13.23
Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin! (Bundesrat Schennach: Ist das die ... Rede?) – Bitte? (Bundesrat Schennach: Ist das die übliche EU-kritische Rede?) – Harren Sie, dann wird es spannender. Harren Sie dessen, was da auf Sie zukommt!
Na ja, fangen wir mit Victor Hugo an: Nichts ist stärker als eine Idee, deren Zeit gekommen ist, wie Kollege Buchmann vor mir so schön gesagt hat. Dem ist einmal eines voranzustellen: Wir sind hier entgegen verschiedenen Selbstbezeichnungen, die wir immer verwenden, keine Europakammer, auch keine Zukunftskammer, sondern eine Länderkammer – das hat der Kollege von der SPÖ schon einmal klargestellt –, wir vertreten hier die Interessen der Länder und wir schauen, dass deren Rechte, Rechtspositionen und jene der Leute, die in den Ländern wohnen, nicht geschmälert werden.
Was heißt also die Idee Europa? – Wenn Sie jetzt das Papierl, über das wir heute reden, diesen Abschlussbericht über die Zukunftskonferenz, anschauen, dann sehen Sie, dass die Idee Europa ein Zentralstaat ist, der möglichst mächtig wird und der die einzelnen Staaten und Regionen möglichst entmachtet. (Bundesrat Buchmann: Das habe ich nicht gesagt!) – Sie haben es nicht gesagt, sondern ich sage es. Ich bin ja auch derzeit am Rednerpult – das (erheitert) ist ja das Schlechte für Sie. Wenn ich etwas sage, heißt das nicht automatisch, dass Sie es gesagt haben. Ich sehe mich nicht als Alter Ego des Buchmann. Na ja, so ist es.
Also schauen wir uns einmal ein bisschen an, was diese Zukunftskonferenz erstens gemacht hat und was sie zweitens war. – Also sie war eines nicht – da muss ich dem Kollegen jetzt widersprechen, um klarzustellen, dass ich kein Alter Ego bin –, sie war mit Sicherheit kein demokratisches Experiment oder demokratisches Labor, sondern sie war ein Beweis dafür, wie gut es geht, etwas demokratisch zu nennen, was mit Demokratie überhaupt nichts zu tun hat.
Wenn überhaupt, war das allenfalls eine Art Rätedemokratie im leninistischen Sinn von 1919, aber mit einer Demokratie, in der das Volk entscheidet, hat es überhaupt nichts zu tun, wenn wie auch immer Leute ausgesucht werden, die in kleinen Gruppen unter der Leitung von Eurokraten, Experten, Rhetorikern und so weiter über etwas diskutieren. Wenn wir von Demokratie reden, dann heißt das Mitbestimmung des Volkes und nicht einzelner Räte, die irgendwie zusammengestellt werden. Ich verwende das Wort Räte, weil es einen Bezug zur Vergangenheit, nicht nur zur rühmlichen Vergangenheit, hat. (Bundesrat Himmer: Außer es wären Bundesräte! Da wäre es etwas anderes!)
Wenn dann 800 Räte wie auch immer ausgewählt werden – ich werde Kollegen Spanring ersuchen, dass er sich doch zu Wort meldet, obwohl das heute nicht vorgesehen ist (Zwischenruf des Bundesrates Köck), weil er über ein Spezialwissen darüber verfügt, wie es bei der Auswahl dieser Räte tatsächlich zugegangen ist; vielleicht gibt er uns dann noch die Ehre, das werden wir sehen –, also jedenfalls, wenn diese Räte dann irgendetwas nach dem Motto: Wir liefern, was bestellt!, beschließen, nämlich genau das, was sich das Europäische Parlament und die Kommission vorgestellt haben, dann ist das kein demokratischer Prozess und kein Mitbestimmungsprozess der Bürger, sondern ein Mäntelchen, das verwendet wird, um tatsächliche demokratische Prozesse zu verhindern.
Das Einzige, was ein demokratischer Prozess wäre, wäre, zu sagen: Wir wollen diese und jene zusätzlichen Kompetenzen!, und das einer Volksabstimmung zu unterziehen. Das wäre in unserem Sinne demokratisch. Alles andere ist in unserem Sinne antidemokratisch, weil es die Prinzipien der Demokratie aushebelt, und genau das ist die Zukunftskonferenz.
Schauen wir einmal, was diese Zukunftskonferenz an wesentlichen Dingen beschlossen hat, genau das nämlich, was bestellt war. Eines hat ja Kollege Leinfellner schon ausgeführt, das ist natürlich der Wegfall der Einstimmigkeit – ganz wichtig und nach verschiedenen Teilnehmern offensichtlich ganz im Interesse der Länder und ihrer Bürger, dass man möglichst wenig zu reden hat.
Dass Österreich, ein Staat, der 2,8 Prozent der Abgeordneten im Europäischen Parlament stellt, darauf heiß ist, sein Zustimmungsrecht zu existenziellen Fragen zu verlieren, das ist schon allerhand. Damit würden wir unter anderem in der Außenpolitik, in der Sicherheitspolitik, in der Sozialpolitik, in der Steuer- und Haushaltspolitik, aber auch in der Sanktionspolitik unser Mitspracherecht de facto verlieren.
Es mag sein, dass wir das wollen, dass wir den Bürgern als Ländervertreter sagen: Wir wollen nicht, dass ihr letztentscheiden könnt, wie unser Steuersystem ausschaut! Wir wollen nicht, dass ihr letztendlich entscheiden oder mitentscheiden könnt, wie der Haushalt der EU aussieht! Wir wollen nicht, dass ihr euch dagegen wehren könnt, dass die EU sagt, es gibt jetzt einen 10-prozentigen Einkommens- und Lohnsteuerzuschlag, um die große Idee von der Weltmacht Europa, wie das die Ministerin so schön ausgeführt hat, zu finanzieren! – Das kann man machen, muss man aber den Leuten bitte sagen.
Schauen wir noch ein paar andere wesentliche Dinge an, die da herausgekommen sind: die Rolle des Außenbeauftragten zu stärken – das heißt, die Rolle des eigenen Außenministers, der eigenen Außenvertretung zu schwächen. Das ist ja klar: Wenn einer gestärkt wird, wird ein anderer geschwächt. So ist es leider, eine Addition der Macht gibt es nicht. Da kann man sagen: Wir wollen eigentlich nicht, dass Österreich viel im Ausland auftritt, sondern das soll der Außenbeauftragte machen! Wir wollen am wenigsten auffallen! – Das kann man machen, soll man dann aber bitte sagen und nicht von irgendwelchen Werten und Rechtsstaatlichkeiten daherreden.
Das Nächste, der Verlust der Kompetenz für Gesundheit und Gesundheitsvorsorge: Da kann man sagen: Wir sind so unfähig, wir haben in der jetzigen Pandemie bewiesen, dass wir im Gesundheitsbereich völlig versagen! Unsere Regierung ist nicht in der Lage, ein solch wichtiges Thema zu verwalten! Geben wir es an den Europäischen Rat, an das Europäische Parlament oder die Kommission ab, vielleicht geht es dann besser!, aber das muss man bitte sagen.
Nächster Punkt, transnationale Listen: Ja, das ist ja ungeheuer demokratisch, wenn die einzelnen Mitgliedstaaten nicht einmal mehr für das eigene Parlament kandidieren können, ohne sich mit anderen Staaten zusammenzutun und mit ihnen hinsichtlich der Person an der Spitze, hinsichtlich des Katalogs der Werte, die man dort vertritt, Kompromisse zu schließen. Das ist ungeheuer demokratisch, wenn man als Österreicher nicht mehr zur europäischen Wahl antreten kann, wenn man keine transnationale Liste zustande bringt.
Ganz im Interesse Österreichs ist natürlich der Punkt, der herausgekommen ist: die Fähigkeit der Europäischen Union, in größerem Umfang gemeinsame Schulden zu machen und den EU-Haushalt durch neu geschaffene Quellen der EU-Eigenmittel, sprich Steuern, zu erhöhen – zu stärken, steht da natürlich, Erhöhung gibt es nicht –, zu stärken. Erhöhung ist ein Wort, das da zwecks Täuschung der Bürger natürlich nicht vorkommt.
Ist das im Interesse der Österreicher? – Ja, sicher. Die Mithaftung für immer größere Schulden für irgendwelche Dinge – jetzt heißen sie Sanierungsfonds, Zukunftsfonds –, die Mithaftung der Staatsschulden in Griechenland, Portugal, Italien, Spanien und so weiter ist nach denen, die dieses Papier bejubeln, sicher im Interesse der Österreicher, und dazu zählt auch das Europaministerium. (Präsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)
Was gibt es noch? – Ja, grüne Transformation. Da, möchte ich sagen, ist ja fast nichts möglich. Ganz wichtig ist aber: Beim Ausbau der Sanktionsmöglichkeiten sollen wir auch nicht mehr mitreden können beziehungsweise kein Vetorecht haben. Das ist ganz wichtig, wenn die EU beschließt, einen Staat zu sanktionieren, weil dort die demokratisch gewählten verfassungsmäßigen Organe etwas beschließen, das der EU-Mehrheit nicht passt, weil die Möglichkeit bestehen muss, demokratische Prozesse im Sinne der – unter Anführungszeichen – „neuen Demokratie“ auszuhebeln, weil die Weisen beschließen oder die Mehrheit beschließt: Das Volk dort ist zu blöd! Dessen Entscheidung dürfen wir nicht zur Kenntnis nehmen! Das gehört ausgehebelt! – Das ist wahre Demokratie im EU-Sinn, das ist wahre EU-Demokratie: Sanktionen.
An den Beispielen Polen, Ungarn konnte man das ja schon sehen. Im Falle Polens war man nicht damit einverstanden, dass das Verfassungsgericht von den langjährigen kommunistischen Beisitzern gesäubert wurde, indem man ein Pensionsalter eingeführt hat, das die gezwungen hat, nicht bis zum Tod zu bleiben, sondern in Pension zu gehen, und eine Neubesetzung ermöglicht hat. Das war natürlich gegen die Grundwerte der Europäischen Union, absolut unakzeptabel.
Im Falle Ungarns waren es verschiedene Dinge. Es hat mit der Verfassung begonnen, nachdem die Präambel einen Hinweis auf Gott erhalten hat. Das wollte man gar nicht: Unakzeptabel! Europäische Werte weg! Jetzt, beim Gesetz, das die Propaganda für gleichgeschlechtliche Beziehungen von Minderjährigen und an Schulen verbietet, musste natürlich ein Bestrafungsmechanismus eingeführt werden. Das ist die Demokratie, die diesem Papier, diesen Überlegungen und den Träumen der Europäischen Kommission und ihrer Verfechter zugrunde liegt, von der Stärkung der sogenannten legalen Migration, vom Solidaritätsmechanismus und den Verteilungsquoten einmal ganz abgesehen. Auch das ist offenbar in unserem Interesse: dass wir nicht selber entscheiden, wer bei uns einwandert, sondern dass wir das delegieren und in der Europäischen Union entschieden wird: So, ihr bekommt jetzt 40 000 Somalis! Oder: Ihr bekommt 30 000 – was weiß ich? – Nigerianer oder Syrer von da und dort, weil ihr sonst eure Quote nicht erfüllt!
Das kann man alles wollen, wenn man sagt: Wir sind zu blöd! Wir haben keine Regierung, die selber für uns sorgt, wir brauchen jemanden, der das macht! Es gibt weiterhin Minister, aber die sind nicht mehr verantwortlich, weil alle Kompetenzen in Brüssel sind, und die Minister vollziehen ja nur Richtlinien oder Verordnungen nach! – Das kann man machen, es ist nur die Frage: Was ist das?
Da komme ich vielleicht auf das zurück, was die Frau Ministerin uns schon gesagt hat. Wenn ich jetzt polemisch wäre, was ich auch fast geneigt bin zu sein (Heiterkeit bei BundesrätInnen von FPÖ und ÖVP), würde ich der Frau Ministerin sagen: Bitte vergessen Sie nicht, dass Sie österreichische Ministerin für Verfassung und Europa sind, wenn auch das Wort Europa drinnen steht, und in Österreich von den österreichischen Bürgern und Steuerzahlern derzeit noch bezahlt werden. (Beifall bei der FPÖ.) Sie sind kein Organ und keine Außenstelle (Zwischenruf bei der FPÖ) der EU-Propagandainstitutionen.
Es mag sein, dass die lange Beschäftigung mit der Europäischen Union und der viele Umgang mit den dortigen – sagen wir einmal – Mechanismen, die es sehr wohl schaffen, die Leute synchron denken und fühlen zu lassen, also diese Aufnahme der Schwingungen von Europa als einzig seligmachend, einzig Großem, dazu führt – ich habe ein paar besonders schöne Sache mitgeschrieben –, dass die österreichische Ministerin davon träumt, dass die EU „zu einer globalen Macht in der Welt“ wird – schön, ja. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.) In der Politik müssen wir „die geopolitischen Interessen der Europäischen Union“ voranstellen. – Das ist interessant, ja.
Ganz wichtig ist zum Beispiel „die nachhaltige Stärkung der europäischen Institutionen“ – ganz wichtig! Es geht also nicht vielleicht um die Stärkung des Bundesrates – man kann ja diskutieren, ob der Bundesrat so sinnvoll ist (Bundesrätin Schumann: Na geh! Nicht wirklich!); da gibt es verschiedene Meinungen –, aber auch nicht um die Stärkung des Nationalrates, die Stärkung des eigenen Ministeriums, die Stärkung der österreichischen Stimme in der EU, sondern um die Stärkung der europäischen Institutionen und damit die Schwächung der eigenen Institutionen.
Das Ganze wurde natürlich mit den üblichen Schlagwörtern, den Propagandatotschlagargumenten, die jedes Diskutieren unmöglich machen, garniert. Es geht darum, „unsere Werte“ zu erhalten – da werden wir diskutieren, was „unsere Werte“ eigentlich sind –, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie als Säulen zu fördern. – Ja, über die Demokratie, darüber, was unter Demokratie im Sinne von Unsere-Werte-EU zu verstehen ist, haben wir ja schon ein bisschen geredet: möglichst wenig Mitbestimmung durch die Bürger im ursprünglich demokratischen Sinn und möglichst viel Übernahme der Bestimmung durch anonyme Konferenzen, Tagungen, Institutionen, Zirkel und dergleichen.
Rechtsstaatlichkeit, eine gute Sache: Was da von der Frau Ministerin genannt wurde, war die Säule der Sanktionen, also des Mittelentzuges. Sie haben ein Fachwort verwendet, das mir jetzt leider entfallen ist. (Bundesministerin Edtstadler: Konstitutionalitätsmechanismus!) – Bitte? (Bundesministerin Edtstadler: Konstitutionalitätsmechanismus!) – Genau: Konstitutionalitätsmechanismus. Constitutio: Da steckt auch das Wort Verfassung drinnen. Ich weiß nicht, was der Strafmechanismus mit der Verfassung zu tun hat, aber okay. Sagen wir einmal: Konstitutionalitätsmechanismus! Das ist ja ganz wichtig. Wenn man also Staaten mit einer demokratischen Herrschaftsstruktur – und nur solche Staaten können in Europa, in der EU, überhaupt existieren und Mitglied sein – bestraft, wenn man also durch externe Gremien entscheidet: Wer darf Geld kriegen und wer kriegt nichts, wer war brav genug und wer kriegt die in der EU-Verfassung und in den Verträgen vorgesehenen Mittel nicht?, wenn man arbiträr entscheidet, welcher Mitspieler etwas kriegt oder nicht, weil man der Meinung ist, der ist böse oder nicht böse, gilt das als Stärkung der Rechtsstaatlichkeit. Das ist rechtsstaatlich.
Rechtsstaatlich ist natürlich auch alles, was im Zusammenhang mit der sogenannten Russland-Ukraine-Krise jetzt gemacht wurde. Rechtsstaatlich ist zum Beispiel die Enteignung beziehungsweise Beschlagnahmung des Vermögens von Personen, die sich nicht ausreichend Putin-kritisch äußern (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ), das Beschlagnahmen von Immobilien, Jachten, Aktienpaketen von jetzt auf einmal sogenannten Oligarchen, die Putin-nahe sind, die sich nicht von Putin distanzieren, Auftrittsverbote für Künstler, die sich nicht ausreichend von Putin oder von Russland distanzieren. Das ist Rechtsstaatlichkeit im EU-Sinn. Ich sage das nur, damit wir wissen, was da auf uns zukommt und was hinter dieser Zukunftskonferenz und den Dingen, die sie beschließt, steht.
Diese Entmachtung der Staaten und Länder, die wir in diesem Bericht finden, ist dann mit den üblichen Worten garniert, die es Kollegen Buchmann zum Beispiel möglich machen, schöne Dinge zu sehen, wie dem Wort von der Subsidiarität. Alles ist nicht subsidiär, was da beschlossen wurde, alles ist zentralistisch und agglomerierend außer dem Wort Subsidiarität. Die Subsidiarität ist ganz wichtig, aber nur deshalb, weil nichts übrig bleibt, um subsidiär zu sein, und die Machtblöcke so verschoben werden, dass die Entscheidungen in Brüssel und Straßburg liegen.
Mit diesen einigen Bemerkungen, die etwas länger gedauert haben, als ich ursprünglich vorhatte, übergebe ich meinem Nachfolger, Kollegen Schennach, der die Dinge sicher etwas anders sieht - - (Bundesrätin Zwazl: Das geht nicht! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) – Ja, ja, ja, ja, ja, ich kenne die Formalismen. Ich habe gesagt: übergebe ich meinem Nachfolger, Kollegen Schennach – nicht das Wort, sondern den Raum vor diesem Mikrofon. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Das heißt, du gehst, du trittst ab!)
13.39
Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm dieses.