16.18

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Frau Staatssekretärin! Das, was Sie da jetzt gemacht haben, war eine knappe Geschichte.

Wie geht es dem Kanzler? Wir sorgen uns. Seit zwei Monaten haben wir ihn im Par­lament nirgendwo mehr gesehen. Ich hoffe, Sie richten ihm Grüße aus. Er kann ja über eine Aktuelle Stunde vielleicht das Thema bestimmen, über das er mit uns reden kann, wenn er die anderen Themen nicht unbedingt beantworten möchte. (Bundesrat Steiner: Da kommt auch die Vertretung! Für das hat’s ja ein Staatssekretariat gebraucht!)

Nun, gehen wir einmal formal vor: Formal wäre der Kanzler zuständig, er hat nur die Zuständigkeit an die Verfassungsministerin abgetreten. (Bundesrat Bader: Aber nicht wegen eurer Anfrage!) – Ja! (Bundesrat Bader: Nicht wegen eurer Anfrage!) Diese Anfrage hat er an die Ministerin abgetreten, damit sie sie beantwortet.

Eigentlich ist ein Kanzler in erster Linie, weil er ja der Chef der stärksten Partei ist, für den Zustand einer Demokratie verantwortlich (Beifall bei der SPÖ), und darüber sollte er sich mindestens täglich Gedanken machen: Wie schaut die Situation aus und wie schaut das Vertrauen in die Politik in unserem Lande aus?

Sie haben wortreich gesagt, wie großartig und umfangreich die Beantwortung der Ver­fassungsministerin war. Die Verfassungsministerin ist also da relativ schnell ausge­wichen, und zwar ist sie auf die Untersuchung der Europäischen Kommission ausge­wichen: was die Europäische Kommission da alles macht, der Rechtsstaatlich­keits­begriff. Da ist sie tatsächlich ausführlich geworden. Was aber den „Democracy Report“ betrifft – was ja das Bedenkliche ist –, da ist nicht viel da. Im Ernst, das sind vielleicht eineinhalb Absätze, aber dann ist man schon, noch bevor der zweite Absatz zu Ende ist, bei der Europäischen Kommission, und dann geht es Absatz um Absatz um die Euro­päische Kommission und den Rechtsstaatlichkeitsbericht der Kommission. – Sorry, das war nicht gefragt! (Bundesrätin Hahn: Themenverfehlung!)

Es geht darum, dass ein Bericht vom renommierten V-Dem Institute vorliegt, und wir haben uns erlaubt, elf Fragen – zugegeben mit einigen Unterpunkten – zu stellen. Es ist auch sehr ausführlich in den Medien berichtet worden, was das bedeutet, was das heißt: Den Ruf einer liberalen Demokratie zu verlieren und auf eine Wahldemokratie down­gegradet zu werden ist nämlich hart. Während man auf der anderen Seite sieht, dass zwei Staaten von einer Wahlautokratie zu einer Wahldemokratie upgegradet wurden, gibt es vier Länder, die dort downgegradet wurden.

Da nutzt es gar nichts, wenn man jetzt schreibt, was in der Kommission und so weiter alles los ist, sondern wir haben ganz klar an drei Mitglieder der Bundesregierung Fragen gestellt: an den Chef, an den Vizechef und an die Verfassungsministerin. Wir haben da eine Antwort der Verfassungsministerin, die über zwei Drittel etwas anderes behandelt als die Frage.

Der Herr Vizekanzler – gut, das gebe ich zu, das klingt auch eher nach Scherz – beant­wortet zwar zwei Fragen, aber er schreibt überall, er ist überhaupt nicht zuständig. Er hätte zwei Sätze mehr machen können, um vielleicht seine Sorge zum Ausdruck zu bringen. Denn als eine Wahldemokratie – europäisch oder international – hingestellt zu werden, ist für ein Land, das auf seine Demokratie stolz ist, wirklich nicht ruhmreich. Da könnte auch ein Herr Vizekanzler etwas dazu sagen.

Oder er hat einfach so viel Disziplin gegenüber seinem Regierungspartner  der ja mit Korruption und anderen Dingen dermaßen beschäftigt ist, dass unter Umständen bei der Bevölkerung, die da befragt wurde, genau dieser Eindruck, nämlich Korruption, entstan­den ist: Korruption (Ruf bei der ÖVP: Korruptionsvorwürfe, nicht Korruption!), dann zig – ich weiß nicht, 26 – Spitzenfunktionäre, die sich mit Anklagen herumschlagen müssen, ein ehemaliger Verfassungsrichter, der zurücktreten musste, der aber kurzfristig sogar die Regierung geführt hat, und, und, und.

Das sind also schon alles Dinge, von denen die Menschen den Eindruck haben: Irgend­etwas stimmt da nicht! – Wenn etwas nicht stimmt, dann kann man sich als parlamen­tarische Versammlung zumindest erwarten, dass der Regierungschef, und wenn es nur 15 Sätze sind, etwas schreibt. Wir hoffen also sehr, dass es ihm gut geht. Wir hoffen sehr, dass er vielleicht über den Umweg einer Aktuellen Stunde, in der er das Thema bestimmen kann, wieder im Parlament – entweder im Nationalrat oder im Bundesrat – auftaucht.

Wie wir gestern von der tschechischen Delegation erfahren haben, ist der dortige Pre­mierminister auch seit zwei Monaten nicht im Parlament gesehen worden. Wir – Kollege Buchmann und ich – haben dann gefragt: Was mögen denn da die Gründe sein? – Die beiden Herrschaften haben gemeint: Vielleicht bereitet er sich auf die Präsidentschafts­wahl vor. – Ich würde das bei Karl Nehammer jetzt einmal ausschließen, dass er die zwei Monate Abstand vom Parlament für die Präsidentschaftswahl nützt.

Trotzdem darf man als Volksvertretung überrascht sein, dass der Kanzler weder zum Antiteuerungspaket noch zu einer Dringlichen Anfrage noch zu einer Anfrage­be­sprechung Zeit hat, und so nebenbei – als PS – frage ich mich, was der Kanzler eines neutralen Landes am Rande eines Nato-Gipfels zu suchen hat. Erdoğan kann er auch direkt treffen, da muss er nicht zu einem Nato-Gipfel fahren. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

In diesem Sinne: Liebe Frau Staatssekretärin, Sie verstehen, dass wir mit Ihrer Antwort nicht zufrieden sind. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.26

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Mag. Harald Himmer. Ich erteile ihm das Wort.