13.45
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! In der heutigen Aktuellen Stunde geht es um ein sehr wichtiges Thema, um ein Thema, bei dem wir entschlossen und rasch handeln müssen, denn es ist wichtig und die Zeit drängt, und es ist auch sehr aktuell.
Wir beschäftigen uns heute damit, wie Produkte, die wir alle jeden Tag verwenden, hergestellt werden. Was bedeutet mein Kaffee, meine Jean oder mein Laptop für unsere Umwelt oder die Menschen, die den Kaffee anbauen, die diese Jean nähen und die den Laptop herstellen?
Wir alle wissen, die Gegenstände und Produkte, die wir tagtäglich verwenden, haben oftmals einen sehr langen Weg hinter sich. Der Kaffee wird nicht nur angebaut, er wird auch geröstet, gemahlen, verpackt, abgefertigt, und oft passieren diese Schritte in verschiedenen Ländern und auch von unterschiedlichen Subunternehmen. Erst am Schluss dieses Prozesses, der sogenannten Lieferkette, kommt der Kaffee zu uns in den Supermarkt in Bregenz, in Klagenfurt oder in Wien, wo wir diesen Kaffee der Marke unseres Vertrauens dann kaufen können.
Genau darum geht es im Kern: Welche Verantwortung tragen denn diese Unternehmen, die wir alle hier bei uns kennen und von denen wir unseren Kaffee, unsere Jean oder unseren Laptop kaufen? Welche Verantwortung tragen die dafür, dass ihre Produkte bei all diesen Schritten – ihrer Herstellung, ihrer Verpackung, ihrer Verschiffung – entlang der gesamten Wertschöpfungskette eben nicht unsere Umwelt zerstören und eben nicht den Menschen ausbeuten? – Diese Frage der Verantwortung der Unternehmen ist keine neue Frage. Es ist eine Frage, die ich sogar in der Schule behandelt habe, und es ist eine Frage – so leid es mir tut –, mit der wir uns heute immer noch beschäftigen müssen.
Es ist kein Geheimnis, dass Waren, die wir im Supermarkt oder Elektromarkt kaufen können, zum Teil auch durch die Ausbeutung von Menschen, durch die Ausbeutung der Umwelt und unseres Planeten hergestellt wurden und wir solche Produkte auch bei uns in Österreich erwerben können. Wir wissen mittlerweile schon sehr gut, dass die Freiwilligkeit nicht zu einem Erfolg geführt hat, dass diese sogenannten Codes of Conduct und Verhaltenskodizes nicht dazu geführt haben, dass sich alle Unternehmen, die in Europa produzieren, menschenrechtskonform, sozial gerecht und ökologisch verhalten. Wir müssen uns eingestehen, dass diese Freiwilligkeit doch leider versagt hat.
Noch immer landen der Kaffee, der auf Brandrodungen beruht, Jeans, die unter menschenunwürdigen Bedingungen genäht wurden, und auch Laptops, für deren Bauteile ganze Landstriche durch ungehemmten Raubbau zerstört wurden, in unseren Geschäften. Diese unwürdigen Produktionsbedingungen führen immer wieder zu menschlichen Katastrophen und zu ökologischen Katastrophen, und ich möchte Sie schon noch daran erinnern: Erinnern Sie sich an das Jahr 2013, als das Rana Plaza in Bangladesch eingestürzt ist und als 1 100 Textilnäherinnen und Textilnäher starben! Die haben Kleidung produziert, die wir auch in Österreich gekauft haben. Trotz dieses schier unfassbaren Ausmaßes an Zerstörung und Leid – 1 100 NäherInnen! – konnten die Opfer der Hinterbliebenen kaum Entschädigung erstreiten.
Wir kennen auch Berichte aus Mexiko, wo großen französischen Energieunternehmen vorgeworfen wird, zur Enteignung der indigenen Bevölkerung beigetragen zu haben, oder Berichte aus Uganda: Bei einem Projekt eines großen Energieunternehmens kam es zu massiven Umweltzerstörungen und ebenso zu Enteignungen. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Deswegen glaube ich, dass die Vorlage dieses Richtlinienentwurfs der Europäischen Kommission notwendig und richtig ist und wichtig ist, denn sie bringt endlich das, was wir schon immer gefordert haben, nämlich verbindliche gesellschaftsrechtliche Sorgfalts- und Nachhaltigkeitspflichten für Unternehmen. Deswegen kann ich auch in Regierungsverantwortung für die gesamte Bundesregierung sprechen, wenn ich sage, dass wir einhellig der Meinung sind, dass diese Richtlinie notwendig war, dass sie richtig und notwendig ist. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)
Es stimmt mich zuversichtlich, dass wir da auf europäischer Ebene einen Vorstoß gewagt haben, einen Vorstoß geschafft haben, denn das, was es braucht, sind nicht Einzellösungen in einzelnen Ländern, es braucht natürlich eine europäische Lösung. Wir müssen den gesamten europäischen Markt mitbedenken. Es bringt ja nichts, wenn es ein Lieferkettengesetz in Deutschland und vielleicht in Frankreich gibt. – Nein, wir brauchen eine gesamteuropäische Lösung. Das Ziel muss nämlich eine effektive Verbesserung der menschenrechtlichen und ökologischen Situation entlang der gesamten Wertschöpfungskette sein, und die Mittel sind auch klar: verbindliche, unabhängige Kontrollen, Entschädigung für Betroffene und entsprechende Haftungen für betroffene Unternehmen. Und ja, daraus ergibt sich auch für mich ein klarer Handlungsauftrag, den notwendigen Rechtsrahmen zu setzen, um eben das zu ermöglichen und sicherzustellen.
Ich bin nicht die Einzige, die das so sieht, und es sind auch nicht nur ein paar politische Fraktionen, die das so sehen. Es sehen ja auch die Unternehmen genau so. Das zeigt sich unter anderem darin, dass sich kurz vor der Präsentation der Lieferkettenrichtlinie 100 namhafte Unternehmen dafür eingesetzt haben, dass ein ambitioniertes EU-Lieferkettengesetz vorgelegt wird, denn wir brauchen ambitionierte, europaweit einheitliche Rechtsvorschriften, um, wie schon erwähnt, eine Fragmentierung innerhalb der EU zu verhindern.
Das ist deswegen auch für die Unternehmerinnen und Unternehmer in Europa wichtig, weil sie ein Level-Playing-Field brauchen. Es kann nicht sein, dass Unternehmerinnen und Unternehmer, die ökologisch, nachhaltig und zu fairen Bedingungen wirtschaften, dann Wettbewerbsnachteile verzeichnen müssen und vielleicht nach zwei Jahren überhaupt nicht mehr herstellen können, weil sie sagen: Ich bin schlicht und ergreifend nicht konkurrenzfähig, wenn – wie Sie, Herr Abgeordneter Köck, sagen – dann vielleicht die Eier aus China geliefert werden!, was eigentlich, wenn man sich das überlegt, schier unvorstellbar ist: dass die Eier aus China bei uns in Österreich billiger sind als die heimisch produzierten Eier. Da merkt man, dass da in der gesamten globalen Wirtschafts- und Wertschöpfungskette einfach so viel schiefläuft, und es ist Zeit, dass wir dem Ganzen ein Ende setzen, denn es muss sein, dass die österreichischen Bauern und Bäuerinnen auch keinen Wettbewerbsnachteil haben. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)
Ja, ich gebe Ihnen recht – ein paar haben sich ja schon zu Wort gemeldet –: Dieser Entwurf muss noch ausgiebig diskutiert werden. Die Verhandlungen auf der EU-Ebene haben gerade erst begonnen, und es sind viele Bestimmungen vage, widersprüchlich und auch in der Praxis unerprobt, und daher wird es natürlich eine Präzisierung, Überarbeitung brauchen, und diese rechtliche Innovation muss dann auch mit Leben erfüllt werden, aber das Ziel des Vorhabens muss klar sein: Die nachhaltige Verbesserung der Situation entlang der Wertschöpfungskette muss auch wirklich gerecht werden.
Es stimmt mich zuversichtlich, dass das Ganze jetzt auf EU-Ebene verhandelt wird. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium haben wir bereits Stellungnahmen innerhalb Österreichs von den einzelnen Stakeholdern eingeholt. Die werden wir jetzt einarbeiten, überarbeiten und eine übereinstimmende österreichische Position dazu entwickeln. Ich freue mich, dass wir da endlich zu diesem Thema diskutieren können, dass ein EU-Lieferkettengesetz da ist und wir dazu diskutieren können und es hoffentlich bald auch verbindliche Regelungen gibt. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
13.53
Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Frau Bundesministerin!
Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile dieses.