13.35

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin! Frau Kollegin Grossmann wirkte, als wäre sie überrascht darüber, dass Kollegin Winzig von einem „Bürokratiemonster“ gesprochen hat. Was soll denn sonst daraus werden?

Schauen wir uns das einmal an. Das klingt schön: Wir verhindern Kinderarbeit. Das ist ja nicht die Intention und auch nicht die Zielrichtung dieser Novelle oder dieser geplanten Verordnung, Entschuldigung, das ist komplettes rechtliches Neuland, sondern die Ziel­richtung ist dahin gehend, dass die Konzerne oder die Unternehmen verpflichtet sein sollen, bei jeder Geschäftsbeziehung mit einem Drittstaat zu überprüfen, ob ihre geschäftlichen Aktivitäten sich nachteilig auf Menschenrechte in diesem Land oder auf die Umwelt auswirken. (Präsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Das müssen sie jährlich in einem Evaluationsbericht darlegen. Sie müssen, wie Sie schon richtig gesagt haben, bis zur letzten Schraube die gesamte Kette der Produkte, die sie ins Inland importieren, auf Vereinbarkeit mit Menschenrechten, mit Ökostandards und dergleichen untersuchen. Dann müssen natürlich die Strukturen, Kommissionen, Agenturen, Behörden gebildet werden, die das jährlich prüfen, evaluieren; und dann müssen die nationalen Staaten Strafen verhängen für den Fall, dass hier vielleicht gegen Standards verstoßen wurde oder man nicht ausreichend evaluiert oder geprüft hat.

Na gut, was bedeutet das? Textilindustrie – Kollege Köck hat das eh schon angedeutet –: Es würde größere Unternehmen betreffen. Es sind hier keinesfalls die Großunternehmen betroffen, sondern die größeren Unternehmen. Diese 150-Millionen-Euro-Umsatzgrenze bedeutet, dass allein in der EU mindestens 13 000 Unternehmen dazu verpflichtet wer­den, eine solche Evaluierungsabteilung und Prüfungsabteilung einzurichten und unter dem Risiko von Strafen zu schauen, ob ihre Lieferantenländer die Standards einhalten.

Na ja, die Konsequenz wird sein, dass – Sie würden sagen, vulnerable Staaten – Staa­ten mit einem besonders schwachen Wirtschafts-, Sozial- und Infrastruktursystem aus den Lieferketten rausfliegen werden, weil das Risiko, dafür bestraft zu werden, dass dort ökologische und soziale Standards nicht eingehalten werden, natürlich sehr groß ist.

Ökologische und soziale Standards kann ein entwickeltes Land oder eventuell ein Schwellenland noch einhalten. Für Bangladesch wird das aber schon schwierig, und für die Demokratische Republik Kongo – es wurde die Kobaltproduktion für die Batterien angesprochen – wird es überhaupt unmöglich. Staaten, die keine geordnete Verwal­tungsstruktur haben, wo weite Teile des Landes überhaupt von den Zentralregierungen nicht beherrscht werden, werden sich sehr, sehr schwertun, einem Konzern, sei es jetzt ein Großmulti oder ein mittelgroßes Familienunternehmen mit einem Jahresumsatz von über 150 Millionen Euro, nachzuweisen, dass dort die Öko- und Sozialstandards einge­halten werden.

Jetzt kann man natürlich, damit jetzt dieses klassische Totschlagsargument gegen eine vernünftige Diskussionsführung nicht aufpoppt, sagen: Da müssen wir halt die Entwick­lungszusammenarbeit vertiefen. – Ja, viel Vergnügen beim Vertiefen der Entwicklungs­zusammenarbeit mit der Demokratischen Republik Kongo! Wir werden schauen, was da rauskommt.

Oder wenn man sagt, wir werden in Bangladesch den teilweisen Verlust der Textil­produktion durch Entwicklungszusammenarbeit ausgleichen: Ja, wie bitte? Ein Land wie Bangladesch – weil Sie das erwähnt haben, Kollege Köck – hat etwa 40 Milliarden Dollar pro Jahr Einnahmen allein aus dem Textilexport. Dieser Textilexport erwirtschaftet zwischen 75 und 80 Prozent der gesamten Deviseneinnahmen des Landes.

Wollen wir jetzt wirklich mit diesem – ich verwende das Wort sehr gern, weil es genau passt – typisch ideologisch erfundenen Ideologiemonster Bangladesch ruinieren? Ich bin schon überzeugt, dass man dort, in Bangladesch, bis zu 50 Prozent der Textilindustrie hinmachen kann, wenn man diese Novelle wirklich exekutiert.

Wollen wir das? Wollen wir sagen: Das geht nicht, wir gehen in Länder, die einen hohen Mechanisierungsgrad haben! – Die gibt es ja auch, es gibt ja auch in Fernost Produ­zenten, die die Textilindustrie sehr hoch modernisiert haben, die computerunterstützte Fertigungstechniken haben und die nur ein Zwanzigstel oder ein Dreißigstel der Arbeits­kräfte im Vergleich zu Bangladesch benötigen. Die werden diese Standards erfüllen. Die werden ökologisch arbeiten und sozial arbeiten, weil die Computer- und die EDV-Spezialisten, die dort die Maschinenparks bedienen, wahrscheinlich von der EU nicht kritisiert werden, aber die Arbeiter in Bangladesch oder die Kobaltschürfer in der Demokratischen Republik Kongo schon.

Deswegen hat ja mit gutem Grund ein Großteil der europäischen Mitgliedstaaten – inklusive Österreich – solche sogenannten Lieferkettengesetze nicht beschlossen. Es ist dann immer besonders interessant, wenn das Mitglied eines inländischen Vertretungs­körpers, wie zum Beispiel Kollegin Grossmann, aber auch die Kollegin von den Grünen, sich darüber freut, dass wir das, was wir im Inland nicht beschlossen haben, jetzt zwangsweise durchführen müssen, weil es die EU beschließt. Das ist ja ein interes­santes Selbstverständnis: Wir beschließen es nicht, freuen uns aber darüber, dass ein anderer uns zwingt, es zu beschließen. – Da sollte man einfach nur sein Selbstver­ständnis als Mitglied des Parlaments und als Volksvertreter ein bisschen auf den Prüfstand stellen.

Es wird dann auch interessant, wie zum Beispiel die OMV mit diesen Dingen umgeht. Es heißt ja in diesem Entwurf, es ist zu überprüfen, ob es sich auf die Menschenrechte nachteilig auswirkt. Na ja, wenn ich zum Beispiel Öl aus Saudi-Arabien über Aramco beziehe, wird sich das vielleicht nachteilig auf die Menschenrechte dort auswirken, weil hinter Aramco im Wesentlichen die Saud-Familie steht, und die hat halt noch ein paar Hundert Milliarden mehr am Konto. Da könnte man natürlich sagen, das ist vielleicht förderlich für das Köpfen nicht an jedem Freitag, es ist vielleicht förderlich für den Krieg im Jemen, der im Wesentlichen von Saudi-Arabien finanziert wird. Es ist vielleicht förderlich für das Zerstückeln und Beseitigen von Oppositionellen wie Herrn Khashoggi in der saudischen Botschaft in Istanbul.

Ist es daher nach der Richtlinie zulässig, gefährlich oder überhaupt verboten, aus Saudi-Arabien Öl zu beziehen? Wenn ich jetzt sage: Wir dürfen aus Russland kein Gas mehr beziehen, weil das ja den Krieg gegen die Ukraine finanzieren könnte!, na ja, dann darf ich Saudi-Arabien nicht einmal angreifen, geschweige denn als Geschäftspartner akzeptieren (Beifall bei der FPÖ) – abgesehen von dem Umstand, dass nach meiner Ansicht diese Verordnung überhaupt nicht in der Kompetenz der Europäischen Union liegt.

Sie werden ja in den einführenden Worten da weitschweifende Versuche sehen, das zu rechtfertigen, warum da ein Unionsrecht dahinterstecken soll. Es wird damit begründet, dass es notwendig ist, um den einheitlichen Markt und die Niederlassungsfreiheit im einheitlichen Markt für Unternehmen sicherzustellen, und dass es notwendig ist, um Handelsverzerrungen durch extrem ungleiche Bestimmungen einzelner Staaten auszu­gleichen. Was soll das heißen? – Es soll heißen, wenn einzelne Staaten jetzt Liefer­kettenbestimmungen einführen, dann müssen die anderen leider verpflichtet werden, diese auch einzuführen, weil es sonst Marktungleichheiten gibt – oder etwas anderes, ich weiß es nicht. Die Frau Minister wird uns das alles erklären können, warum das doch Unionsrecht ist.

Ich kann nur sagen, ich habe mit dieser Initiative und mit dem Vorschlag keine Freude. Ich bin auch etwas überrascht über die Freude, die grüne und sozialdemokratische Mandatare und Abgeordnete haben. Ich habe mich gefreut, dass immerhin Kollege Köck hier mit Menschenverstand und einer gewissen Distanz an das ganze Vorhaben herangegangen ist (Heiterkeit des Redners), und ich hoffe im Sinne der Betroffenen in der sogenannten Dritten Welt, in den Drittstaaten, aber auch im Sinne unserer Konsumenten, dass aus diesem Regelwerk möglichst nichts, und wenn es etwas werden muss, es möglichst spät wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

13.44

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Dr. Alma Zadić. – Bitte, Frau Ministerin.