16.11

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorweg darf ich noch einmal betonen, dass unser Bundeskanzler Karl Nehammer, der sich für heute ent­schuldigt hat, beim heutigen Nato-Gipfel in Madrid vertreten ist und unser Land dort ordentlich vertritt. (Bundesrat Steiner: Das ist nicht der Nato-Gipfel, aber es ist wurscht! Der Nato-Gipfel war gestern! ... befreundete Länder!) Gemäß Art. 73 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz werde ich daher in seiner Vertretung das Verlangen auf Be­sprechung der Anfragebeantwortung im Bundesrat wahrnehmen.

Nun zur konkreten Anfragebeantwortung durch den Bundeskanzler zur Anfrage 4006/J-BR/2022 betreffend „Democracy Report 2022 – Abstieg Österreichs von der liberalen zur Wahldemokratie“, die von der Frau Bundesrätin schon eingeleitet wurde, darf ich eingangs ausführen, dass die zuständige Verfassungsministerin die idente Anfrage – bis auf eine Frage, auf die ich nachher noch eingehen werde –, die auch an sie ergangen ist, bereits ausführlich beantwortet hat. (Bundesrätin Schumann: Nein, hat sie nicht, nein! – Bundesrätin Grimling: Nein, hat sie nicht! – Bundesrätin Hahn: Was verstehen Sie unter ausführlich?) In der Beantwortung des Bundeskanzlers wurde daher auch auf die erwähnte Beantwortung durch die Verfassungsministerin verwiesen.

Die Fragen, werte Frau Schumann, die in Ihrer Anfrage gestellt wurden, fallen in die Zuständigkeit der Verfassungsministerin Edtstadler und nicht in jene des Bundeskanz­lers. Dem Bundeskanzler kommt für diese Angelegenheiten auch kein Weisungsrecht zu. Die Bundesministerin ist für die Beantwortung der Fragen in ihrem Zuständigkeits­bereich alleinig verantwortlich. Der Bundeskanzler kann keine Anfragen beantworten, die in den Vollzugsbereich eines anderen Ministers fallen.

Zur vorher erwähnten Frage 2 Ihrer Anfrage, die das Thema betrifft, ob der Bundes­kanzler die Tagesordnung des Ministerrates aufgrund dieser Studie hat ändern lassen: Nein, der Bundeskanzler hat den Bericht nicht auf die Tagesordnung setzen lassen, da dies von der dafür zuständigen Fachministerin für EU und Verfassung in die Wege geleitet werden müsste. Zusammengefasst darf ich deshalb noch einmal betonen: Die heute vorliegenden Fragen wurden von der zuständigen Verfassungsministerin Karoline Edtstadler am 22. Juni sehr ausführlich beantwortet. Da die Fragen nicht in die Zustän­digkeit des Bundeskanzlers fallen, dürfen sie auch nicht durch die Vertretung beant­wortet werden. (Heiterkeit bei Bundesrätinnen der SPÖ.) Dies gesagt, werde ich jetzt gerne politisch auf die Debatte eingehen und das Thema gerne auch mitbehandeln.

Der jährlich vom schwedischen V-Dem Institute im März veröffentlichte Democracy Report bewertet anhand verschiedenster Indikatoren das Level der Demokratien in den unterschiedlichsten Ländern der Welt. Im Bericht wurde Österreich, wie Sie richtiger­weise angeführt haben, im Ranking heruntergestuft. Ausschlaggebend dafür waren Wahrnehmungen und Veränderungen der Berechenbarkeit und der Vorhersehbarkeiten von Gesetzen.

Die vergangenen beiden Jahre waren insbesondere für die Gesetzgeber – egal, ob im Nationalrat oder im Bundesrat – in einer noch nie dagewesenen Art und Weise irrsinnig schwierig und herausfordernd. Zahlreiche Entscheidungen im Kampf gegen das Corona­virus mussten schnell getroffen werden. Nicht immer konnten da beispielsweise Begut­achtungsfristen in ihrer gewohnten Art und Weise durchgeführt werden. (Bundesrätin Hahn: Ja, das betrifft aber auch andere Dinge, wo der Stress nicht gegeben war!) Ich möchte trotzdem auch betonen, dass mittlerweile die Begutachtungsverfahren außer­halb der Covid-Pandemie wieder in gewohnter Manier ausreichend lange stattfinden. Diese Umstände spiegeln sich in der Bewertung Österreichs im genannten Democracy Report wider. Dieser bezieht sich auf das Jahr 2021.

Dieser Report ist aber bei Weitem nicht der einzige Indikator, die einzige Studie, die einzige Grundlage, auf Basis derer die Demokratie in Österreich zu bewerten ist. Auch der renommierte Democracy Index 2021 des „Economist“ beschreibt die Pandemie als weltweit größte Belastung für die demokratische Freiheit. (Bundesrätin Grimling: Aber die Pandemie hat nicht bei der österreichischen Grenze aufgehört!) Laut diesem Ranking leben lediglich 6,4 Prozent der Weltbevölkerung in vollständigen Demokratien. 45,7 Pro­zent leben bloß in Formen von Demokratien. Wir in Österreich befinden uns hier in der höchsten Kategorie, in einer vollständigen Demokratie.

Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind aber definitiv keine Selbstläufer. Das sehen wir einerseits anhand dieser wissenschaftlichen Berichte und Rankings, aber andererseits sehen wir das auch ganz klar mit einem Blick in die Welt. Während der Coronapandemie haben zahlreiche Menschen ein Ende der Demokratie in europäischen Ländern herbei­beschworen. Wohlgemerkt wurde das meist nur auf Demonstrationen herbeibeschwo­ren. Diese Demonstrationen waren sogar während der Coronapandemie durch die Meinungsfreiheit, eines der höchsten Güter der Demokratie, geschützt.

Über die Hälfte der Weltbevölkerung hat nicht das Privileg, in einer Demokratie zu leben oder in einer Demokratie auch aufzuwachsen. Demokratische Werte stehen gerade in Wochen und Monaten wie diesen durch den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine auf dem Spiel. (Bundesrat Steiner: Wir müssen der ÖVP dankbar sein, dass man was sagen darf!) In einer Demokratie zu leben ist absolut keine Selbstverständlichkeit. Selbst­verständlich ist Demokratie nie als fertiger oder gar als abgeschlossener Prozess zu verstehen, denn wir alle – egal ob Abgeordnete, Regierungsmitglieder oder politische Parteien – müssen Tag für Tag daran arbeiten, dass das demokratische Verständnis hochgehalten wird und das Bewusstsein gerade an die nächsten Generationen auch weitergegeben wird. (Bundesrätin Grimling: Das sieht man, wie man mit uns umgeht!)

(In Richtung Bundesrätin Schumann:) Sie, Frau Bundesrätin, haben in Ihrer Anfrage ganz konkret gefragt, „welche Schritte“ die Bundesregierung setzt, um die Demokratie im Land zu stärken. (Bundesrätin Grimling: Aber das kann er nicht beantworten!) Ins­besondere im Aufgabenbereich der Verfassungsministerin und auch der Justizministerin sind das die Reform der Parteienfinanzierung, das Informationsfreiheitsgesetz oder auch die geplante Einrichtung einer Bundesstaatsanwaltschaft.

In meiner Funktion als Jugendstaatssekretärin möchte ich abschließend auch noch auf einige Punkte eingehen. Sie haben die spezifische Frage nach gezielten „Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie“ im Bildungsbereich gestellt. Demokratiebildung in Schulen wie auch die Partizipation Jugendlicher an demokratischen Prozessen müssen in unser aller Interesse sein. Österreich ist neben Malta das einzige europäische Land, in dem junge Menschen bereits ab 16 Jahren wählen dürfen. Dieses Privileg für junge Men­schen, mitzuentscheiden, feiert im heurigen Jahr 2022 sein 15-jähriges Bestehen. Lang­zeitstudien seit diesen 15 Jahren zeigen auch ganz deutlich, dass das Interesse junger Menschen an Politik seit 2007 stark zugenommen hat. Das ist ein absolut positiver Trend und genau daran knüpfen wir als Bundesregierung auch an.

Zur Stärkung der Demokratiebildung, ganz explizit in Schulen und unter jungen Men­schen, wurde erst kürzlich im Nationalrat ein überparteilicher Entschließungsantrag ein­gebracht, der ganz viele Maßnahmen zur Stärkung der Demokratiebildung beinhaltet – darunter beispielsweise die Schaffung von fächerübergreifenden Schwerpunkten zu politischer Bildung und auch zur Medienbildung in den neuen Lehrplänen, die ja aktuell überarbeitet werden, dann die Stärkung und den Ausbau der Jugend- und Schüler­parlamente für mehr Jugendpartizipation, insbesondere auch auf lokaler Ebene, die Aufbereitung von Materialien für Schulen sowie Lerninhalte für die außerschulische Kinder- und Jugendarbeit.

Wollen wir die Demokratie in unserem Land nachhaltig stärken, dann müssen wir ganz einfach auch bei den nächsten Generationen ansetzen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.18

Vizepräsident Günther Novak: Danke, Frau Staatssekretärin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm das Wort.