die Frage gehen: Kann ich daheim mein Zimmer heizen oder kann ich es nicht heizen? Dann wird es um die Frage gehen: Wie schaut es mit der Gasversorgung aus?; um die Frage: Wie wird es mit den Lieferketten ausschauen, bei denen es jetzt schon ganz, ganz schwierig ist?
Wir müssen uns auf den Herbst vorbereiten, und ganz ehrlich gesagt trauen wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten das dieser Regierung nicht mehr zu, wir haben zu viel erlebt. (Beifall bei der SPÖ.)
Sie schaffen keinen Teuerungsausgleich, Sie schaffen es nicht, die Energiewende wirklich voranzubringen. Seit 500 Tagen hat die österreichische Bundesregierung es nicht geschafft, ein gesetzliches Klimaschutzziel zu verankern. Sie schaffen es nicht, den Menschen Hoffnung zu geben, dass es Wege geben wird, wenn das mit dem Gas nicht funktioniert – und das ist nicht unwahrscheinlich, sondern eher wahrscheinlich –, dass es andere Versorgungsmöglichkeiten geben wird.
Ganz ehrlich: Jetzt werden der 13., der 14. Minister angelobt, es gibt den dritten Bundeskanzler, den dritten Gesundheitsminister – ja, irgendwann ist es einmal genug. Wann wäre denn Ende? Wann ist denn der Punkt erreicht, an dem man sagt: Na gut, das ist nicht mehr erträglich!?
Ich darf schon daran erinnern, dass wir im Demokratieranking abgesunken sind. Das hat niemanden in dieser Regierung aufgeregt. Uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten regt das wirklich auf. Die Demokratie ist ein zartes Pflänzchen, das geschützt und gestützt werden will, und dann sagt man: Na gut, jetzt sind wir halt im Ranking bei der Demokratie heruntergefallen, eh wurscht, Hauptsache, wir machen es super! Genau! – Das kann es doch nicht sein. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir sind im Ranking der Pressefreiheit in einem Ausmaß abgestürzt, dass einem angst und bange wird. Wir brauchen Pressefreiheit, um auch noch eine andere Meinung zuzulassen als jene, die gestreamt ist. Das geht nicht, das funktioniert nicht – und es wird nichts getan.
Ganz ehrlich: Wir haben genug von den Ankündigungen. Nicht nur wir, sondern die Menschen haben genug von den Ankündigungen, und sie haben genug von den Skandalen. Es gibt einen Korruptionsskandal nach dem anderen. Sollen die Menschen völlig abstumpfen? Gut, jetzt kommt wieder einer auf, heute gibt es wieder eine Erzählung. – Es ist zu viel! Wir haben genug von den Ankündigungen! Wir haben den Sputnik-Ankauf erlebt: Jetzt kommt Sputnik!, und es gab das Kaufhaus Österreich und die Hygiene-Austria-Maskengeschichte und Hunderttausende Ankündigungen, und nichts hat funktioniert.
Die Geduld der Menschen ist sehr groß, weil sie Sorgen haben und weil sie natürlich gern Stabilität und ein ruhiges Fahrwasser in diesen furchtbaren Krisenzeiten hätten. Das bieten Sie als Regierung aber nicht, und darum ist eindeutig zu sagen: Liebe Bundesregierung, es ist aus! Game over, es funktioniert nicht mehr. Machen Sie Platz! Treten Sie zurück! Es funktioniert in dieser Form nicht mehr. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)
Daher stelle ich den folgenden Antrag:
Entschließungsantrag
der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, dem Bundespräsidenten vorzuschlagen, ihn und die weiteren Mitglieder der Bundesregierung sowie die Staatssekretär*innen des Amtes zu entheben, da sie nicht mehr über das notwendige Vertrauen verfügen.“
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Das ist es: Sie verfügen nicht mehr über das notwendige Vertrauen der Bevölkerung. Bitte geben Sie den Weg frei für Neuwahlen! Jetzt ist es an der Zeit! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)
18.13
Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. Ich erteile ihr dieses.