10.15
Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werter Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Was dieses Land und was vor allen Dingen die Menschen, die in diesem Land leben, in der jetzigen Situation brauchen, ist Stabilität. Wir haben eine Situation, die für die Menschen extrem belastend ist: Es ist die Teuerung, es ist die Frage des Klimawandels, es ist die Frage der Entwicklungen der Digitalisierung, es ist die Frage der demografischen Entwicklung – viele Druckpunkte, viele Herausforderungen – und natürlich dieser schreckliche Angriffskrieg in der Ukraine. All das zusammen ist eine schwierige Mischung für die Menschen.
Die Bundesregierung sitzt jetzt wieder hier und es gibt wieder eine Regierungserklärung. Die wievielte? – Wir zählen sie eh nicht mehr. Es ist unerträglich, ganz ehrlich, es ist wirklich unerträglich! Wir verändern wieder die Ministerien und hören: Das ist die beste Version, jetzt ist die Version gefunden, wie ein Ministerium zusammengestellt werden sollte. – Das haben wir das letzte Mal und das vorletzte Mal auch schon gehört. Kein Unternehmen in diesem Land würde permanent seine Strukturen ändern, denn dann wäre es bankrott und könnte zusperren. Wir aber verändern permanent! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
Die ÖVP ist damit beschäftigt, die Scherben der Kurz’schen Politik aufzuräumen, man ist mit sich selbst beschäftigt. Die Grünen tragen in einer Duldsamkeit, die nicht mehr verständlich ist, alles mit, aber, mein Gott, so ist es jetzt halt. Was uns aber wirklich Sorgen bereitet, ist die Vereinigung der Ministerien für Wirtschaft und Arbeit. Diese halten wir für nicht gut. Wir – als Sozialdemokratie und allemal als GewerkschafterInnen – haben das immer für nicht gut gehalten, denn die Rechte der ArbeitnehmerInnen stehen nicht so im Fokus, wie sie stehen sollten, und mit dem Fokus auf die Wirtschaft noch viel weniger. Das ist nicht die richtige Kombination. Und ich wundere mich schon, wie die Grünen, die 2000 – ich erinnere mich noch an die Demonstrationen – neben uns gegangen sind und gesagt haben: Arbeit und Wirtschaft zusammen, das kann es nicht sein!, jetzt mit Seelenruhe sagen: Na wunderbar, legen wir die zwei Ministerien wieder zusammen! – Das kann es wirklich nicht sein. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich verstehe schon, dass der Herr Kanzler jetzt hinausgegangen ist, denn es gibt ja wieder einen Skandal, der heute aufgetaucht ist. Der wievielte ist es? – Wir wissen es nicht. Herr Bundesminister Polaschek ist da verantwortlich: Die PCR-Tests in den Schulen wurden ja abgebrochen, jetzt steht eine Pönale, also eine Strafe, von 11 Millionen Euro im Raum, die gezahlt werden muss. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ja um Himmels Willen, Sie können es nicht! Das ist ja überpeinlich. Wir gehen von einem Skandal in den anderen, so kann man doch ein Land nicht führen, das funktioniert doch nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Grossmann.)
Wir haben ein Scheitern in der Pandemiebekämpfung. Die Pandemie wurde zum x-ten Mal abgesagt, sie ist aber nicht abzusagen, denn Corona ist noch da und wir wissen nicht, wie sich die Ausbreitung im Herbst entwickeln wird. Wir haben eine Teuerung, eine Inflation von 8 Prozent. Und was macht die Regierung? – Sie macht Entlastungspakete, sie macht Gutscheinaktionen. Mehr als diese Gutscheinaktion zur Entlastung kann etwas ja schon gar nicht mehr danebengehen: Wir haben extreme Kosten für die Gutscheine, die Leute sind überfordert, sie sind mit dem Ausfüllen überfordert. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Manche sagen, die Regierung hofft, dass man sie doch nicht einlöst. Ich habe mit ich weiß nicht, wie vielen älteren Leuten gesprochen, die gesagt haben: Na ja, dann löse ich das halt doch nicht ein! (Ruf bei der ÖVP: So ein Blödsinn!) – Das ist doch nicht eine Form, wie man die Menschen entlastet!
Wir sagen schon seit Oktober: Es braucht starke Programme. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Jetzt, bei 8 Prozent Inflation, braucht es eine wirkliche Entlastungswelle, die den Menschen hilft. Es braucht befristetes Senken oder Weglassen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, auf Sprit, auf Gas, auf Heizung. Die Leute können sich ihr Leben nicht mehr leisten.
Der Vizekanzler sagte in den „Salzburger Nachrichten“, man müsse den Menschen halt sagen, dass es einen Wohlstandsverlust geben werde. – Na ja, das ist schon ein bisschen zynisch. Und Herr Bundesminister Kocher hat am 18.5. in einer APA-Meldung gesagt, so schlimm werde es mit dem Wohlstandsverlust nicht werden, das werde nicht bleiben. – Das ist Ihre Wahrnehmung, aber sie ist sehr abgehoben. Die Menschen sagen: Ich habe nichts mehr im Geldbörsel, ich weiß nicht mehr, wie ich meine Rechnungen zahlen soll, ich weiß nicht mehr, wie ich meine Kredite bedienen soll! – Jetzt braucht es eine wirkliche Entlastungswelle! (Beifall bei der SPÖ.)
Ich kann mich an die letzten Sitzungen im Bundesrat erinnern, wo sowohl die ÖVP als auch die Grünen permanent gesagt haben: Na ja, wir haben schon so viel getan, da braucht es nichts mehr, die Menschen sind schon entlastet. – Einen Schmarrn sind sie schon entlastet! Sie brauchen eine wirkliche Entlastung, die ihnen jetzt hilft, über die nächste Zeit zu kommen, denn jeder Wirtschaftsexperte, mit dem man spricht, sagt, der Herbst wird noch einmal schwieriger werden, wir sind noch nicht am Plafond mit den Preisen. Sie müssen jetzt wirklich entlasten, das haben sich die Menschen in diesem Land verdient! (Beifall bei der SPÖ.)
Wenn man von der Lohn-Preis-Spirale spricht, dann sollte man auch sehr vorsichtig sein, denn eines ist schon Fakt: Vorher steigen die Preise, und dann wollen die Menschen ein gutes Einkommen haben, von dem sie leben können; und wir als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter werden natürlich dafür kämpfen, und natürlich werden wir bei den Kollektivvertragsverhandlungen alles ins Zeug werfen, damit die Menschen wieder etwas im Geldbörsel haben. Das ist unsere Aufgabe, und Ihre Aufgabe in der Regierung ist es, endlich zu entlasten. In ganz Europa finden Entlastungsmaßnahmen statt, nur wir zögern und hinken da hinterher. Das kann es ja wirklich nicht sein! (Beifall bei der SPÖ.)
Was mir noch große Sorgen bereitet, ist ein völliges Erliegen der Frauenpolitik – völlig! Es gibt keine Frauenpolitik in diesem Land, und das macht mir große Sorgen. Besonders aus der Pandemie heraus: Die Frauen sind die vergessene Gruppe, ihre Anliegen allemal. Gestern bei der Enquete wurde gesagt: Wenn die Frauen das Land verlassen, den ländlichen Raum, dann ist es ganz, ganz schwierig. – Ja, aber dann muss man etwas für die Frauen tun, dann muss man auch wirklich schauen, dass sie Beruf und Familie vereinbaren können!
Wenn Sie sagen: Ja, aber wir haben jetzt ja diese 15a-Vereinbarung wunderbar verhandelt – das ist viel zu wenig, um Beruf und Familie wirklich vereinbaren zu können und den Rechtsanspruch oder zumindest den Weg auf einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbildungsplatz hinzubekommen. Das ist eine Mogelpackung, und ich kann gar nicht sagen, wie enttäuscht sehr viele der Frauen sind, die jetzt eine gute Betreuungsstruktur brauchen würden. Ich kann gar nicht sagen, wie enttäuscht die Beschäftigten in der Elementarpädagogik sind, die aus dieser Vereinbarung keine Hoffnung schöpfen, dass ihre Situation besser wird oder dass sie entlastet werden, und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viele Eltern enttäuscht sind, weil diese Vereinbarung es wieder nicht zustande gebracht hat, eine Qualitätssicherung im elementarpädagogischen Bereich zu sichern. (Beifall bei der SPÖ.)
Herr Bundesminister Kocher, Sie können gerne sagen: Die Frauen, die einen hohen Teilzeitanteil haben – und nach Corona einen noch höheren –, sollen ein paar Stunden mehr arbeiten! Das ist ein guter Vorschlag, ein netter Vorschlag, aber wenn man nicht weiß, wo man seine Kinder unterbringen kann, dann wird das nicht funktionieren, und wenn Sie ein derartiges Paket einer 15a-Vereinbarung vorlegen, wird das noch viel weniger passieren, weil wir genau wissen: Die Dinge wirken ja langsam! Sie setzen nicht die Maßnahmen, die gesetzt werden müssen, und das ist bedenklich.
Lassen Sie mich noch zwei Punkte sagen, die uns wirklich weiter große Sorgen machen: Wir sind im Demokratieranking abgesunken. Wir sind auch im Ranking der Pressefreiheit abgesunken, und zwar um 14 Plätze, und das macht der Regierung keine Sorgen – uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten macht das aber Sorgen! (Beifall bei der SPÖ.)
Wir müssen um die Demokratie kämpfen; und Herr Vizekanzler, wenn Sie mit einem Augenzwinkern – ich verstehe es eh, wir lachen auch alle drüber – sinngemäß sagen: Die Wahrheit ist in der Politik so ein bisschen ein schwieriger Begriff!, dann darf das nicht sein, ganz ehrlich. Wir müssen als Politikerinnen und Politiker glaubhaft sein, und es muss das Vertrauen da sein, dass nicht Korruption dieses Land regiert, sondern dass es ein transparentes, gutes System gibt, auf das sich die Leute verlassen können. Und ganz ehrlich: Die ÖVP hat ein Korruptionsproblem, auch wenn sie es nicht gerne wahrhaben möchte, und es wäre wichtig, da einmal transparent aufzuräumen, anstatt darüber permanent den Deckmantel des Schwammdrübers zu werfen. Das ist nicht gut für die Demokratie, das ist nicht gut für unser Land, und da müssten Sie endlich handeln!
Ganz ehrlich, gesamt gesehen: Sie schaffen es nicht. Diese Regierung in dieser Form ist gescheitert. (Bundesrat Steiner: Bravo!) Das muss man ganz deutlich sagen, denn die Menschen in diesem Land brauchen jetzt Lösungen, sie brauchen Perspektiven. Die Zeiten werden so schwierig werden, dass sie wirklich das Gefühl haben müssen, jemand hat einen Plan. Die Zeiten sind schwierig, keine Frage, aber die Menschen haben verdient, dass es Lösungen gibt. Die Sozialdemokratie hat die Lösungen (ironische Ja-Rufe bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ), diese Regierung sicher nicht. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
10.25
Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile dieses.