13.54
Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Der Vorstandsvorsitzende eines international tätigen Unternehmens, den ich seit Jahren sehr gut kenne, der sich seit Jahren um die Analyse der Vorketten seiner Tausenden Produkte, die er verkauft, bemüht – das ist irrsinnig aufwendig – und auch selber in seinem Unternehmen systematisch Nachhaltigkeitskriterien einführt, fordert seit Langem zu Recht, dass es ökonomische Rahmenbedingungen braucht, damit sich seine Arbeit auch endlich bezahlt macht. Im Moment bezahlt er es selber. Wer nachhaltig wirtschaftet, darf einfach nicht der Dumme sein.
Viele Menschen möchten mit gutem Gewissen ihr Smartphone nutzen. Sie wissen selbstverständlich, dass damit eine Reihe hoch problematischer Implikationen verbunden ist. Die meisten Menschen möchten nicht, dass durch ihren Konsum Menschen leiden und die Umwelt zerstört wird. Die Energiewende schreitet voran, und da braucht es eine Vielfalt an Rohstoffen, die irgendwo auf der Welt gewonnen werden.
Nein, wir möchten nicht, dass die Fehler des fossilen Zeitalters wiederholt werden und Menschen dafür sterben und unter miserabelsten Bedingungen arbeiten müssen. Wir möchten nicht, dass ganze Gegenden für die Chips, die in Heizkesseln, in der Steuerung für die PV-Anlagen und Windturbinen gebraucht werden, ökologisch zerstört werden. Wir möchten eine sozial faire Energiewende – auch für die Menschen, die dafür, egal wo auf dieser Welt, arbeiten.
Ein Elektroauto soll mit gutem Gewissen gefahren werden können. Es darf nicht sein, dass dafür Kinder irgendwo in Minen schuften müssen. Wir möchten nicht, dass Mütter nach einem 14-stündigen Arbeitstag unter der Nähmaschine schlafen müssen. Wir möchten, dass man ohne Bedenken ein Hemd kaufen kann und sich darauf verlassen kann, dass dafür nicht Menschen versklavt werden. Es kann doch nicht sein, dass – wie von der Frau Ministerin erwähnt – im Jahr 2013 1 100 Frauen sterben, weil ein Gebäude wegen blanker Profitgier zusammenstürzt.
Wir möchten nicht, dass Menschen aus Afrika, die die Tomaten anbauen, die dann zu Spottpreisen in unseren Supermärkten landen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben auf Plantagen vergiftet werden. Wir wollen nicht, dass Händler und Spekulanten weit über 90 Prozent der Produktpreise einstreifen und die ArbeiterInnen de facto leer ausgehen. Ich werde nachher noch ein Beispiel bringen.
Es darf nicht sein, dass durch zahlreiche Konsumprodukte, die wir mehr oder weniger lang nutzen, die Klimakrise angeheizt wird, und es ist wirklich höchste Zeit, mehr Verantwortung für das zu übernehmen, was wir durch unseren Konsum auslösen. Es gibt schlicht und einfach keine Rechtfertigung für Menschenrechtsverletzungen und ökologische Zerstörung. Die FPÖ scheint hier die Einzige zu sein, der das offenbar egal ist.
Wir brauchen ganz klar verbindliche Regeln. Wir brauchen ein striktes, klares und strenges Lieferkettengesetz, und das geht sinnvollerweise nur auf europäischer Ebene. Es macht keinen Sinn – wenig Sinn –, dass in so einer Frage jedes Land selber ein Gesetz bastelt, weil eben die Wirtschaft natürlich international organisiert ist. Das, was jetzt vorliegt, ist wirklich ein extrem wichtiger Vorstoß und ein ganz, ganz wichtiger Schritt.
Kritisch noch: Kann man damit zufrieden sein? – Nein, kann man nicht! Der Vorschlag geht noch nicht weit genug. Die Schwellenwerte sind noch zu hoch. Es braucht klarere Regelungen da und dort – zum Beispiel was zivilrechtliche Haftungen betrifft. Trotzdem, es ist erfreulich, sehr erfreulich sogar, und wir alle wissen, wie schwer so etwas durchzusetzen ist. Es wird schon eine hinreichende Herausforderung werden, das national gut umzusetzen. Auch dazu kennen wir Österreich hinreichend genug. Auf was Sie sich aber verlassen können, ist, dass wir nach allen Kräften darauf schauen werden.
Viele Unternehmen wollen das übrigens selber. Sie wollen einen fairen und klaren Rahmen haben, um fair zu wirtschaften. Natürlich – ich möchte das nur erwähnen – gibt es schon ein Gezeter, dass alles so bürokratisch aufwendig sei. Die Kommission hat eine eigene Studie dazu in Auftrag gegeben, was denn das für die betroffenen Unternehmen kosten würde. Die kommen zum Ergebnis: Die Unternehmen, die das machen müssen, würden diese ganzen Nachweisketten, die aufzubauen sind, ganze 0,005 Prozent des Umsatzes kosten.
Ein Beispiel noch zu den Ängsten, die Produkte würden durch bessere Löhne teurer werden: In einem Turnschuh sind zum Beispiel 2,5 Prozent der Kosten Löhne für die Leute, die ihn nähen – 2,5 Prozent! – Bitte, verdoppelt die Löhne, verdreifacht die Löhne, das tut niemandem bei uns weh, wenn er einen Turnschuh kauft!
Eine zukunftsfähige globalisierte Wirtschaft kann nur sozial fair und ökologisch ausgerichtet sein. Alles andere würde sowieso scheitern – allerdings mit großen Opfern. Ein Blick auf die Lieferkette und damit auf das, was wir mit unserem Tun auslösen, ist somit wirklich ein Gebot für eine gute Zukunft für uns und vor allem auch für alle, die quasi versteckt für unsere Produkte arbeiten. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)
13.59
Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte sehr.